Hamburg. Konkurrenten kosten Branche Umsatz und führen zu Fahrermangel. Taxiunternehmen reagieren mit verschiedenen Maßnahmen.
Der erste der neuen Konkurrenten für Hamburgs Taxiunternehmen war so klein, dass er nur ein bisschen lästig wurde: Der Fahrdienstanbieter Clevershuttle startete im Herbst 2017 in der Hansestadt mit gerade einmal fünf Autos, kam über eine Flotte von mehreren Dutzend Fahrzeugen nicht hinaus und stellte seinen Dienst nach gut zwei Jahren im Herbst 2019 wieder ein. Aus wirtschaftlichen Gründen, hieß es. Das zu 80 Prozent der Bahn gehörende Unternehmen sah offenbar keine Aussicht, den Service in Hamburg jemals kostendeckend anbieten zu können.
Zu diesem Zeitpunkt waren mit Moia und Uber sowie Free Now mit seinem Mietwagendienst Ride bereits drei weitere Anbieter in der Stadt, die allesamt damit werben, dass sie Passagiere zu einem deutlich geringeren Preis von A nach B bringen als ein Taxi – zumindest in ihren jeweiligen Betriebsgebieten. Das sind andere Kaliber als Clevershuttle. Gut zehn Monaten nach dem Moia-Start zeigen sich nun die Folgen für die gut 2100 Taxi-Unternehmer in der Stadt. Da und dort geht der Umsatz zurück, erste Firmen legen Wagen still, vor allem aber: Den Taxi-Unternehmen fällt es zunehmend schwer, Fahrer zu rekrutieren.
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Taxis in Hamburg haben bis zu zehn Prozent weniger Umsatz
„Die Branche ist erkennbar unter Druck“, sagt Clemens Grün, der Vorsitzende des Taxenverbands Hamburg. Seine Kollegen an der Spitze der beiden anderen Organisationen, die die Interessen des Gewerbes in der Hansestadt vertreten, formulieren es geringfügig anders, sagen aber dasselbe. „Im Moment läuft es nicht ganz so toll“, sagt Christian Brüggmann, der an der Spitze der Taxen-Union Hansa steht. Bülent Aktas, der Vorsitzende des Landesverbands Hamburger Taxiunternehmer (LHT), sagt: „Natürlich merkt man eine gewisse Konkurrenz.“ Aktas fürchtet: „Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, wird das in ein, zwei Jahren noch deutlich stärker spürbar werden.“ Im schlimmsten Fall und langfristig, heißt es in der Branche, könnte sich die Zahl der Taxis auf 1500 halbieren.
In den Statistiken der Wirtschaftsbehörde, die Monat für Monat die Zahl der zugelassenen Taxis dokumentiert, finden sich bislang nur vage Hinweise auf eine solche Entwicklung. Die Größe der elfenbeinfarbenen Flotte verändert sich seit jeher wellenförmig. Anfang der 2000er-Jahre wurde mit fast 4000 Wagen der Höchststand erreicht, Mitte 2017 mit 3061 Taxis der bislang niedrigste Wert. Danach ging es erstmal wieder aufwärts. Ende März 2019 – zwei Wochen bevor Moia startete – gab es 3196 Wagen, Ende Januar 2020 waren es 3169. Das liegt noch im Bereich der üblichen Schwankungen, könnte aber auch der Beginn eines Schrumpfungsprozesses sein.
Taxifahrer haben 22,5 Millionen Passagiere
Sicher ist: Die neuen Konkurrenten kosten die Taxi-Unternehmen Umsatz. „Zwischen fünf und zehn Prozent“, sagen die Verbandschefs Brüggmann und Aktas. Nach beider Einschätzung ist das zum geringeren Teil auf Moia zurückzuführen. Die VW-Tochter ist mit ihren derzeit 330 Kleinbussen und bislang mehr als 1,6 Millionen transportierten Passagieren zwar der mit Abstand größte Konkurrent.
Doch er wildert gar nicht so stark im Taxifahrer-Revier mit nach jüngsten Zahlen etwa 15 Millionen Fahrten und geschätzten 22,5 Millionen Passagieren pro Jahr. Moia gewinnt viele Kunden, die sich ein Taxi nicht leisten können oder wollen und bereit sind, bei einer etwas längeren Fahrt mit fremden Mitfahrern im Kleinbus zu sitzen.
Im Kampf um die Kernklientel der Taxifahrer sind Uber und Free Now die gefährlicheren Mitbewerber. Beide bieten sogenannte taxiähnliche Mietwagenfahrten an. Der Service unterscheidet sich kaum von einer Taxifahrt – nur ist er billiger. Wohl auch, weil finanzstarke Geldgeber hinter den Anbietern stehen.
Mietwagenflotte wächst langsam
Anders als in Berlin mit bis zu 4000 Mietwagen oder in München (mehr als 700) aber ist in Hamburg die Mietwagenflotte noch überschaubar. Die Behördenstatistik verzeichnet zwar einen Zuwachs um 30 Prozent seit April 2019, aber die absolute Zahl stieg nur um gut 110 auf zuletzt 488 Fahrzeuge. Die Wirtschaftsbehörde legt bei der Zulassung neuer Firmen strenge Maßstäbe an. Und erntet dafür Lob der Taxi-Funktionäre.
