Reinbek. Rund 60 Familien versorgt der Reinbeker Kirchentisch wöchentlich mit Lebensmitteln. Unsere Autorin hat bei den Aktiven mit angepackt.

Die Tafel ist eine der größten ehrenamtlichen Bewegungen in Deutschland. 1993 wurde die erste Tafel in Berlin gegründet, im Jahr 2021 gab es in der Bundesrepublik 956 Tafeln. Rund 60.000 Menschen engagieren sich bundesweit ehrenamtlich für diese Bewegung. Unsere Mitarbeiterin Imke Kuhlmann hat das Team des Reinbeker Kirchentisches an einem Ausgabetag begleitet und unterstützt.

Ich habe viel Respekt vor diesem Ehrenamt. Soziale Fürsorge und der Inbegriff des Teilens werden hier gelebt. Der Reinbeker Kirchentisch an der Nathan-Söderblom-Kirche wird jeden Freitag von der Bergedorfer Tafel mit Waren versorgt. Pünktlich mache ich mich auf den Weg. Treffpunkt ist um 10 Uhr bei den Containern hinter dem Kirchenturm am Täbyplatz. Vor der Ausgabe herrscht bereits geschäftiges Treiben der acht Helfer, die heute im Einsatz sind. 20 Ehrenamtliche wechseln sich freitags ab. Die meisten von ihnen sind schon im Rentenalter. Ihre Beweggründe: Sie möchten etwas Gutes bewirken.

Kirchentisch versorgt 60 Reinbeker Familien mit Lebensmitteln

Nach wenigen Sekunden bin ich mittendrin, fühle mich schon zugehörig. Die ersten Waren treffen bereits ein. Schnell wird der Wagen entladen. Die Fahrer Marcel Hinz und Wolfgang Rothe sind um 7.30 Uhr zu ihrer Tour gestartet. „Heute sind besonders viel Brot und Brötchen angekommen“, stellt Regina Guhr fest. Sie erzählt mir, dass sie sich engagiert, um eine Aufgabe und Kontakte zu haben. „Vor allem aber möchte ich mich für etwas Gutes engagieren“, sagt sie.

Wolfgang Rothe (l.) und Marcel Hinz bringen die erste Lieferung zum Reinbeker Kirchentisch.
Wolfgang Rothe (l.) und Marcel Hinz bringen die erste Lieferung zum Reinbeker Kirchentisch. © Imke Kuhlmann | Imke Kuhlmann

Die Ehrenamtliche weist mir ohne Umschweife meine erste Aufgabe zu. Der Kuchen muss portionsweise auf kleine Papptablets gelegt und in Tüten verpackt werden. Ich streife mir die Einmalhandschuhe über und packe mit an.

Vor und in den Containern wurden längst Tische aufgestellt, auf denen die Waren präsentiert werden sollen. Alles hat seinen festen Platz. Unter den Helfern bedarf es keinerlei Absprache mehr, sie sind ein eingespieltes Team. Rund 30 Kisten waren im ersten Wagen, ein zweiter wird noch kommen. Sie sind Bäckereien und Supermärkte angefahren, die regelmäßig für die Tafel spenden.

Manchen Kunden wird die Ware nach Hause gebracht

Die Lebensmittel werden sorgsam sortiert und an die Verteilstation gebracht. Zuerst kommen die Milchprodukte. Nicht, ohne dass noch ein Blick auf das Haltbarkeitsdatum geworfen wird. „Wir achten auf das Verfallsdatum, erst wenn das abgelaufen ist, kommen die Waren weg“, erklärt mir Britta Maischatz, die sich später hier zur Ausgabe positioniert. Weiter geht es zu Obst und Brot. Jede Frucht wird begutachtet, ob sie noch ausgegeben werden kann. „Die meisten möchten geschnittenes Brot, kein Brot am Stück“, erfahre ich weiter. Gerade Senioren hätten Schwierigkeiten, sich das Brot zu schneiden.

Manche von ihnen können den Weg zur Ausgabe nicht mehr selbst bewältigen. Da kommt Susanne Fromm ins Spiel. Die 59-Jährige ist noch berufstätig und arbeitet bei der Elbphilharmonie. Wenn es beruflich passt, ist sie dabei: Heute packt sie Tüten. Diese bringt sie denjenigen nach Hause, die nicht selbst kommen können. Manchen legt Susanne Fromm die Waren sogar in den Kühlschrank, wenn sie vermutet, dass sie sonst nicht dort landen würden. „Mich macht es traurig zu sehen, wie viel Armut, aber auch Einsamkeit wir auch hier in Reinbek haben“, sagt sie.

Ein Glückfall: Bei Aldi ist eine Kühlung ausgefallen

Annegret Bornhöft (r.) sortiert mit Regine Schieritz Obst und Gemüse.
Annegret Bornhöft (r.) sortiert mit Regine Schieritz Obst und Gemüse. © Imke Kuhlmann | Imke Kuhlmann

Heute wird besonders viel Obst und Gemüse geliefert. „Bei Aldi ist eine Kühlung ausgefallen, das kommt uns zugute“, erklärt Jörg Seffert, dessen Frau Simone das Team der Freiwilligen organisiert. Heute hat sie Urlaub. Nach dem Brot kommt die Eierstation, aber auch für Veganer und Vegetarier gibt es eine eigene Kiste. Dort bin ich später zum Einsatz. Bei den Wurst- und Fleischwaren wird nach Fleischsorten sortiert. Und dann gibt es noch das Allerlei: Pasten, Oliven, Meerrettich, je nachdem, was die Lieferungen hergeben.

Bereits um 11.45 Uhr ist alles fertig vorbereitet. Eine Pause gibt es für die fleißigen Helfer nicht. Rund fünf Stunden am Stück packen sie an. Die ersten Kunden, wie sie würdevoll genannt werden, warten bereits. Rund 60 kommen pro Woche. Für Flüchtlinge aus der Ukraine wurde außerhalb der Freitagsausgabe eine eigene Ausgabe eingerichtet. Kurz noch eine Ansage, wie viel Produkte pro Familie ausgegeben werden dürfen, dann geht es los.

Annegret Bornhöft kontrolliert, ob die Kunden auch berechtigt sind. Dazu müssen sie entsprechende Nachweise vorlegen. „Ich bin seit 2015 dabei, die meisten von ihnen kenne ich inzwischen mit Namen“, erzählt sie. Diszipliniert durchlaufen die Menschen die Stationen. Ein freundlicher Blick und ein nettes Wort der Helfer fehlen nie. Die Bedürftigen danken es ihnen, durch Blicke oder Worte.

Der Reinbeker Kirchentisch braucht noch Unterstützer

Ich bin ebenfalls dankbar für diesen Tag, der vergangen ist wie im Flug. Helfen zu können, wo Hilfe wirklich nötig ist, mit engagierten Menschen, die mich sofort aufgenommen haben. Der Tag lässt mich aber auch traurig zurück: Wie kann es sein, dass es Menschen in Deutschland gibt, die ihre Familie nicht ohne Hilfe satt bekommen? Der Reinbeker Kirchentisch kann noch Unterstützer brauchen, die sich unter Telefon: 040/722 63 15 oder per E-Mail: buero@kirche-reinbek-west.de melden können.

Ein Gedanke noch: Viele, die heute zur Ausgabe kamen, kommen aus anderen Ländern und sprechen unsere Sprache nicht. Ich würde sie gern motivieren, Deutsch zu lernen, damit sie schneller Fuß fassen.