Bergedorf. Ein winziges Häuschen, mitten in Bergedorf gelegen, und ein geheimnisvoller Geldschrank: Historiker klärt auf, was dahinter steckt.

Geschichtsforschung kann zur Abenteuerreise in die Vergangenheit werden – vor allem, wenn ein auffällig-unauffälliges Relikt bis heute erhalten ist. Auf eine solche Reise nimmt Dr. Geerd Dahms die Leser im neuen Lichtwark-Heft mit, das seit wenigen Tagen im Buchhandel und beim Kultur- & Geschichtskontor am Reetwerder 17 zu haben ist (8 Euro; 80 Seiten; ISBN 978-3-942998-22-2). Wir stellen ausgewählte Beiträge in einer Serie vor.

Unter dem Titel „Vergraben und Vergessen“ dreht sich in Dahms’ Beitrag alles um ein winziges Häuschen auf dem Gojenberg, das wie ein märchenhaftes Kleinod versteckt am Ufer der Schulenbrooksbek liegt. „Ein Ort, der die Fantasie anregt und ihr freien Lauf lässt“, schreibt der Historiker über das mit Schiefer verkleidete, von einem seltenen Spitztonnendach gekrönte Holzbauwerk, das eigentlich nur Spaziergänger entdecken, die gleich neben der Ernst-Henning-Straße dem Wanderweg am Flüsschen hinauf zur Sternwarte folgen.

Vergrabener Tresor kam bei Pflasterarbeiten zum Vorschein

„Schon oft habe ich mich gefragt, welche Geschichte hier wohl verborgen liegt“, sagt Geerd Dahms, dem jetzt ein Zufall zu Hilfe kam: Bei Pflasterarbeiten stießen Arbeiter unter der Zufahrt auf einen vergrabenen Tresor. Der gut 1,50 Meter hohe, verbeulte Panzerschrank lag vermutlich seit vielen Jahrzehnten in 50 Zentimeter Tiefe. Geerd Dahms wurde hinzugezogen, um den Inhalt zu begutachten. Es fanden sich Verträge, Gehaltslisten und vieles mehr aus den 30er-Jahren, dazu eine Mitgliedskarte des Bergedorfer Bürgervereins von 1918. Nur leider war Wasser eingedrungen, sodass nur noch Bruchstücke der Dokumente lesbar waren.

Doch jetzt war der Forschergeist des Wissenschaftlers geweckt: Er fand heraus, dass der Tresor sehr wahrscheinlich zur Zimmerei Eberlein gehörte, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg hier auf dem sonst weitgehend unerschlossenen nördlichen Gojenberg ansässig war. Eines der ersten Projekte von Meister Richard Eberlein dürfte bereits in den 20er-Jahren das kleine Häuschen an der Schulenbrooksbek gewesen sein, denn es stand auf seinem Grundstück.

Erinnerungen an die alte Frau im riesigen Obstgarten

Später lag es inmitten eines großen Gartens voller Obstbäume, wie Geerd Dahms von seinem alten Freund Dietrich Becker erfuhr. Der spätere Leiter der Bergedorfer Bücherhalle lebte in den 60er-Jahren mit seinen Eltern ganz in der Nähe: „Sofort konnte er mir eine kleine Geschichte erzählen: Damals wohnte in dem kleinen Haus die alte Frau Eberlein, deren Mann verstorben war. Dietrich kletterte mit seinen Freunden oft über den hohen Bretterzaun, um Kirschen zu klauen.“

Die alte Dame beobachtete das – und sprach den Vater eines der Jungen schließlich an. Doch gab es keinen Ärger – ganz im Gegenteil: „Sie lud die Kinder ein, doch durch das Tor auf das Grundstück zu kommen, statt umständlich über den Zaun zu klettern. Sie habe so viele Bäume, dass sie gar nicht wisse, wohin mit dem ganzen Obst.“

Damals, so schätzt Dahms, lag der Tresor bereits unter der Einfahrt. Er dürfte dort verscharrt worden sein, als die Tischlerei 1950 auf ihr neues Betriebsgelände an der August-Bebel-Straße 199 gegenüber vom Friedhof zog. Ob der Safe einen brisanten Inhalt hatte, vielleicht aus der Nazizeit, mag der Historiker nicht beurteilen. Neben dem einströmenden Wasser macht längst auch das Schicksal jegliche Recherche-Möglichkeit zunichte: Die Geschichte der Firma Eberlein endete bereits 1953, vielleicht mit dem Tod des Inhabers.

Seine Frau bewohnte das kleine Haus an der Schulenbrooksbek jedenfalls weiter. Als sie vermutlich 1967 starb, geriet der Tresor unter der Einfahrt endgültig in Vergessenheit. „Und die Kinder aus der Nachbarschaft waren sehr traurig“, erfuhr Dahms von Dietrich Becker. Denn der Obstgarten war fortan für sie tabu.