Hamburg. Moderatorin zeigte sich fassungslos über fehlende Unterstützung der Stadt. Immer mehr Menschen sind auf die Lebensmittel angewiesen.
Die ersten Ehrenamtlichen sind schon morgens um sieben Uhr gestartet, hier in der Zentrale der Hamburger Tafel auf einer Gewerbefläche an der Schimmelmannstraße in Jenfeld. Sie haben sich auf den Weg gemacht, um aus Supermärkten Lebensmittel abzuholen, die dann später an die Bedürftigen in den 29 Ausgabestellen im gesamten Hamburger Stadtgebiet und an soziale Einrichtungen verteilt werden. Das Herzstück der Zentrale ist das Hochregallager mit mehr als 800 Palettenstellplätzen. Hier lagern Tausende von Packungen mit Waren wie Reis, Käse, Mandarinen oder Würstchen. Es gibt auch noch vier Kühlzellen, in denen leicht verderbliche Lebensmittel wie Joghurt oder Eier aufbewahrt werden.
Die Hamburger Tafel schlägt pro Woche etwa 90 Tonnen Lebensmittel um und unterstützt damit rund 45.000 Menschen in der Hansestadt. Hamburger Tafel-Vorständin Julia Bauer hat gerade Ina Müller durch die Hallen geführt. Die Moderatorin und Sängerin ist Botschafterin der Hamburger Tafel und macht sich persönlich vor Ort ein Bild von der Arbeit des Vereins. „Wenn ich mich für eine Sache engagiere, dann möchte ich auch wissen, wie die Abläufe sind und erfahren, was die Ehrenamtlichen bewegt“, sagt Ina Müller.
Ina Müller fassungslos über fehlende Unterstützung
Anfang Juni hatte sich die Lage bei der Hamburger Tafel dramatisch zugespitzt. Wegen fehlender Spenden mussten 22 der insgesamt 29 Ausgabestellen einen Aufnahmestopp verhängen. Das heißt: Es werden nur noch Lebensmittel an diejenigen ausgegeben, die bereits bei der Tafel registriert sind. „Durch die Geflüchteten aus der Ukraine ist der Andrang noch größer geworden. Wir haben dann über mehrere Wochen direkt hier vor unseren Lagerhallen eine Lebensmittelausgabe eingerichtet“, erzählt Bauer. „Es kamen immer Hunderte Menschen. Das konnten wir hier vor Ort nicht mehr bewältigen. Jetzt haben wir etwa 400 Ukrainer auf die Ausgabestellen verteilt.“
Was viele nicht wissen: „Die Hamburger Tafel erhält von der Stadt keinen einzigen Cent für ihre Arbeit“, sagt sie. Ina Müller schaut ungläubig und fragt dann: „Wie, ihr bekommt keine finanzielle Unterstützung von der Stadt? Das kann ich nicht glauben. Das muss man ändern und mal ein Gespräch mit der Politik im Rathaus führen.“
„Stadt könnte die Miete hier für die Fläche übernehmen"
Und Ina Müller, die die Kultsendung Inas Nacht in der ARD moderiert, hat auch schon einen Vorschlag parat. „Die Stadt könnte die Miete hier für die Fläche übernehmen und die Hamburger Tafel zudem jährlich mit einem Zuschuss unterstützen.“ Die Hamburger Tafel hat im Jahr Ausgaben von etwa 750.000 Euro. Allein für die Spritkosten der 14 Lieferwagen mit Kühlung werden im Monat rund 5500 Euro fällig. Die Kfz-Versicherung schlägt im Jahr mit fast 60.000 Euro zu Buche.
„Wie kann man euch am besten unterstützen?“, möchte Müller wissen. Hamburger Tafel-Vorständin Bauer sagt. „Wir benötigen mehr Lebensmittel. Aber das Problem ist, selbst wenn wir noch mehr Waren gespendet bekommen, reicht die Zahl unserer Ehrenamtlichen nicht aus, um diese zu verteilen. Wir brauchen also auch noch mehr Mitstreiter, die regelmäßig bei uns mitmachen.“ Außerdem seien auch Geldspenden willkommen, um die Arbeit der Hamburger Tafel aufrechterhalten zu können. Ein Beispiel: Ein neuer Sprinter kostet etwa 55.000 Euro.
