Das Café Chrysander in Bergedorf gilt für manchen Bürger als Impfgegner-Treff. Gastronomin Ursel Arova spricht von Stigmatisierung.

  • Erneut wurde das Café Chrysander in Bergedorf beschädigt
  • Zuvor hatte eine Querdenker-Demo stattgefunden
  • Ist das Café ein Treff von Impfgegnern?

Jeden Morgen, wenn Ursel Arova zu ihrem Café Chrysander in Bergedorf kommt, stellt sie sich mittlerweile diese Frage: „Was ist jetzt wieder kaputt?“ Nun, kaputt gemacht wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag zwar nichts, jedoch wurden fünf Farbbeutel gegen Fensterscheibe und Hauswand geschleudert. Nachwehen des Aufeinandertreffens von Impfgegnern und der großen Gegenbewegung vor der Kirche St. Petri und Pauli von Montagabend?

Café in Bergedorf: Farbanschlag nach Querdenker-Demo

Die Gastronomin kann sich das gut vorstellen und ist überzeugt, dass die Farbattacke „politisch motiviert“ sei. Schon seit einiger Zeit beobachtet sie Jugendliche, die auf der Terrasse des Cafés herumlungern, Flaschen, Zigarettenstummel, Essensreste und vieles mehr hinterlassen – oder zerstörtes Inventar. „Das ist verletzend, zermürbend und unfair“, sagt die 62-Jährige beim Blick auf die besudelten Scheiben. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

Ursel Arova mag streitbar sein, gilt sie doch einigen als Corona-Leugnerin? Dem widerspricht die Betroffene entschieden. Sie kenne zwar einige aus den Reihen der Impfgegner vom Montag, denn darunter seien auch „gebildete, gutbürgerliche Leute“. Sie befürwortet „geloste Bürgerräte“, die in der Politik ein verbindliches Wort zur Pandemie-Bekämpfung mitreden sollten. Ein weiterer Standpunkt Ursel Arovas: Sie kritisiert die 2G-Regelung in Gaststätten als unlogisch, „das bietet aus meiner Sicht geringeren Schutz, als wenn frisch negativ Getestete zusammensitzen“.

Bergedorf: Extremisten im Café Chrysander nicht willkommen

Jedoch mag Arova eine Stigmatisierung überhaupt nicht: „Ich bin keine Querdenkerin, hatte selbst schon Corona. Doch wer hierzulande Kritik an den Corona-Maßnahmen übt, gilt gleich als Corona-Leugner“, betont die Frau, die seit zehn Jahren das Café Chrysander betreibt und hier nach ihren Worten einen „Raum für alle“ etabliert hat. Nur politische Extremisten seien bei ihr nicht willkommen.

Sehr bewegt haben die Ereignisse vom Montagabend auch Maria Theis. Die Geschäftsführerin des Bethesda Krankenhauses war zusammen mit einigen Chefärzten vor St. Petri und Pauli beim Open-Air-Gottesdienst – und erlebte, wie die Demo von rund 100 Querdenkern vorbeizog. Für sie schockierend: „Ich hätte gern einen Zauberstab oder eine Erfolgsstrategie, wie man diese Menschen noch überzeugen könnte. Wir hatten so viele Ungeimpfte mit schwersten Verläufen in unserer Klinik, darunter auch einige, die erst um die 30 Jahre waren. Das ist die Realität. Und niemand weiß heute, wie krank die Omikron-Variante nicht geimpfte Menschen machen wird.“

Fünfte Corona-Welle hat Bergedorf erreicht

Beeindruckt ist die Managerin dagegen vom Engagement der Kirchengemeinde um Pastor Andreas Baldenius: „Der Gottesdienst war genau das richtige Mittel, um klar Flagge zu zeigen. Denn die Corona-Pandemie ist Realität und wird es vorerst leider auch bleiben. Ein solches Zeichen gegen die Leugner wäre eigentlich regelmäßig angebracht, am besten sogar jeden Montag vor St. Petri und Pauli, wenn sich dort die Querdenker treffen.“

Die aktuellen Corona-Regeln in Hamburg

  • 2G-Modell: Ab dem 10. Januar wird das 2G-Modell nahezu flächendeckend zum 2G-plus-Modell: Bei fast allen Veranstaltungen und Angeboten im kulturellen, gastronomischen und allgemeinen Bereich, sowie bis auf wenige Ausnahmen bei körpernahen Dienstleistungsbetrieben (Friseure und Fußpflege) wird dann neben dem Nachweis über Impfung oder Genesung auch ein aktueller negativer Corona-Test verpflichtend. Auch Sportbetriebe wie Schwimmbäder und Fitnessstudios müssen das Modell einführen. Nur im Einzelhandel bleibt es beim bisherigen 2G-Modell, außer in Geschäften des täglichen Bedarfs, die für alle zugänglich bleiben.
  • Ausnahmen: Wer bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten hat, ist von der Pflicht zum Nachweis eines negativen Tests befreit, ebenso wie Schulkinder, die regelmäßig im Schulbetrieb getestet werden.
  • Veranstaltungen: Die Teilnehmerzahl wird für Veranstaltungen in Innenräumen auf 200, für Veranstaltungen unter freiem Himmel auf 1000 begrenzt. Für Kulturstätten wie Konzerthäuser und Theater können Sondergenehmigungen beantragt werden, die eine höhere Auslastung zulassen.
  • Bundesliga-Spiele: Überregionale Großveranstaltungen wie zum Beispiel Spiele der Fußball-Bundesliga müssen laut der neuen Regeln wieder ohne Zuschauer ausgetragen werden.

Derweil scheint die fünfte Corona-Welle Bergedorf erreicht zu haben. Nach den am Dienstag von der Gesundheitsbehörde veröffentlichten Bezirkszahlen wurden in der Woche über den Jahreswechsel so viele Neuerkrankungen gemeldet wie noch nie. Mit 705 neuen Fällen liegt Bergedorfs Inzidenz jetzt bei 538,4 – der höchste Wert der Hansestadt. Über Weihnachten hatte Bergedorf noch eine Inzidenz von 427,5.

Corona-Lage im Bethesda Krankenhaus relativ entspannt

Angesichts dieser Entwicklung noch vergleichsweise entspannt ist die Lage im Bethesda Krankenhaus. Die Klinik am Glindersweg hat aktuell elf Corona-Patienten. Vier Männer im Alter von 65 bis 80 Jahren liegen auf der Intensivstation, drei müssen beatmet werden.

Doch es gibt auch Erfolgsgeschichten. So die einer 98-Jährigen, die auf der Isolierstation liegt: Die Seniorin ist zwar so schwer erkrankt, dass sie ihre Corona-Infektion nicht zu Hause auskurieren kann. Aber die Ärzte gehen davon aus, sie nach ihrer Einlieferung kurz vor Silvester schon in den nächsten Tagen wieder entlassen zu können. Der Grund: Sie ist zweifach geimpft. Ohne das, da sind sich die Mediziner sicher, wäre jemand in dem Alter weit länger auf der Intensivstation geblieben.