Hamburg . Das Unfallkrankenhaus hat 18 Männer und Frauen aus Asien angeworben, um den Mangel an Fachkräften auszugleichen.
Irgendwo auf den Philippinen büffeln sie gerade emsig Deutsch. Schon bald jedoch werden die 18 ausgewählten Männer und Frauen im BG Klinikum Hamburg an den Betten der Patienten stehen und sie umsorgen: Fachkräftemangel auf der einen und zunehmende gesetzliche Vorgaben auf der anderen Seite lassen nun auch die Boberger Unfallklinik neue Wege gehen. In fernen Ländern mit ähnlichen Pflegeausbildungen wie Deutschland werden derzeit gezielt Menschen angeworben, die hier schon ab circa März 2020 in der Klinik arbeiten sollen.
Torsten Weiner ist der Mann, der im Unfallkrankenhaus diese und viele andere Zukunftsvisionen umsetzt: Seit September ist er neuer Pflegedirektor des Unfallkrankenhauses und damit eine Ebene unter der Geschäftsführung für 700 Mitarbeiter in Boberg zuständig. Eine moderne und gut ausgestattete Pflege – das ist das Ziel des 42-Jährigen, der das Gewinnen von Arbeitskräften im Ausland nur als einen Baustein sieht. „Ohne Zulauf aus dem Ausland werden wir nicht mehr auskommen“, ist Torsten Weiner überzeugt.
Der Pflegekräfte-Markt in Osteuropa ist leergefegt
Und dabei ist zunehmend Kreativität gefragt. Denn das nahe Ausland, wie etwa die Länder Osteuropas, eignet sich nur noch bedingt: Der Markt dort gilt als leer gefegt, viele der gefragten Kräfte wählen zudem die noch besseren Arbeitsbedingungen in Skandinavien. Teilweise sind die Ausbildungsstandards in Ost- oder Südosteuropa auch ganz andere. Etwa in dem Nicht-EU-Land Serbien: Dort studieren Pflegekräfte zwar und eignen sich viel medizinisches Fachwissen an. „Sie sind aber in den pflegerischen Tätigkeiten auf einem anderen Niveau“, sagt Torsten Weiner.
Ausbildung und Arbeitsmoral gelten hingegen in asiatischen Ländern wie den Philippinen als ähnlich, zudem seien dort nach Schätzungen „200.000 Pflegekräfte arbeitslos“, wie Weiner sagt. Ganz neu ist die Suche nach Pflegekräften in Asien nicht: Bereits in den 60er- und 70er-Jahren waren Krankenschwestern von dort nach Westdeutschland geholt worden, da hier eine Pflegelücke klaffte.
Viele Kliniken suchen international nach Fachkräften
Inzwischen haben viele Krankenhäuser die Idee wiederentdeckt, Fachkräfte international zu suchen. Mit einer Sprachausbildung im Heimatland und weiteren pflegerischen Schulungen in Deutschland ist es aber nicht getan, weiß auch Torsten Weiner: „Es geht darum, einen guten Einstieg zu leisten und sie in unsere Kultur einzuführen.“ Hinzu kommen praktische Hilfen wie die Suche nach einer Wohnung.
Pflegepersonal zu finden, ist zunehmend schwierig: Selbst im nahen Ausland wie in den osteuropäischen Ländern gibt es inzwischen kaum noch Fachkräfte, auch für den heimischen Bedarf. Dass das BG Klinikum Hamburg nun international nach Pflegepersonal sucht, versteht der neue Pflegedirektor Torsten Weiner auch als Verantwortung gegenüber allen Ländern, in denen durch Akquise dasselbe Problem geschaffen werden würde: „Wir dürfen in diesen Ländern nicht für einen eigenen Pflegenotstand sorgen“, sagt er.
Boberg bietet Hilfe auch bei der Wohnungssuche
Verantwortung gelte auch gegenüber jenen, die von weither geholt werden, um hier zu arbeiten: „Wir müssen sie gut integrieren und begleiten.“ Die Unfallklinik werde 18 ausgewählten Menschen von den Philippinen deshalb auch bei praktischen Fragen wie der Wohnungssuche helfen.
Das Thema Fachkräftemangel ist eine der zentralen Aufgaben des neuen Pflegedirektors. Denn die Situation hat sich seit Januar noch einmal verschärft: Damals trat die sogenannte „Personaluntergrenze“ in Kraft, mit der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) regeln ließ, dass in behandlungsintensiven Abteilungen der Krankenhäuser eine Mindestanzahl an Personal vorgehalten werden muss. Dazu zählt auch die Unfallchirurgie. „Und das sind bei uns ja fast alle Abteilungen“, stellt Torsten Weiner fest. Vorübergehend Personal aus anderen Abteilungen abzuzweigen, wie in anderen Kliniken, wäre in Boberg also nicht möglich.
„Situation in Boberg ist sehr gut“
Allerdings: „Die Situation hier ist insgesamt sehr gut“, stellt der 42-Jährige fest. Tatsächlich hat der Name BG Klinikum Hamburg weiterhin eine gewisse Strahlkraft. Das und die Randlage in Hamburg mit wenig Klinikkonkurrenz hat zur Folge, dass das Klinikum noch immer ein Arbeitgeber ist, für den sich Bewerber interessieren. Gleichwohl müssen die Mitarbeiter auch gehalten werden: „Gerade jungen Menschen sind die Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig“, stellt Torsten Weiner fest. Hier müsse die Klinik eine Idee entwickeln, wie etwa auf die Wünsche der unterschiedlichen Generationen eingegangen werde.
Viele weitere Herausforderungen warten auf den ambitionierten Pflegedirektor. So sollen die Mitarbeiter stetig fortgebildet werden, sie sollen „eine gute Serviceleistung bieten“. Denn der moderne Patient ist aufgeklärt, „er möchte beraten werden und mitsprechen“. Die Pflegekräfte seien auch die Vermittler zu den anderen Berufsgruppen im Klinikum, wie den Therapeuten, Ärzten, dem Servicepersonal und vielen anderen. „Die Pflege ist insgesamt so etwas wie das Management für den Patienten.“
Fachkräftemangel durch "Personaluntergrenzen" verschärft
Das Thema Fachkräftemangel ist eine der zentralen Aufgaben des neuen Pflegedirektors. Denn die Situation hat sich seit Januar noch einmal verschärft: Damals trat die sogenannte „Personaluntergrenze“ in Kraft, mit der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) regeln ließ, dass in behandlungsintensiven Abteilungen der Krankenhäuser eine Mindestanzahl an Personal vorgehalten werden muss. Dazu zählt auch die Unfallchirurgie. „Und das sind bei uns ja fast alle Abteilungen“, stellt Torsten Weiner fest. Vorübergehend Personal aus anderen Abteilungen abzuzweigen, wie in anderen Kliniken, wäre in Boberg also nicht möglich.