Bergedorf. Beim Abschiedsgottesdienst wird St. Christophorus entwidmet. Warum die Kirche sich von dem Gotteshaus trennt.

Festlich und gemütlich sah es aus, beim Altenkreis vor 50 Jahren. Auch die Fotos der Jungschar mit Diakon Georg Schumacher machen einen fröhlichen Eindruck, ebenso der Bastelkreis oder die vielen Konfirmanden. Mehr als 400 Erinnerungen kamen zusammen, an Gemeindefeste, Weihnachtsbasare und den großen Chor. Doch wenn am Mittwoch, 29. Dezember, die Fotoausstellung um 16 Uhr in St. Christophorus eröffnet wird, werden auch Tränen fließen, denn der Anlass ist traurig: Die Kirche wird entwidmet.

„Wir haben das mit der Bauabteilung der Landeskirche abgesprochen, und die Entscheidung wurde vom Kirchenkreis genehmigt“, sagt Pastorin Gwen Bryde. Wirtschaftliche Gründe stehen im Vordergrund, schließlich müsse die Kirche insgesamt ein Drittel aller Gebäude abgeben. „Und wir haben ja immerhin neun Häuser in der Gemeinde Bergedorfer Marschen, dazu zählen Pastorate, das Jugendhaus und die FesteBurg.“

Muss das Gotteshaus für ein Bürgerzentrum weichen?

Keine Entweihung soll es werden, wie umgangssprachlich oft gesagt wird, sondern eine Entwidmung: Es gibt keinen Zweck mehr für das Gotteshaus. Pastorin Bryde: „Laut Kirchenrecht muss man das Gebäude entwidmen, wenn man es verkauft oder abreißt.“ Man sei aktuell mit dem Bezirk im Gespräch, wolle das gut 4100 Quadratmeter große Grundstück verpachten. Aber noch ist unklar, wie sich der Stadtteil angrenzend zum neuen Oberbillwerder entwickeln wird: Ob das Gotteshaus vielleicht weichen muss für ein Bürgerzentrum oder eine größere Kita. Auch das benachbarte Haus Christo würde dann abgerissen, in dem sich heute nur noch ein Testzentrum befindet sowie das Büro der Stadtteilentwickler von der steg.

Wehmütig schaut sich Ursula Spiegel in Sakristei und Kirchensaal um: „Früher hatten wir noch 6000 Mitglieder allein in Bergedorf-West. Aber es gab durchaus auch Kirchenaustritte – immer dann, wenn die Heizkosten erhöht wurden“, erinnert sich die 84-Jährige. Ursula Spiegel war hier 27 Jahre lang die Kirchensekretärin und ging mit 60 in Ruhestand. „Das war eine tolle Zeit damals, ich habe elf Pastoren kennengelernt, zuletzt war es Stefan Weißflog.“

Ein Gottesdienst wurde schon mindestens vier Jahre lang nicht mehr gefeiert

Auch zwei Bischöfe seien zu Besuch gewesen, als es früher oben im Gemeindesaal noch die monatlichen Konvente gab. Etwas entzückt schaut sie jetzt auf die große, silberne Taufschale. Die gab es wohl schon, als St. Christophorus am Pfingstsonntag 1971 geweiht wurde – mit Pastor Konrad Lindemann, der längst noch kein Propst war. Sehr bald kam der evangelische Kindergarten hinzu, der inzwischen beide Etagen nutzt.

Kein Halleluja, kein Gebetbuch, kein „gehet hin in Frieden“: Ein Gottesdienst wurde hier schon mindestens vier Jahre lang nicht mehr gefeiert. Längst ist bei einem Sturm das Kreuz vom Dach gefallen. „Und der Altar war nach dem jüngsten Wasserschaden nicht mehr zu retten“, sagt Bryde. Die Orgel kam schon 2017 in die Franz-von-Assisi-Kirche nach Neuallermöhe, erhalten blieb immerhin das gusseiserne Glockenspiel.

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80 Prozent aller Konfirmanden wohnen in Neuallermöhe

„Wir teilen uns inzwischen zwei Pastorenstellen zu dritt. Da wollen wir das Team an einem Ort zusammenziehen, uns auf die Bergedorfer Marschen mit ihren zuletzt 5792 Mitgliedern konzentrieren.“ Wobei gut ein Viertel von ihnen Westler sind: Das Angebot, mit einem Kleinbus zum Gebet am Grachtenplatz gefahren zu werden, hat aber niemand angenommen.

„Viele sind auch gestorben oder wohnen im Altersheim. Und die Neubürger sind eher nicht evangelisch“, bemüht sich die Pastorin um Erklärung. Außerdem würden etwa 80 Prozent aller Konfirmanden in Neuallermöhe wohnen.

Abschiedsgottesdienst wird durch Pröpstin Murmann gehalten

Nun sind also alle Westler aufgefordert, Fotos mitzubringen und in Erinnerungen zu schwelgen. Wobei insbesondere das Frauenteam vom Flohmarkt traurig sein wird: Was einst im Café des Haus Christo angeboten wurde, zog 2017 schon in den verwaisten Kirchensaal: Kleidung, Geschirr und Spielzeug stapeln sich hier, wird donnerstags und freitags zwischen 10 und 12 Uhr kostengünstig verkauft. „Der Flohmarkt ist vielen ans Herz gewachsen. Er ist auch ein bisschen Seelsorge für arme und kranke Menschen, erfüllt also schon noch einen kirchlichen Zweck“, meint Gwen Bryde. Aber auch seine Zukunft ist ungewiss.

Ob es wenigstens noch eine Anmeldestelle für Konfirmanden oder Todesfälle in Bergedorf-West geben wird?, fragt Ursula Spiegel. Pastorin Bryde: „Wir überlegen noch. Vielleicht mieten wir einen Raum an, oder es gibt einen mobilen Marktstand.“ Sicher ist derzeit nur eines: Die Fotoausstellung im Gotteshaus ist zwei Monate lang zu den Flohmarktzeiten geöffnet. Denn am 28. August beginnt um 15 Uhr der Abschiedsgottesdienst samt Entwidmung, gehalten durch Pröpstin Ulrike Murmann.