Hamburg. Legehennen in der Massentierhaltung werden oft krank. Das hat auch mit der Größe der Eier zu tun. Was Verbraucher tun können.
Prinzessin pickt ein paar Körner vom sandigen Boden, ruckt mit dem Kopf: Eigentlich ist sie ein ganz normales Huhn. Mit einem entscheidenden Unterschied – Prinzessin ist im Rollstuhl unterwegs. Vor einem Jahren ist sie aus einem Massentierhaltungsbetrieb zum Tierschutzverein Looki nach Bergedorf gekommen. Damals war die Legehenne zerrupft und mager, hatte kaum Federn – und ein zertrümmertes Kniegelenk.
Heute glänzt ihr Gefieder wieder, nur das Bein ist auch nach einer OP nicht wieder gesund geworden. Daher der Rollstuhl. „Die Tiere werden in den Betrieben sehr schlecht behandelt, beim Transport wird ihnen an den Körperteilen gerissen. Sie geraten in Panik. Dabei verletzen sich viele schwer“, sagt Vanessa Haloui, Vorsitzende von Looki.
Nach einem Jahr werden Legehennen in der Industrie getötet
22 Legehennen aus der Eierindustrie hat der Tierschutzverein in den vergangenen zwei Jahren aufgenommen. Eigentlich hätten die Tiere dort „ausgestallt“ werden sollen – also geschlachtet. Denn nach etwa einem Jahr kommen Hennen in die Mauser, ein wiederkehrendes Stadium, in dem sie ihr Federkleid wechseln und für mehrere Wochen keine Eier legen. „Dann bringen die Hühner keinen Ertrag und werden getötet“, sagt Vanessa Haloui.
Laut Tierschützerin Janina Stemmer, die in Stade die private Tierhilfe Federglück gegründet hat, werden pro Jahr 50 Millionen Hennen getötet. Dazu komme die gleiche Anzahl Hähne, die für die Eierindustrie unbrauchbar sind.
„Hennen sind nicht dafür gemacht, so viele Eier zu legen“
Für zwölf der von Looki aufgenommen Hühner kam jede Hilfe zu spät: Sie haben es nicht geschafft, sich bei den Tierschützern vom Industriealltag zu erholen. Erst am Wochenende ist Vanessa Halouis Lieblingshenne namens Ziege unerwartet an multiplem Organversagen verendet. Dabei dachten alle, das Schlimmste sei überstanden. Doch wie viele dieser Tiere litt das Huhn an einer Legedarmentzündung. „Alle Landwirte haben extrem hingezüchtete Legehennen – und zwar egal ob in Boden-, Freiland- oder Biohaltung“, weiß Vanessa Haloui. Sie seien so überzüchtet, dass sie an fast jedem Tag ein Ei legen – das führe zu Entzündungen. „Hennen sind nicht dafür gemacht, so viele Eier zu legen“, sagt Haloui. Auch Janina Stemmer bestätigt: Das Urhuhn, also die ursprüngliche Rasse des Haushuhns, habe nur 30 Eier im Jahr gelegt – über 90 Prozent weniger, als die modernen Turbo-Hennen.
Schichteier können ein Huhn sogar umbringen
Durch das ständige Eierlegen lagere sich Entzündungsmaterial in vielen Schichten an der Schleimhaut des Legedarms ab. „Daraus entstehen sogenannte Schichteier. Die werden so genannt, weil die Ablagerungen durch den Darm wie ein Ei geformt sind“, sagt Haloui. Diese Ablagerungen würden immer größer und fingen im Tier teilweise an, zu gammeln. Ab einem gewissen Volumen drücke der immer dicker werdende Legedarm dann andere Organe ab und die Hühner könnten zum Beispiel ersticken.
Die Probleme der Eierindustrie sind komplex und vielfältig, das wissen Tierschützer. Letztlich liege die Verantwortung bei den Verbrauchenden. „Das Angebot richtet sich nach der Nachfrage und die Bauern müssen natürlich auch ihr Geld damit verdienen“, sagt Haloui.
Vanessa Haloui rät, Eier der Größe L und XL zu meiden
Das bestätigt auch Bauernpräsident Martin Lüdeke. Als Landwirt lebt er auf seinem Hof in Curslack hauptsächlich von der Rindfleischindustrie. Neben 300 Rindern besitzt er aber auch 1400 Hühner in Bodenhaltung. „Theoretisch wäre es möglich, gesündere Hühner zu haben, indem man zum Beispiel keine überzüchteten Rassen hält. Praktisch ist das quasi undenkbar. Dann würden zehn Eier plötzlich acht Euro oder mehr kosten“, sagt Lüdeke. Das gesamte System müsse sich dafür ändern. In Deutschland würden zudem auch Eier Ländern wie China verkauft. „Was bringt es uns, wenn unsere tierfreundlichen Eier dann so teuer sind, dass die Kunden billige Eier aus anderen Ländern kaufen?“ Auch auf dem Hof Lüdeke werden die Hühner nach zwölf Monaten geschlachtet. „Sonst lohnt es sich einfach nicht.“
Wer Eier kaufen möchte, sollte das auf dem Markt oder direkt beim Landwirt tun, meint Vanessa Haloui – dort gibt es direkten Kontakt zum Händler. „Aber zu denken, die Eier auf dem Markt sind automatisch von glücklichen Hühnern, ist ein Trugschluss. Ich würde die Bauern fragen, wie die Tiere gehalten werden und am besten, ob man sie mal sehen kann. Hier in Bergedorf gibt es viele Bauern in der Nähe“, sagt Looki-Chefin Haloui. Vor allem Eier der Größen L und XL sollten unbedingt gemieden werden: „Je älter ein Huhn wird, desto größer werden die Eier. In der Industrie werden den Hühnern Wasser, Licht und Futter entzogen, damit sie schneller altern und die Eier diese Mega-Größen erreichen.“
Prinzessin hüpft auf einem Bein – wie lange noch, weiß niemand
Am besten sei es noch, wenn die Tiere in Freilandhaltung in mobilen Ställen gehalten würden. Bianka Heine vom Geflügelhof Heine in Curslack geht dem nach: „Hühner bleiben gerne nah am Stall, weil sie auf großen Flächen Angst vor Feinden haben. Mobile Ställe werden immer weiterbewegt, so haben die Hühner trotzdem immer wieder neuen Boden zum Picken.“ Auch schützende Hähne zu haben, sei für Hennen wichtig.
Henne Prinzessin hat schon einiges mitgemacht: Schichtei- und Kniegelenk-OPs und ein Kastrationschip, damit das Huhn zur Heilung des Legedarms temporär keine Eier mehr legt. Nun rollt sie auf vier Rädern durch ihr Gehege oder hüpft auf einem Bein – wie lange sie so fit bleibt, ist ungewiss.