Der Moia-Effekt auf ihre Verbandsmitglieder ist ein anderer: Sie finden jetzt kaum noch Fahrer. „Erste Firmen, die drei, vier, fünf Taxis betreiben, mussten deshalb schon einzelne Wagen stilllegen“, berichten Brüggmann und Aktas. Clemens Grün, in dessen Verband überwiegend Betriebe aus den Reihen der 1800 Einzeltaxi-Unternehmer organisiert sind, sagt: „Es gibt Kollegen denen es sehr schwer fällt, für die zweite Schicht einen angestellten Fahrer zu finden.“
Unter anderem weil Moia binnen weniger Monate mehr als 500 Fahrer eingestellt hat, ist der Markt leergefegt. Im Laufe dieses Jahres will das Unternehmen nach eigenen Angaben darüber hinaus „mehrere Hundert“ weitere Fahrer einstellen, auch Mietwagenfirmen haben Expansionspläne. Obendrein können die neuen Konkurrenten oft besser zahlen als Taxifirmen.
Ortskundeprüfung – ein Wettbewerbsnachteil
Die sind als Arbeitgeber inzwischen zudem weniger attraktiv als die anderen Mobilitätsdienstleister, weil nur Taxifahrer über den Personenbeförderungsschein hinaus auch noch eine besondere Ortskundeprüfung ablegen müssen. Der vorgeschaltete Kursus ist zeitaufwendig, kostet mehrere hundert Euro – und die Durchfallquote ist hoch. „Oft fallen zwei Drittel der Prüflinge durch, manchmal sind es drei Viertel“, sagt Verbandschef Grün, der hin und wieder beim mündlichen Teil der Prüfung dabei ist. Sie ist für die meisten Kandidaten die höchste Hürde.
Denn wer etwa nach dem Vogelhüttendeich im Straßenverzeichnis des Stadtplans unter dem Anfangsbuchstaben F sucht oder nicht weiß, dass der Oortkartenweg sich eben mit zwei O vorne schreibt, ist raus. Es sind Aufgaben, an denen auch deutsche Muttersprachler regelmäßig scheitern. Bei Moia, Uber, Free Now sagt das Navi dem Fahrzeuglenker, wo es langgeht.
„Als Clevershuttle aufgab, hat unser Verband 30 der Fahrern den Ortskundekurs bezahlt. Doch nur ein Teil davon hat die Prüfung bestanden. Andere fahren jetzt für Moia oder Mietwagenfirmen. Schade, das sind gute Leute, die wir gerne für die Taxibranche gewonnen hätten“, sagt LHT-Chef Aktas. Er betreibt insgesamt 75 Taxis in Hamburg und ist damit der Größte in der kleinteilig strukturierten Branche.
Aus Aktas’ Sicht ist die Ortskundeprüfung in der aktuellen Form der größte Nachteil der Taxi-Unternehmen im harten Wettbewerb um Fahrer. Sein Kollege Brüggmann fordert Veränderungen, um Waffengleichheit mit den Fahrdiensten herzustellen: „Entweder müssen sowohl Taxi- als auch Mietwagenfahrer ihre Ortskunde nachweisen, oder keiner von beiden.“ Dass es dazu kommt, ist unwahrscheinlich.
Taxiverbände sind uneins
Eine andere, schnellere Möglichkeit wäre, die Hamburger Fahrerlaubnis-Verordnung zu ändern, in der die Details der Ortskundeanforderungen geregelt sind. Doch darüber gibt es in der Branche gegensätzliche Ansichten. „Wir haben einen Antrag auf Änderung gestellt“, sagt Brüggmann von der Taxen-Union. Der LHT unterstützt das. „Wir sind für eine Regelung wie in Berlin. Dort ist die mündliche Prüfung weggefallen, der Fahrer muss stattdessen nachweisen, dass er ein Navigationsgerät bedienen kann“, sagt Bülent Aktas. Clemens Grün, der Taxenverbandschef, aber will an der Ortskundeprüfung in der jetzigen Form festhalten. „Eine Abschaffung wäre nicht gut für die Branche. Die Ortskunde ist ein Qualitätsmerkmal, mit dem wir uns von den Mitbewerbern abheben. Das sollten wir nicht aufgeben.“
Abgefragt werden in der Prüfung unter anderem die Standorte wichtiger Firmen, Behörden, Hotels und Kliniken sowie große Verbindungswege in der Stadt nach Straßen und Stadtteilen. Über die Regeln wacht die Behörde für Inneres und Sport (BIS). Auf Abendblatt-Anfrage heißt es aus dem Haus von Senator Andy Grote (SPD), man sei offen für Anpassungen der Prüfungsordnung und könne sich vorstellen, dabei Navigationsgeräte zu berücksichtigen. Allerdings sollten sich die Branchenverbände darüber einig sein. Leichter werden aber soll die Prüfung nicht, sagt ein Behördensprecher: „Eine Absenkung der Prüfungsstandards für Taxifahrer wird von der BIS als der zuständigen obersten Landesbehörde abgelehnt.“