Hamburg. Der Istanbul-Supermarkt in Bergedorf hat seit Anfang Januar rund um die Uhr geöffnet – nachts ohne Personal. Ein Ortstermin.

Vorbei an den bunten Kekspackungen, die in den Regalen gestapelt sind, an den Gläsern mit den Oliven, an den Waschmittelpackungen. Vor mir: der Schrank mit den Milchprodukten, rechts das Brot. Im Hintergrund summen die Kühlaggregate. Ansonsten ist es still, nichts rührt sich. Ich bin im 24-Stunden-Supermarkt in Bergedorf. Nachts, ganz allein. Und ganz legal. Vor anderthalb Stunden, um 22 Uhr, haben die Mitarbeiter im Istanbul-Supermarkt an der Bergedorfer Straße Feierabend gemacht. Geschlossen hat der Laden dennoch nicht. Er schließt nämlich niemals. Nachts ist Selbstbedienung – und das will ich heute mal testen.

Eintrittskarte in den 24-Stunden-Supermarkt bei Tage an der Kasse abgeholt

Der neue
Der neue "Istanbul"-Supermarkt an der Bergedorfer Straße. © Alexandra Schrader | Alexandra Schrader

Von Anfang an. Um 22.30 Uhr stehe ich erst mal etwas ratlos vor dem internationalen Supermarkt. Der leuchtend rote Schriftzug sticht mir in die Augen, ich blinzle. Einige Autos rauschen auf der menschenleeren Hauptstraße vorbei. Eigentlich weiß ich ja, was zu tun ist: Die Supermarkt-Karte zücken, die ich mir schon zuvor am Tag an der Kasse abgeholt habe. Ein bisschen seltsam ist es trotzdem, als ich das Portemonnaie aus der Jackentasche fummele. Mit der Karte soll ich jetzt einfach in einen abgeschlossenen Supermarkt kommen?

Ein Blick durchs Fenster. Drinnen ist alles hell erleuchtet. Außer der Geschäftsführerin, die mich kurz begrüßen möchte, ist niemand zu sehen. Ich halte die Karte gegen das Magnetfeld neben der Tür. Und tatsächlich: Sie öffnet sich. Das fasziniert mich jetzt schon ein bisschen. Ich schnappe mir einen grauen Einkaufskorb, schlendere durch die Gänge.

24-Stunden-Supermarkt in Bergedorf hat viele exotische Spezialitäten

Der Istanbul-Supermarkt hat immer geöffnet. Noch eine Besonderheit: In den Regalen finden sich Spezialitäten aus aller Welt.
Der Istanbul-Supermarkt hat immer geöffnet. Noch eine Besonderheit: In den Regalen finden sich Spezialitäten aus aller Welt. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Eigentlich ist das ja nur ein Testeinkauf, ich weiß gar nicht, was ich brauche. Geschweige denn wie manche der Produkte überhaupt schmecken. Hier gibt es auch Ware aus Afghanistan, Rumänien, der Türkei und vielen anderen Ländern. Ich lege eine Dose Baba Ganoush – Auberginenaufstrich – in den Korb, dazu kommt türkischer Käse, Ajvar – ein Paprikaaufstrich – und eine Pistazienschokolade. Wie viele Leute hier wohl nachts einkaufen, frage ich mich. Ganz genau weiß Geschäftsführerin Diellona Murseli es auch noch nicht – schließlich steht das Angebot erst seit Anfang Januar. „Viele kennen das Prinzip noch nicht, aber insbesondere sonntags läuft es schon ganz gut. Dann kommen über den Tag meist so um die 20 Kunden“, sagt Murseli. Um vor Diebstählen zu schützen, ist der ganze Läden mit Videokameras ausgestattet. Auf den Kundenkarten sind außerdem die Daten der Kunden hinterlegt. „So können wir genau sehen, wer von wann bis wann im Laden war“, sagt Murseli.

24-Stunden-Supermarkt vor allem sonntags praktisch

Ich schlendere noch ein wenig durch den kleinen Laden und bemerke: Einkaufen ist plötzlich so ein ganz anderes Erlebnis. Gerade als ich später wirklich allein bin. Sonst ist Einkaufen so ein Akt in der Öffentlichkeit, jetzt ist es fast gemütlich. Und das, obwohl das Licht grell von der Decke scheint, die Gefrierschränke leise vor sich hin summen, meine Stiefel auf dem Laminat hin und her rutschen. Fast habe ich das Gefühl, durch die Gänge tanzen zu können, wenn ich nur wollte. Mich sieht ja keiner – außer den Kameras. Ich muss grinsen. Fehlt nur noch ein guter Song.

In aller Seelenruhe mache ich ein paar Videoaufnahmen für unseren Instagram-Account. Hier kommt jetzt erst mal sowieso keiner. Umso geschockter bin ich, als dann doch gleich drei Personen hintereinander den Laden betreten. „Ich wohne hier gleich um die Ecke und finde es wirklich praktisch“, sagt Finn Drehmel (20) aus Bergedorf. „Wenn man am Sonntag kocht und mal eine Zutat vergessen hat, kann man sich hier schnell noch etwas einkaufen.“ Auch die anderen jungen Männer bestätigen: Hier einzukaufen sei manchmal echt hilfreich – und vor allem auch billiger als an der Tankstelle.

An der Kasse muss ich die nächste Hürde überwinden. Schließlich ist hier Selbstbedienung. Heißt: alle Produkte selbst einscannen. Neben dem Touch-Bildschirm hängt eine handgeschriebene Anleitung auf einem Stück Pappe. Ich halte mein Ajvar-Glas mit dem Strichcode unter den roten Laserstrahl.

So funktioniert das Bezahlen im neuen Supermarkt in Bergedorf

Beim Bezahlen mit der Karte kommt kurz eine Fehlermeldung – beim zweiten Versuch klappt es dann. Mein Kollege und die Geschäftsführerin sind weg – einen kleinen Rundgang durch den einsamen Supermarkt mache ich noch. Gegen 23.30 Uhr verlasse ich den Laden ganz normal – die Glastür öffnet sich.

Vielleicht komme ich nächstes Mal mitten in der Nacht zurück, um wirklich etwas zu besorgen. Ich drehe mich um und werfe noch einen Blick auf die vollgepackten Supermarktregale – da hinter der Glasscheibe war ich gerade. Wer weiß, wer als Nächster einkauft.