Hamburg. Die steigenden Lebenshaltungskosten könnten die Situation in Bergedorf weiter verschärfen. Wird das Essen bald rationiert?

Gut 1000 hilfsbedürftige Menschen haben sich bei der Bergedorfer Tafel registrieren lassen und bekamen einen Ausweis, um an den vier vereinseigenen Ausgabestellen kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Und damit sind die 164 Ehrenamtlichen, die jährlich bis zu 550 Tonnen Essbares bewegen, auch an ihrer Belastungsgrenze.

„Im Oktober wollen wir die Situation neu bewerten und schauen, ob wir den Anfang Juni eingeführten Aufnahmestopp wieder beenden können“, meint Peter Kuczora, Vorsitzender seit sechs Jahren. Im Bergedorfer Sozialausschuss erläuterte er, dass die Obergrenze derzeit erreicht sei – nicht zuletzt, weil die Räume wie beim Suppentopf im Gemeindehaus St. Petri und Pauli begrenzt sind.

Tafel in Bergedorf erreicht etwa 2500 Menschen pro Woche

Etwa ein Drittel der Kundschaft seien im Moment ukrainische Flüchtlinge, „die aber auch wieder heimkehren oder woanders Arbeit gefunden haben“, so Kuczora. Er weiß, dass sich niemand freiwillig eine halbe Stunde in die Schlange stellt – schon gar nicht die alternden Stammkunden. Daher möchte der Verein gern vermeiden, die Lebensumstände der Menschen wirklich überprüfen zu müssen – wobei das an der Riehlstraße im Lohbrügge an manchen Tagen schwer auszuhalten sei: „Da ist es vorgekommen, dass Menschen kamen, die später in einem dicken Mercedes fortfuhren. Das ist zwar innerlich nicht akzeptabel, aber wir wollen keine zusätzlichen Kontrollen.“

Gern Menschen unterstützen, doch „Versorgung ist Aufgabe des Staates“

Vielmehr richte er sein Augenmerk auf die vielen alleinerziehenden Mütter mit zwei bis drei Kindern: „Die machen mir Sorgen, und es ist beschämend, dass wir das in unserem Land überhaupt zulassen.“ Er betont, die Tafel unterstütze gern die Menschen, „aber sie zu versorgen, ist Aufgabe des Staates“.

Rund 30 Einrichtungen im Bezirk werden regelmäßig angefahren. Dazu zählen die Jugendzentren Juzena und Pink Haus, das Spielhaus am Friedrich-Frank-Bogen, Wohneinrichtungen für Senioren, die Gemeinde der Auferstehungskirche, beide Männerwohnheimen am Achterdwars und Billwerder Billdeich sowie der Reinbeker Kirchentisch.

Inklusive ihrer Familien erreiche man wohl 2000 bis 2500 Menschen pro Woche. „Fast die Hälfte der täglich gespendeten Waren sind Obst und Gemüse“, sagt Fahrdienstleiter Michael Amm, das zweite Standbein seien Backwaren, gefolgt von Milchprodukten und Joghurt.

Was tun, wenn Lebenshaltungskosten durch die Decke gehen?

Was aber, wenn der Hilfebedarf steigt? Peter Kuczora sorgt sich um die steigenden Lebenshaltungskosten: „Wenn die weiter durch die Decke gehen, wird der Andrang bei den Tafeln wieder richtig groß. Im allergrößten Notfall müssten wir mit der Menge anders umgehen und der Personenkreis erhöhen. Dann bekommt jeder nur eine statt drei Paprika.“ Allerdings, so die traurige Bilanz, „wäre damit ja nicht die Armut beseitigt“.

Erfreulich sei unterdessen, dass viele Bergedorfer mithelfen wollen und auch anpacken können: Die Altersstruktur bei den Frauen liege bei 65,5 Jahren, die der Männer im Fahrdienst bei 64,2 Jahren: „Das ist schon gut, denn vor einiger Zeit waren unsere Fahrer durchschnittlich 67 Jahre alt“, so der Vereinschef, der auf eine Werbekampagne verzichten kann, „weil wir uns einfach in 24 Jahren einen guten Ruf erarbeitet haben“.