„Wir haben etwa 500 Kilo an Lebensmitteln eingesammelt"
Es engagieren sich rund 140 Ehrenamtliche für die Hamburger Tafel. Viele von ihnen sind im Rentenalter. So wie Gerd. Der 68-Jährige hat früher für die Telekom gearbeitet und ist seit 13 Jahren an Bord. Es ist zwölf Uhr, und Gerd hat gemeinsam mit dem 81-Jährigen Jürgen – die beiden sind seit Jahren ein eingespieltes Team – bereits seit kurz nach sieben Uhr Supermärkte angefahren. 16 waren es heute. „Wir haben etwa 500 Kilo an Lebensmitteln eingesammelt, die später zu den Ausgabestellen gebracht werden“, erzählt Gerd. Ina Müller schaut sich die Ware an. Obst und Molkereiprodukte sind darunter und heute sogar ein paar Blumen.
Müllers Besuch hat sich auf dem Gelände schnell rumgesprochen. „Die kenne ich doch aus dem Fernsehen“, sagt einer der Helfer, und Ina Müller hält erst mal einen Schnack mit ihm, erkundigt sich nach seiner Arbeit für die Hamburger Tafel. Die 56-Jährige lässt sich auch genau von Geschäftsführer Jan Henrik Hellwege erklären, wie die Abholtouren für die Lebensmittel organisiert werden. Dafür gibt es nicht etwa ein Computerprogramm, sondern die Gebiete, die auf die Ehrenamtlichen aufgeteilt werden, sind auf großen an der Wand hängenden Straßenkarten mit Pins gekennzeichnet.
Ina Müller Gesicht der Tafel-Kampagne
In der ersten Etage des Gebäudes sitzen die Mitarbeiter der Verwaltung. Es gibt sieben Festangestellte. Im Besprechungsraum signiert Ina Müller drei große Plakate. Sie ist das Gesicht der Tafel-Kampagne „Wir haben Hamburg noch lange nicht satt“. Die Moderatorin ist voller Tatendrang. „Ich werde in meinem Freundeskreis dafür werben, die Hamburger Tafel als Fördermitglied zu unterstützen.“
Vier Stunden nimmt sich Ina Müller, die den Abend vorher noch eine TV-Aufzeichnung in Köln hatte, Zeit, um sich hier bei der Hamburger Tafel zu informieren. „Ich finde es bewundernswert, was die Ehrenamtlichen hier leisten. Und es macht mich nachdenklich, dass es in einer reichen Stadt wie Hamburg so viele Menschen gibt, die nicht genügend Geld haben, um im Supermarkt einkaufen zu gehen.“ Ina Müller wird wiederkommen und möchte dann mal mit Ehrenamtlichen im Sprinter auf Tour gehen und Lebensmittel in den Supermärkten abholen.
Hamburger Tafel: "Wie in einem Supermarkt"
Heute ist die letzte Station eine Ausgabestelle, die sich auch auf dem Gelände der Zentrale an der Schimmelmannstraße befindet. Eben wurden die Waren aus dem Lieferwagen ausgepackt, und nun sind zwölf Ehrenamtliche damit beschäftigt, die Lebensmittel auf Tischen zu drapieren. Es gibt Obst, Aufschnitt, veganes Cevapcici und Fertiggerichte. Im Kühlschrank steht Sour Cream bereit. Müller packt mit an, verteilt Brötchen in den Kisten, die gleich an die erste Gruppe von Kunden ausgegeben werden.
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Die kommen zu unterschiedlichen Zeiten und sind nach Buchstaben eingeteilt. Ein Aushang informiert über die Einkaufszeiten. „Wir geben hier Lebensmittel für 370 Personen aus. Es können nicht alle gleichzeitig kommen“, sagt Horst. Der Leiter der Ausgabestelle freut sich an diesem Tag besonders über die Mettwurst, die er später an die Kunden ausgeben kann. „Bei uns ist es wie in einem Supermarkt, aber mit einem Unterschied: Man wird bedient. Je nachdem, wie viele Menschen in einem Haushalt leben, variiert auch die Menge der Ware, die wir ausgeben“, erklärt der 75-Jährige. Die Kunden erhalten einen Tafelausweis, auf dem ihre persönlichen Angaben aufgeführt sind. Und nicht jeder kann zur Tafel gehen, „man muss seine Bedürftigkeit nachweisen“, sagt Julia Bauer. Allein für diese Ausgabestelle stehen 40 Menschen auf der Warteliste.