Hamburg. Wärme aus dem Abwasserrohr? Planer setzen auf Technologie, die so im großen Stil noch nicht eingesetzt worden ist.

In Zeiten der Angst vor explodierenden Gas- und Ölpreisen infolge des Ukraine-Kriegs und der Sorge ums Weltklima ist dies eine denkbar gute Nachricht: Hamburgs 105. Stadtteil Oberbillwerder soll zu 100 Prozent regenerativ und CO2-neutral mit Wärme versorgt werden. Das haben die mit der Oberbillwerder-Planung beauftragte IBA Projektentwicklungs GmbH und Hamburgs Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft am Mittwoch bekannt gegeben. Die Konzession für die Energieversorgung ist jetzt an die Kommunalpartner Hamburg GmbH (KpHG) vergeben worden, eine Tochtergesellschaft der Hamburger Energiewerke.

Ein glücklicher Umstand begünstigt das nachhaltige Vorhaben: Unmittelbar am Südrand des Plangebiets, parallel zur Bahnstrecke, verläuft das zentrale Abwasserrohr für ganz Bergedorf Richtung Klärwerk. Die Wärme dieses Abwassers soll mit Wärmepumpen und mit einem Abwasserwärmetauscher für die Versorgung des Stadtteils genutzt werden. Für Installation und Betrieb des Wärmetauschers hat die KpHG den Projektpartner Hamburg Wasser mit ins Boot geholt.

Umweltfreundliche Wärme in Oberbillwerder soll für alle bezahlbar sein

So soll der CO2-freie Stadtteil einmal aussehen: eine Visualisierung einer Wohnstraße im künftigen Stadtteil Oberbillwerder.
So soll der CO2-freie Stadtteil einmal aussehen: eine Visualisierung einer Wohnstraße im künftigen Stadtteil Oberbillwerder. © IBA Hamburg GmbH/ADEPT mit Karres en Brands | IBA Hamburg GmbH/ADEPT mit Karres en Brands

Zweiter Baustein der Versorgung werden dezentrale Luftwärmepumpen, die sowohl für die Wärme- als auch für die Kälteversorgung genutzt werden. Standbein drei wird eine lokale Stromerzeugung durch Fotovoltaikanlagen auf Dächern und Freiflächen in oder nahe Oberbillwerder. Sie sollen den Strombedarf des Stadtteils decken. Ganz ohne Verbrennungsenergie kommt das Wärmekonzept allerdings nicht aus. Um die Versorgung abzusichern, werden biomethanbefeuerte Kessel, eine strombetriebene Power-to-Heat-Anlage und möglicherweise Wasserstoff-Brennstoffzellen in das System integriert.

„Gleichzeitig haben wir darauf geachtet, dass die Wärme bezahlbar sein soll, denn ein Ziel in der Entwicklung Oberbillwerders ist es, Wohnraum für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen zu schaffen“, erklärt IBA-Geschäftsführerin Karen Pein. Dies sei insbesondere durch das weitestgehend unabhängige und autarke Konzept möglich, das zu 90 Prozent auf Umweltwärme, Abwärme und der Kopplung des Wärme- und Kältenetzes basiert und somit eine hohe Versorgungssicherheit und Preisstabilität garantiere.

Abwasser eine wertvolle Ressource, die erstmals in dieser Größenordnung gehoben wird

Hamburg-Wasser-Sprecher Ingo Hannemann ergänzt: „Gerade im verdichteten städtischen Raum bildet Abwasserwärme eine wertvolle Wärme-Ressource, die nun durch das regenerative Versorgungskonzept der KpHG erstmals in dieser Größenordnung gehoben wird. Wir beschäftigen uns bereits seit mehreren Jahren mit diesen Technologien, um die energetischen Potenziale des Wassers zu nutzen. Dabei behalten wir die Ver- und Entsorgungssicherheit stets im Blick.“

Oberbillwerders Bebauungsplanverfahren soll 2023 abgeschlossen sein. Laut Plan beginnt 2026 der Hochbau, bereits 2024 soll die Vermarktung starten. Wenn 2027 die ersten Bewohner einziehen, beginnt die Energieversorgung, die bis 2041 komplett laufen soll.