Hamburg. Brüder aus der Immobilienbranche bauen das Denkmal an der Fuhlsbüttler Straße aufwendig um. Das hat mit ihrer Mutter zu tun.

Trutzig wie eine Burg steht die Nikodemuskirche seit 1959 an der Fuhlsbüttler Straße. Das gelb geklinkerte Gotteshaus ist Zentrum eines denkmalgeschützten Ensembles, zu dem auch das Gemeindehaus, die Kita und mehrere Gründerzeitvillen gehören. Als geistliches Zentrum hatte die Kirche zuletzt jedoch an Bedeutung verloren. Nach der Fusion der Ohlsdorfer Kirchengemeinde mit der Fuhlsbüttler Gemeinde St. Marien wurde das Gemeindehaus an die Stiftung Alsterdorf vermietet – und schließlich beschlossen, den Standort ganz aufzugeben.

Nach einem Abschiedsgottesdienst im August 2021 läuten die Glocken der Nikodemuskirche jetzt noch ein letztes Mal: zum Entwidmungsgottesdienst zu Pfingstsonntag. Nach der Feierlichkeit, die um 11 Uhr beginnt, werden die Osterkerze und andere liturgische Gegenstände zur Marienkirche am Maienweg gebracht.

Weitere Kirche in Hamburg wird entwidmet

Sieben Kirchen wurden in den vergangenen zehn Jahren in Hamburg entwidmet, weil sie wegen schrumpfender Gemeindegrößen nicht mehr gehalten werden konnten. Für die Gemeindemitglieder ist das oft schmerzlich. Auch in Ohlsdorf sind viele traurig. Erst kürzlich hatte der Förderkreis Nikodemuskirche, der sich seit Langem für den Erhalt der religiösen Stätte einsetzt, eine „PROTESTantischen Aktion“ vor der Kirche veranstaltet.

Doch zumindest die Sorge, dass das Gotteshaus abgerissen werden könnte, muss sich niemand mehr machen. Wie das Abendblatt erfuhr, wurde gerade der Vertrag für eine würdige Nachnutzung unterzeichnet: Die Kirche und die beiden anderen Gebäude auf dem Grundstück wurden in Erbpacht an die Hamburger Brüder und Immobilienunternehmer Sönke und Arnt Bruhns vergeben. Sie werden hier das „Zentrum für Hamburger Kunst“ errichten.

Bald Kunstausstellungen in der Nikodemuskirche

Mehrmals im Jahr sollen in der Kirche Sammlungspräsentationen und Wechselausstellungen zur Hamburger Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts stattfinden. Nach Auslauf der Nutzung des ehemaligen Gemeindehauses durch die Alsterdorf Assistenz Nord wird zusätzlich eine wissenschaftliche Forschungsstelle „Kunst der Moderne in Hamburg“ mit Fachbibliothek, Publikationen und museumspädagogischer Arbeit eingerichtet.

Als Erstausstattung stellt Kunsthistorikerin Maike Bruhns dem Zentrum ihre Kunstsammlung mit etwa 2500 Arbeiten von 350 Künstlern zur Verfügung. Die Namensgleichheit ist kein Zufall: Die Autorin, promovierte Wissenschaftlerin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes ist die Mutter der beiden Immobilienentwickler. Mit Claus Mewes, dem langjährigen Leiter des Kunsthauses in Hamburg, entwickelte sie auch das Konzept des neuen Kunst-Zentrums.

„Wir haben lange nach einer geeigneten Immobilie für die umfangreiche Sammlung unserer Mutter gesucht“, sagt Sönke Bruhns. „Sie soll künftig sukzessive mit relevanten Werken auf etwa 8000 Arbeiten erweitert und ergänzt werden.“ Die Kirche und die beiden dazugehörenden Gebäude seien dafür prädestiniert. „Der parabelförmige Kirchenraum bietet sich für Ausstellungen geradezu an. Dazu kommt, dass es im innenstadtnahen und sehr gut angebundenen Ohlsdorf bislang kaum kulturelle Einrichtungen gibt.“

Pastor: "Ich verstehe das Bedauern"

Pastor Bernd Müller-Teichert, der im Kirchenkreis Hamburg-Ost für die „Strukturanpassung“ zuständig ist und die Nachnutzung der Nikodemuskirche organisiert hat, ergänzt: „Ich verstehe das Bedauern über die Schließung der Kirche. Aber ich bin sehr froh, dass wir hier eine wunderbare Nachnutzung gefunden haben: Die Kirche bleibt als Bauwerk erhalten, präsentiert sich mit Kunst und dient weiter dem Stadtteil. Das ist schon viel wert.“

Das Nikodemus-Ensemble soll in zwei Schritten umgebaut werden. Nachdem die Gemeinde alle Sakralgegenstände aus dem Kirchengebäude entfernt hat, wird dieses in einen Ausstellungsraum umgewandelt. Der Eingangsbereich bleibt für einen Empfang mit Infostand und kleinem Verkaufstresen erhalten. Die nachträglich eingesetzte Glaswand zum Kirchenschiff wird entfernt und die originalen Holz- und Glastüren wieder eingebaut. Im rechteckigen Kirchenschiff werden für die künftigen Ausstellungen flexible Stellwände sowie ein festes dreieckigen Einbauelement installiert. Eine weitere Ausstellungsfläche entsteht auf der Empore im Kirchturm.

Ein ehemaliger Jugendraum im Obergeschoss des Turms wird zum Büro- und Besprechungsraum, die ehemalige Glockenstube Lager- und Abstellfläche. Auch energetisch werde das Kirchengebäude auf Vordermann gebracht, betont Sönke Bruhns. Eine Fernwärmezentrale im Keller solle die vorhandene Ölheizung ersetzen und sofern möglich mit geothermischer Heizenergie ergänzt werden. Die Hohlräume unter dem Dach und hinter dem Verblendmauerwerk würden mit Dämmmaterial aufgefüllt.

Denkmalschutz stimmt Umbau der Kirche zu

Um den unmittelbar neben der Fuhlsbüttler Straße gelegenen Innenhof für Nutzer und Besucher attraktiv zu machen, soll die frühere Pergola als transparente Schallschutzwand wieder errichtet werden. Alle Baumaßnahmen wurden bereits mit dem Denkmalschutzamt abgestimmt, die Baugenehmigung für den Umbau, der in der zweiten Jahreshälfte beginnen soll, liegt vor.

In einem zweiten Schritt soll dann das Gemeindehaus umgebaut werden. Hier ist im Obergeschoss eine weitere Ausstellungsfläche geplant, im Erdgeschoss entstehen Räume für Büros, Seminare, Bibliothek und Archiv. Die Kita wird langfristig an ihrem derzeitigen Standort bleiben. Diesen ausdrücklichen Wunsch der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel begrüßt auch die Familie Bruhns.

Wie es mit der Gründerzeitvilla mit der grünen Fassade und den weißen Stuckelementen weitergeht, die ebenfalls in Kirchenbesitz ist und in der Nachbarschaft steht, ist dagegen noch ungewiss. Das sanierungsbedürftige Denkmal steht seit Längerem leer. Auch hier sorgen sich Gemeindemitglieder und Nachbarn, dass sie abgerissen werden könnte. Doch auch die Villa soll erhalten bleiben. Noch sei man hier in der Planungsphase, sagt Pastor Müller-Teichert. Er hoffe, im Herbst nähere Angaben zu der Villa machen zu können.