Hamburg. Der zweite Teil unserer Serie “Die Bergedorfer APO“: Wie im Sommer 1968 alles begann. Die politischen Erfolge der Bergedorfer APO.

Als sich Helmut Schmidt (SPD), Rainer Barzel (CDU) und sogar die NPD im Herbst 1968 für den 69er-Bundestagswahlkampf warmliefen, wehte ihnen bei Auftritten in Bergedorf ein scharfer Wind entgegen. „Parasitäre Publizität“ hatte der kaum über 30 junge Leute kleine Kreis der Bergedorfer APO seine Taktik genannt. Mit sozialistisch geprägter Weltanschauung machte sich die „außerparlamentarische Opposition“ daran, jede politische Veranstaltung in Hamburgs Osten zu besuchen und zum Diskussionsforum zu machen. Ganz im Widerspruch zur Spießbürgerlichkeit der 60er-Jahre – und zur Freude der Bergedorfer Zeitung, die ihre Argumente regelmäßig öffentlich machte.

1968 formierten sich auch in Bergedorf Studenten, Schüler und junge Arbeiter

Dr. Arne Andersen, damals als Hansa-Schüler APO-Aktivist, hat ihr und ihren (Mit-)Gründer Alfred Dreckmann († 2020) jetzt mit dem Buch „Die Bergedorfer APO – Politischer Protest in der Hamburger Provinz“ ein detailreiches Denkmal gesetzt. Wir stellen es in dieser Serie vor. Heute: Wie alles begann.

Aufgebracht über den Besuch des persischen Despoten Schah Reza Pahlavi in Deutschland und schockiert vom Anschlag auf Rudi Dutschke, den Anführer der Studentenbewegung, formierten sich 1968 unter dem Dach des Gewerkschaftsbundes auch in Bergedorf Studenten, Schüler und junge Arbeiter. Ihr Ziel: echte Demokratie leben, statt vom Wirtschaftswunder nur satt und unpolitisch zu sein.

Gründung des "Demokratischen Zentrums" als Keimzelle des Erfolgs der APO

Nach ersten vergeblichen Versuchen, politische Größen bei ihren Parteiveranstaltungen in Diskussionen zu zwingen, gilt die Gründung des „Demokratischen Zentrums“ als Keimzelle des Erfolgs der APO. Am 13. Juli 1968 werden Räume in der ehemaligen Schule Kirchwerder Landweg 2 für 100 Mark im Monat angemietet. Hier trainiert die APO Bergedorf ab jetzt ihre politischen Auftritte, verfasst Flugblätter und ihr legendäres Infoblatt „Apo Theke“. Ins selbe Gebäude zieht wenig später auch die Bergedorfer Verkehrspolizei. Es wird überraschender Weise eine gute Nachbarschaft.

In den Vollversammlungen wird immer montags über den Kapitalismus, die Rolle der SPD oder die Nähe der NPD zum Faschismus diskutiert. Am Wochenende geht es dagegen um andere Themen: „dance-in“, „drink-in“ oder „Sexualmoral“.

Der Bergedorfer APO gelingen politische Erfolge

„Die Bergedorfer APO“, (264 Seiten; Euro 14,90) von Dr. Arne Andersen , erschienen im Kultur- & Geschichtskontor.
„Die Bergedorfer APO“, (264 Seiten; Euro 14,90) von Dr. Arne Andersen , erschienen im Kultur- & Geschichtskontor. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

Politisch gelingen der Bergedorfer APO jetzt beeindruckende Erfolge: Im Oktober 1968 sprengt sie eine Parteiveranstaltung der CDU in Schwarzenbek mit deren Parteivorsitzendem Rainer Barzel. Die APO schafft es nicht nur, dass der rechte Polit-Profi seine Rede von 1000 Zuhörern abbricht und den Raum verlässt. Sie setzt den Abend sogar mit eigenen Referaten fort.

In Bergedorf genügt jetzt schon die Ankündigung des Auftretens der APO, etwa bei einem NPD-Abend im Lichtwarkhaus: Das Bezirksamt zieht daraufhin die Freigabe des öffentlichen Saals zurück. Und auch die SPD hat es an gleicher Stelle nun schwer. Ein Auftritt des Hamburger Bundestagsabgeordneten und späteren Finanz- und Verteidigungsministers Hans Apel endet sogar in einer handfesten Schlägerei, an der sich auch Apel selbst nach Kräften beteiligt.

Ein anderes Betätigungsfeld zumindest einiger APO-Mitglieder war die Provokation der Polizei. Vor allem, wenn die Staatsmacht heimlich gegen die Aktivsten vorging. So wurde das Abhören des Telefons der APO-Wohnkommune an der heutigen Kurt-A.-Körber-Chaussee genutzt, um die Absprache eines Farbanschlags auf das Amtsgericht vorzutäuschen. Tatsächlich lagen die Uniformierten auf der Lauer, als die Aktivisten pünktlich am Gericht vorbeispazierten. Nur trugen sie weder Farbe noch Pinsel bei sich. Und in der mitgeführten Spraydose befand sich bloß Kakaopulver. Die Festnahme war nur von kurzer Dauer… Nächster Teil: 1969 – Das Jahr der Revolte in Bergedorf