Hamburg. Die größte Zentrale im Heimatgebiet löst sich vom Marktführer und feiert 50. Geburtstag. Aktuell hohe Umsatzeinbußen.
Es ist ein erstaunlicher Schritt nach 17-jähriger Kooperation mit dem Marktführer in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Funktaxi Bergedorf hat sich soeben von der großen Genossenschaft Hansa Taxi losgelöst und seit Monatsbeginn selbstständig gemacht. Damit reagiert die Bergedorfer Genossenschaft mit insgesamt 47 Fahrern unter der Führung von Ingo Rabe (1. Vorstand), Ben Irmak (2. Vorstand) und Wolfgang Böttcher (3. Vorstand) auf verschiedene Unstimmigkeiten mit Hansa ausgerechnet zum 50-jährigen Bestehen des Bergedorfer Taxikombinats.
Im Zentralbüro am Achterdwars 18 ist Vorstandsmitglied Irmak aktuell mit der Umstellung auf die neue Software extrem eingebunden. Das gefällt dem 49 Jahre alten Quereinsteiger nur so mittelprächtig: „Wir sind mitten im Umbruch. Ich bin aber eigentlich nicht so der Bürotyp, ich fahre lieber“, sagt Irmak.
Funktaxi Bergedorf kooperiert nicht mehr mit Hansa Taxi
Doch für die neue Eigenständigkeit hat er vier Jahre lang unter den Genossen Klinken geputzt. Funktaxi Bergedorf nutzt nun über taxi.de eine Disponentenzentrale aus Leipzig, die Touren innerhalb, aus und nach Bergedorf koordiniert. Wer jetzt unter der Nummer 721 80 34 in Bergedorf ein Taxi bestellt, bekomme auch einen Bergedorfer Fahrer, verspricht Irmak. Mit Ortskenntnissen und individuellem Service: Da werden einem die Einkaufstaschen schon mal vor die Haustür getragen.
Wie aber kam es zum Bruch mit Hansa Taxi? Beweisen konnten es die Bergedorfer zwar nie, doch sie beobachteten, dass der Hamburger Marktführer lukrative Touren, etwa vom Flughafen ins Bergedorfer Villengebiet, eher an Fahrer aus der Innenstadt vermittelte. „Die Touren, die lange Jahre uns gehörten, waren auf einmal nicht mehr da“, erinnert sich Irmaks Vorstandskollege Wolfgang Böttcher, seit 1992 in Diensten der Genossenschaft. Auch weniger gut kam das Vorhaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an, Impftouren nach Beauftragung durch die Sozialbehörde kostenlos anzubieten und dafür Hansa-Taxi-Fahrer einzusetzen – doch auch hier hatten die Bergedorfer Kollegen das Nachsehen und mussten mehrfach miterleben, dass ihnen angemeldete Kunden absprangen.
Taxi-Branche beklagt Umsatzeinbußen von 43 Prozent
Den Impf-Tour-Ärger haben die kleineren Zentralen in Randlagen nun selbst gelöst, nachdem sich zuletzt auch die Hamburger Bürgerschaft einschaltete. Die Funktaxi-Zentralen Alstertal, Wilhelmsburg, Harburg, Blankenese und Bergedorf schlossen sich zusammen und setzten bei der Sozialbehörde ihren Willen durch, dass die Impf-Hotline bei Transporten eben jene Taxizentralen vor Ort berücksichtigt. „So ein Impftermin von Bergedorf zu den Messehallen und zurück kann einem Taxifahrer den Tag retten“, spricht Ben Irmak von sicheren 80 Euro. Das macht sich in Zeiten, zu der die Branche Umsatzeinbußen von 43 Prozent beklagt (nach Angaben vom Bundesverband Taxi und Mietwagen), richtig gut.
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Irmak ist überzeugt vom neuen unabhängigen Weg, nachdem sich Funktaxi Bergedorf im Jahr 2004 auch wegen eigener technischer Schwierigkeiten dem Disponentensystem von Hansa Taxi anschloss. Der Industriekaufmann, der erst seit 2012 Taxi fährt, warb lange für die Eigenständigkeit. Die Abstimmung bei der Generalversammlung erbrachte ein aussagekräftiges Ergebnis mit 44-mal „Ja“, nur zwei „Nein“-Stimmen und einer Enthaltung.
Funktaxi Bergedorf will auf jeden Fall 47 Stamm-Fahrer behalten
Doch birgt die neue Bergedorfer Taxi-Freiheit auch Gefahren – nicht nur wegen kostengünstigerer Konkurrenten wie „Uber“ oder einer sich veränderenden Arbeitswelt, in der Homeoffice an Bedeutung gewinnt: Der Bundesverband rechnet bis Jahresende mit einem drastischen „Taxi-Sterben in Deutschland“, wie Geschäftsführer Michael Oppermann meint: „Wir gehen davon aus, dass es nur etwa 24.000 Taxis geben wird.“ Vor Beginn der Corona-Krise waren es noch 36.000.
Funktaxi Bergedorf will den Stamm von 47 Fahrern in jedem Fall halten. Das hätte Gründungsvater Klaus Biermann gut gefallen: Er hob Funktaxi-Bergedorf als eingetragenen Verein im Jahre 1971 aus der Taufe. Im Mai 1984 erfolgte dann aus steuerlichen Gründen die Umwandlung in eine eingetragene Genossenschaft (eG). Die Zentrale ist seit dem 1. August 1998 im Büro am Achterdwars 18 beheimatet.