Bergedorf. Auch wenn höher gebaut wird als erlaubt, haben Klagen keine Chance. Grundeigentümer fordern schärfere Regelungen.
Bürgerbeteiligung ja, aber keine anschließende Kontrolle der Verwaltung bei der Umsetzung der Beschlüsse? Im Baurecht entspricht das der geltenden Rechtslage. Zwar kann der Bürger im Bebauungsplanverfahren kräftig mitmischen. Immer öfter wird er sogar im Vorfeld schon beteiligt und von der Politik nach seiner Meinung gefragt. Aber wenn der Plan rechtskräftig geworden ist und auf seiner Grundlage Baugenehmigungen ergehen, muss die Verwaltung Kontrollen oder Einsprüche kaum noch fürchten. Und häufig wird dann doch höher oder breiter gebaut als geplant.
„Der Bürger kann sich nicht wehren, wenn die Genehmigungen nicht in Ordnung sind“, sagt der Verwaltungsrechtler und Vorsitzende des Bergedorfer Grundeigentümervereins, Ulf Hellmann-Sieg. Er sieht ein Demokratiedefizit und in dessen Folge eine Gerechtigkeitslücke.
Zahlreiche Gerichtsverfahren
„Wenn die Verwaltung als Herrin des Verfahrens für ein bestimmtes Gebiet einen Bebauungsplan macht, sind damit Versprechen an die Nachbarschaft verbunden“, sagt Hellmann-Sieg. „Hält die Stadt mit ihren Baugenehmigungen diese Versprechen aber gar nicht ein, müsste man ihr auf die Finger klopfen können. Sonst wird die vorherige Bürgerbeteiligung ad absurdum geführt und der Staatsverdrossenheit Vorschub geleistet.“ Ein Mehr an Transparenz und Kontrolle sei gerade in Zeiten des Baubooms wichtig.
In den Außenbezirken, besonders im Hamburger Westen und Nordosten, wird seit Jahren immer wieder und immer häufiger beklagt, dass die Stadt mit den Nachverdichtungen mehr Baumasse genehmigt, als es die Bebauungspläne zulassen. Im Zusammenhang mit den Flüchtlingswohnungen war es zu zahlreichen Gerichtsverfahren gekommen, deren Entscheidungen regelmäßig auf Unverständnis bei Betroffenen stießen.
Gebäudehöhe spielt keine Rolle
Im Streit um den Wohnungsbau in Klein Borstel zum Beispiel hatte das Gericht zwar die Baugenehmigung des Amtes für fehlerhaft erklärt, zugleich aber festgestellt, dass daraus kein Anspruch auf Korrektur abzuleiten sei. Der Grund: Der Fehler des Amtes müsse zusätzlich die Nachbarn in ihren Rechten beschneiden, und das habe er nicht getan. Ein Fehler allein begründe keinen Anspruch auf Änderung oder Aufhebung der Baugenehmigung.
Tatsächlich kann eine Baugenehmigung grundsätzlich nur angefochten werden, wenn der Grenzabstand unterschritten oder die genehmigte Nutzungsart (z. B. Wohnen oder Gewerbe) eine andere ist als im Plan festgesetzt. Die Gebäudehöhe z. B. spielt keine Rolle, solange nicht „rücksichtslose“ Höhen erreicht werden.
Parteien sollten sich verständigen
Und dafür lägen die Grenzen sehr hoch, wie aus den Verwaltungsgerichten zu hören ist. Entsprechend ist es weitgehend egal, ob der Baukörper Geschosswohnungen oder Reihenhäuser beherbergt oder mehr Grundstücksfläche überbaut, als der Plan es zulässt. In diesen Fragen führen auch rechtsfehlerhafte Baugenehmigungen nicht dazu, dass sie zurückgenommen werden müssen.
„Ein Missstand“, sagte Hellmann- Sieg, „und einer, der leicht heilbar wäre.“ Denn die Stadt könne als sogenannter „Plangeber“ über die Regelungen zu Grenzabstand und Nutzungsart hinaus einfach weitere Festsetzungen im Plan zu „nachbarschützenden“ Regelungen erklären. „Dann wäre ihre Beachtung später auch gerichtlich durchsetzbar.“ Politik, Verwaltung und Bürger sollten sich künftig am Ende eines Bebauungsplanverfahrens darauf verständigen, welche Festsetzungen im Plan als echte Versprechen verstanden und folglich als „nachbarschützend“ gekennzeichnet werden sollen.
Hellmann-Sieg: Kritik greift zu kurz
Der stadtplanungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, reagierte vorsichtig. „Wir werden uns den Vorschlag genau ansehen und prüfen, ob eine solche Modifikation der Planverfahren sinnvoll ist. Ich kann aber bisher nicht erkennen, dass es zu wenig Einspruchsmöglichkeiten für die Bürger gibt.“ Der baupolitische Sprecher der Grünen, Olaf Duge, nannte den Vorstoß aus Bergedorf „problematisch. Das kann eine Vielzahl von Klagen provozieren.“
Für Hellmann-Sieg greift die Kritik zu kurz. Klare Festsetzungen zum Nachbarschutz würden die Verwaltungen nur vorsichtiger machen. Im Klagefall aber würden sie das Entscheiden erleichtern, weil der Nachbarschutz schon im Plan stehe und nicht, wie zurzeit, in Planbegründung und -umfeld ermittelt werden müsse.