Bergedorf. Medizinisch-Taktile Untersucherinnen (MTU) können winzige Veränderungen in der Brust ertasten. Wie das geht, erklären sie in Bergedorf.
Sie sind hochsensible Lebensretter – obwohl ihre Sehfähigkeit bei kaum zehn Prozent liegt, teilweise sogar noch darunter. Drei Medizinisch-Taktile Untersucherinnen (MTU) stellen sich und ihre außergewöhnliche Profession am Freitag, 6. Mai, in Bergedorfs Fußgängerzone Sachsentor vor.
Von 10 bis 14 Uhr stehen Tanja Witt, Jenny Bruns und Antonia Greifenberg-Bouhaik mit reichlich Anschauungsmaterial vor der Pluspunkt-Apotheke. Denn auch wenn ihr Job Leben rettet, braucht er einige Erklärungen: Wie 50 Kolleginnen in ganz Deutschland können sie Veränderungen in der weiblichen Brust ertasten, die mit sechs Millimeter Durchmesser deutlich kleiner sind, als die 1,5 Zentimeter, die Ärzte bei den Brustkrebs-Routineuntersuchungen erkennen. Ab zwei Zentimeter Durchmesser gelten Tumore als lebensgefährlich, weil sie dann zu streuen beginnen.
Sensible Hände ertasten winzige Veränderungen in der Brust
„Ein Infotisch in der Fußgängerzone haben wir noch nie gemacht, das ist in Bergedorf eine echte Premiere“, sagt MTU Jenny Bruns. „Normalerweise stellen wir uns auf Ärztekongressen oder medizinischen Fachmessen vor.“ Anders als dort will das Trio im Sachsentor mit Passantinnen ins Gespräch kommen. Mit dabei ist auch Christine Hilger, Regionalchefin Norddeutschland von „discovering hands“, dem Arbeitgeber sämtlicher MTU in Deutschland.
Die Initiative wurde vor zwölf Jahren vom Frauenarzt Dr. Frank Hoffmann in Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen. Er ist heute Geschäftsführer der „discovering hands Service GmbH“. Von den Arztpraxen werden seine Mitarbeiterinnen per sogenannter „Arbeitnehmerüberlassung“ für feste Tage ausgeliehen. In Bergedorf nutzen das der Gynäkologe Dr. André Motamedi mit Praxis an der Straße Hinterm Graben und die Neuallermöher Frauenärztin Dr. Roxana-Gabriela Anghel.
Kosten werden von vielen Krankenkasse übernommen
Wer Medizinisch-Taktile Untersucherin werden will, durchläuft bei „discovering hands“ eine rund neunmonatige Ausbildung in Berlin. Zuvor ist ein bis zu fünftägiges Testverfahren Pflicht, denn angenommen wird nur, wer einen besonders ausgeprägten Tastsinn hat. Und das sind vor allem stark sehbehinderte Frauen.
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Fertig ausgebildete MTU nehmen sich viel Zeit für ihre Patientinnen – je nach Größe der Brust bis zu 60 Minuten. Ertasten sie dabei eine Gewebeveränderung, folgt direkt die Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt. Insofern gilt die Taktilographie als erweiterte Diagnosemöglichkeit in der Brustkrebs-Früherkennung. Als apparate- und strahlungsfreie Methode ergänzt sie bildgebende Verfahren wie Mammographie und Sonographie. Zudem werden die Kosten laut „discovering hands“ vom Großteil der Krankenkassen übernommen – auch für Frauen, die jünger sind als die für bildgebende Verfahren geltenden 50 Jahre.
Gute Heilungschancen, wenn der Tumor keine zwei Zentimeter groß ist
„Bei unserer Untersuchung werden den Frauen rot-weiße Markierungsstreifen auf die Haut geklebt, um eventuelle Befunde genau lokalisieren zu können“, sagt MTU Tanja Witt. Die Wentorferin ist immer montags bei Dr. Motamedi und dienstags bei Dr. Anghel im Einsatz. „Neben der Brust tasten wir auch Hals und Achseln ab.“ Wird etwas entdeckt, das sich tatsächlich als Krebs erweist, liegen die Heilungschancen bei nahezu 100 Prozent – sofern die gefährlichen zwei Zentimetern Durchmesser noch nicht erreicht sind. Ein Brustkrebs-Tumor wächst laut medizinischen Studien durchschnittlich einen Millimeter pro Monat.
Neuestes Angebot von „discovering hands“ sind Anleitungen zur taktilen Selbstuntersuchung der Brust. Auch darüber wird am Freitag vor der Pluspunkt-Apotheke im Sachsentor informiert.