Hamburg. Einmal aus dem Alltag ausbrechen: Zwei Bergedorferinnen pilgern nach Rom. 2000 Kilometer liegen vor ihnen. Sonnabend geht es los.

Die Rucksäcke sind gepackt, die neuen Wanderschuhe eingelaufen, die Freunde und Familie verabschiedet: Am Sonnabend, 24. Juli, starten die beiden Bergedorferinnen Janka Davids (49) und Julia Weissenhorner (54) ihre Wanderung auf der „Via Romea Germanica“ von Stade nach Rom.

Drei Monate werden sie für die rund 2000 Kilometer lange Wegstrecke brauchen, die sie einmal quer durch Deutschland über die Alpen und durch Norditalien führt. Die Pilgerroute ist der Abt Albert von Stade 1236 das erste Mal gegangen und hat sie detailgenau aufgeschrieben.

Bergedorferinnen wollen täglich rund 25 Kilometer zurücklegen

94 Etappen – 44 in Deutschland, vier in Österreich und 46 in Italien – wollen die Frauen absolvieren und dabei pro Tag durchschnittlich 25 Kilometer zurücklegen. Unsere Zeitung wird sie begleiten und regelmäßig von ihren Erlebnissen auf der Wanderung berichten.

„Tage am Stück zu laufen, das sind wir gewöhnt“, sagen die erfahrenen Wanderinnen, die Bergedorf, Hamburg und die Alpen in den vergangenen Jahren zu Fuß erkundet haben. „Wir wissen, was es bedeutet, mit dem Rucksack unterwegs zu sein. Und wir wissen, was zu tun ist, wenn die Waden schmerzen“, sagt Julia Weissenhorner. Allerdings waren sie bislang nach zwei Wochen immer wieder zu Hause. Diesmal werden sie erst Ende Oktober ihre Familien wiedersehen und keine großen Pausen machen können.

Artikel in der Bergedorfer Zeitung brachte sie auf die Idee

„Gehen, soweit die Füße tragen, das finde ich spannend“, sagt Julia Weissenhorner, die nicht lange überlegen musste, als ihre Freundin sie im vergangenen Frühjahr morgens auf dem Lohbrügger Wochenmarkt fragte, ob sie den Weg nicht gemeinsam gehen wollen. Ideengeber war ein Artikel über den Weg in unserer Zeitung.

Der Zeitpunkt ist günstig: Ihre Kinder sind groß und so gut wie aus dem Haus, auch ihre Ehepartner sind einverstanden. „Für meinen Mann wäre das nichts. Der mag es im Urlaub bequemer“, sagt Julia Weissenhorner mit einem Augenzwinkern.

Hotelübernachtungen sollen die Ausnahme bleiben

Diese Tour wird nicht bequem. Schlafen wollen die Frauen, wo sie eingelassen werden – in Pilgerunterkünften, Pfarrhäusern und Pensionen. Wenn alle Stricke reißen, schlagen sie ihr Zelt auf. „Wenn wir mal Lust auf ein richtig gutes Frühstück und eine weiche Matratze haben, dann leisten wir uns ein Hotel“, sagt Janka Davids. Solange es eine Ausnahme bleibt.

Grundsätzlich gehe es aber darum, aus der Komfortzone auszubrechen, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Aufs Wesentliche müssen sie sich auch beim Gepäck beschränken: zwei Shirts, ein Paar Wechselschuhe, eine Jacke, ein Pulli, Schlafsack, Kulturtasche, Handtuch, Trinkflasche, Nüsse und Riegel, Karten, ein Pilgerausweis, eine Powerbank (Speicher) für Smartphone und Uhr mit GPS-Funktion.

Gegen schmerzende Muskeln soll Pferdesalbe helfen

„Wir haben lange überlegt, ob wir einen Kocher für den heißen Tee am Morgen mitnehmen und haben uns dagegen entschieden“, sagt Julia Weissenhorner. Auch ohne wiegt der Rucksack 16 Kilogramm. Spüren werden sie den am Ende eines Tages sicher, wie auch den ein oder anderen Muskel. Dagegen hilft dann Pferdesalbe. Und die Gewissheit, dass Gott sie auf ihrem Weg schon begleiten wird. Für alle Fälle hat Janka Davids ihren Pastor noch um einen Reisesegen gebeten.

Auch andere sollen von ihrer Tour profitieren, deshalb sammeln sie Spenden für die Hilfsorganisation Patchwork. Frauen für Frauen gegen Gewalt. (www.patchwork-hamburg.org). Einen direkten Link zur Organisation gibt es auf der eigens eingerichteten Tour-Homepage www.jaundju.de, auf der Interessierte die Reise mitverfolgen können. Die Spenden gehen direkt an Patchwork.

Einmal aus dem Alltag ausbrechen – Sabbatical beantragt

„Wir sind einfach nur dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, aus dem Alltag auszubrechen, die Festplatte zu löschen und neue Ideen sammeln zu können“, sagt Janka Davids. Dafür haben die Polizistin Davids und die Grafikerin Weissenhorner bei ihren Arbeitgebern ein Sabbatical beantragt.

Wichtigste Voraussetzung neben aller körperlicher Fitness aber ist ein grundehrlicher Umgang miteinander. Den haben die beiden Frauen in ihrer 20-jährigen Freundschaft gelernt. „Wir können miteinander reden und schweigen, lachen und streiten und uns wieder vertragen“, sagt Janka Davids. „Und wir ergänzen uns. Wenn die eine einen Durchhänger hat, baut die andere sie wieder auf“, fügt ihre Freundin hinzu.

Zurück mit dem Zug, Flieger wäre zu schnell für die Seele

Spätestens am 25. Oktober müssen sie in Rom angekommen sein. „Am besten noch früher, dann haben wir noch Zeit zum Shoppen“, sagen sie lachend. Danach nehmen sie den Zug zurück nach Hamburg. „Wir haben uns bewusst gegen das Fliegen entschieden. Das wäre einfach zu schnell für Kopf und Seele“, sagt Janka Davids.

Albert von Stade ist 1238 nach seinem Rom-Aufenthalt den ganzen Weg wieder zurückgegangen. Bevor die Bergedorferinnen am Samstag ihre ersten Meter hinter sich bringen, werden sie der Statue des Abtes im Johanniskloster-Innenhof in Stade noch einen Besuch abstatten.

Die „Via Romea Germanica“ führt durch schönste Landschaften

Im Vergleich zum berühmten Jacobsweg, der ins spanische Santiago de Compostela führt, ist der Rom-Weg weniger bekannt und deshalb auch weniger überlaufen. Weniger landschaftlich reizvoll ist der Weg aber nicht: Allein in Deutschland durchwandern die Pilger mit der Lüneburger Heide, dem Harz, dem Thüringer Wald, der Rhön und den Bayrischen Alpen schönste Landschaften.

Über den Brenner-Pass geht es dann Richtung Südtirol. Am Ende der Route dürfte die Wanderung durch die landschaftlich reizvolle Toskana eine Entschädigung für die großen Mühen sein. Seit vergangenen November ist die „Via Romea Germanica“ europäische Kulturroute, siehe auch www.viaromea.de.