Curslack. Curslack. Die Arbeit als Präsident der Hamburger Bauernverbandes ist vielseitig und aufreibend. Das sagt Martin Lüdeke (51) nach 200 Tagen im Amt.
Die monatlichen Treffen der 16 Bauernpräsidenten der Republik in Berlin haben Eindruck hinterlassen. Da kommt einiges an Themen zusammen, relativieren sich Sorgen und Forderungen. Martin Lüdeke (51) ist heute auf den Tag genau 200 Tage im Amt als Präsident des Hamburger Bauernverbandes.
Hamburg ist der zweitkleinste Verband
Seit Ende Februar vertritt der Landwirt aus Curslack die Interessen des zweitkleinsten Verbandes vor Schlusslicht Bremen. Mit etwa 260 Mitgliedern sind rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betriebe in Hamburg organisiert. „Schleswig-Holstein hat über 10.000, Bayern 25.000“, sagt Lüdeke. Wenn dann der Vertreter von Rheinland-Pfalz erzähle, dass 140 Millimeter Regen pro Quadratmeter über 24 Stunden lang die Salaternte vom Berg gespült haben, er höre, dass die Weinreben in Baden-Württemberg unter Mehltau eingehen oder in Thüringen die Kartoffel-Ernte an Krautfäule vergammelt, dann sind die Wetterprobleme in Hamburg dieses Jahr eingeordnet: „Bei uns war es lange nicht so extrem, die Ernte dürfte durchschnittlich ausfallen.“
Aufgaben werden auf viele Schultern verteilt
Martin Lüdeke bewirtschaftet etwa 300 Hektar Land, hat 300 Rinder. Seine Frau Bärbel kümmert sich um 1500 Hühner. Wie zu Beginn der fünfjährigen Amtszeit verkündet, sind die Schwerpunkte von der Rinder-, Schweine- und Pferdehaltung bis zu Obst-, Getreide- oder Gemüseanbau, die sich im Randgebiet Hamburgs finden, auf viele Schultern verteilt. Natürlich kümmern ihn mit dem Fachgebiet „Rinderhaltung, Grünland, Naturschutz“ dennoch Themen wie die Milchkrise, als etwa im Mai bei 20 Cent pro Liter „1000 Euro pro Kuh verbrannten“. Derzeit liegt der Preis bei 23 Cent. Das reiche allerdings noch immer nicht.
Münchner staunen über SwinGolf
Martin Lüdeke bringt sich in Berlin für die Vier- und Marschlande ein, stößt bei den anderen manchmal auf Erstaunen. „Dass bei uns Sachen wie SwinGolf laufen, kann man sich in München gar nicht vorstellen. Und unsere Sorgen zum Flächenverbrauch für Bauvorhaben interessiert in Mecklenburg-Vorpommern kaum, wo ein Landwirt 1000 Hektar bewirtschaftet.“ Ihn treibt der Flächenfraß allerdings um, gemeinsam mit den Vorstandskollegen hat er die „Fachgruppe Pacht“ gegründet. Dort wird auch über Vorhaben wie Oberbillwerder diskutiert, das bäuerliche Existenzen gefährdet. Jüngst war Martin Lüdeke beim Vorstellungsgespräch bei Bürgermeister Olaf Scholz, den er „als sehr entspannt“ erlebt hat. Dort hatte er den Eindruck, dass Scholz sehr für die Idee zu haben ist, Wohnraum über Nachverdichtung zu schaffen und nicht unnötig in die Fläche zu gehen. „Es geht auch nicht an, dass bei bald zwei Millionen Menschen in Hamburg heute jeder ein 1000-Quadratmeter-Grundstück mit Eigenheim hat“, sagt Lüdeke. Landwirtschaft sei ja in Hamburg längst nicht mehr nur auf die Nahrungsmittelproduktion ausgelegt. Frische Luft und sauberes Wasser, Naherholung und Forschung – auch dazu trage die moderne Landwirtschaft bei. Martin Lüdeke sieht auch „konventionelle Landwirtschaft als Kulturschützer. Wenn wir die Kulturlandschaft nicht beackert hätten, wäre das heute alles Bauland“.
Sachlichere Diskussion bei Glyphosat gewünscht
Vorhaben wie die Handwerkerhöfe in Curslack könne er vonseiten der Handwerker durchaus verstehen. „Aber ob die Stelle die richtige ist?“ Vielleicht sei es sinnvoll, mal über neue Nutzungen von leer stehenden Gebäuden alter Bauernstellen nachzudenken. „Ich habe in den vergangenen 20 Jahren die Flächen von etwa zehn Betrieben übernommen. Die Gebäude blieben aber meist bei den Eigentümern, werden nun nicht mehr wirtschaftlich genutzt“, sagt Lüdeke. Der Ansatz sei wie bei der Landwirtschaft oder dem Wohnungsbau auch hier: „Die Fläche, die wir haben, besser nutzen.“
Bei der Glyphosat-Diskussion würde Lüdeke gern von dem „ganz oder gar nicht“ wegkommen. „Das ist immer eine Frage der Menge“, sagt er und wünscht sich eine sachlichere Diskussion. Das Thema Tierwohl sieht Martin Lüdeke positiv, zumal Tiere, denen es gut geht, mehr leisten könnten. Dabei müssten allerdings Fleischproduzenten auch in die Lage versetzt werden, noch mehr für die Tiere zu tun. Soll heißen: Der Verbraucher muss bereit sein, für Fleisch einen angemessenen Preis zu zahlen, statt bei Billigstprodukten im Discounter zuzugreifen.
Vielfältig, interessant, aber auch aufreibend – Martin Lüdeke gefällt das Amt des Präsidenten des Hamburger Bauernverbandes: „Es ist jetzt mein größtes Hobby“, sagt er schmunzelnd.