Hamburg. Dilemma: Ein denkmalgeschützes Gebäude steht zu weit im Elbdeich, doch ein Versetzen würde das Haus kaum überstehen.
Die reetgedeckte Kate am Altengammer Hauptdeich 130 – das alte Müllerhaus von Altengamme – gefährdet die Deichsicherheit und soll deshalb weichen, zumal Hamburgs Deiche in den kommenden Jahrzehnten um einen Meter erhöht werden sollen. Bergedorfs Politik will einen Abriss der sogenannten Hornkate neben der Altengammer Mühle auf jeden Fall vermeiden. Lediglich einem Versetzen oder Verschieben des denkmalgeschützten Hauses um einige Meter weg vom Deich würden die Politiker zustimmen.
Das sei keine Lösung, meint Volker Antonczyk. Er wohnt unweit der Kate am Horster Damm in Altengamme. Seit 32 Jahren lebt er in dem Bauernhaus von 1880: „Wenn unsere Familie es nicht gekauft hätte, wäre es abgerissen worden.“
Hamburg hat in einigen Bereichen Flutschutzmauern errichtet
Nun hat sich der 71-Jährige intensiv mit der alten Kate beschäftigt, plädiert für den unbedingten Erhalt des historischen Ensembles. „Wie soll so ein großes Gebäude, das teilweise kein Fundament hat, verschoben werden?“, fragt er. Auf diese Weise könne das Gebäude nicht eins zu eins erhalten werden, würde es in jedem Fall in Mitleidenschaft gezogen werden, betont Antonczyk. „Das Haus, so wie es jetzt ist, wäre dann unwiederbringlich weg.“
Der Altengammer schlägt als Alternative zur Rettung der Kate die Errichtung einer Flutmauer am Außendeich in Höhe des Hauses vor. „In Kirchwerder gibt es diese Außendeichflutmauern seit etlichen Jahren. Warum nicht auch in Altengamme bei der Hornkate?“. Die größte Flutmauer in Hamburg schützt das Airbus-Werk in Finkenwerder, weiß der Senior. Auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden solche Mauern verwendet. „Lieber eine hässliche Mauer als der Abriss eines so alten und bedeutsamen Gebäudes“, sagt er.
Kulturbehörde ist gegen eine Verschiebung des historischen Gebäudes
Die Behörde für Kultur und Medien untermauerte Antonczyks Sorgen bereits im Mai, als die Behörde zu einem interfraktionellen Antrag der Bezirksversammlung mit der Forderung nach bloßer Verschiebung der Kate Stellung nahm: „Der außergewöhnlich gute Erhaltungszustand des Hauses schließt eine Translozierung aus“, heißt es in der Mitteilung.
Der Denkmalwert würde schon durch den Abbau und möglichst originalgetreuen Wiederaufbau an anderer Stelle geschmälert. Mit diesem Verfahren könne das Denkmal auch ganz verloren gehen, betont die Behörde, „weil ein Ab- und Aufbau nicht zerstörungsfrei erfolgen kann und größere Verluste von denkmalgeschützten Bauteilen die Folge sind“.
Wäre eine Flutschutzmauer eine alternative Lösung?
Bei einer Translozierung en bloc, also der Verschiebung ohne Ab- und Aufbau, könnte weniger Bauteilverluste bedeuten, heißt es weiter. In der Denkmalliste würde das Gebäude in so einem Fall als „Prüffall“ geführt. Seine Denkmaleigenschaften müssten nach Abschluss der Verschiebung erneut geprüft werden.
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Die Kulturbehörde rät deshalb zu „alternativen Lösungen“. Sie empfiehlt die zeitnahe Durchführung einer Bauforschung sowie einer dendrochronologischen Untersuchung, „um eine gute Informationsgrundlage zu haben für weitere Entscheidungen“. Die Dendrochronologie ist eine Datierungsmethode der Geowissenschaft und der Archäologie, die Wissenschaft vom Baumalter, auch als Baumringdatierung bezeichnet.
Auch anderenorts Zielkonflikt zwischen Deichsicherheit und Denkmalschutz
Es gebe keinen neuen Sachstand, teilt Marianne Kurzer, Sprecherin der Kulturbehörde mit: „Das Haus ist derzeit in seiner Substanz nicht gefährdet. Das Denkmalschutzamt hat das Denkmal aber im Blick und befasst sich übergreifend mit den Fragen des Hochwasserschutzes in der Stadt. Dazu stehen die Kolleginnen und Kollegen auch im engen Austausch mit der Umweltbehörde.“ Die Frage, inwieweit Untersuchungen auf Empfehlung der Kulturbehörde eingeleitet worden sind, lässt sie unbeantwortet.
Renate Pinzke, Sprecherin der Umweltbehörde, ergänzt: „Für uns steht eine ordnungsgemäße Herstellung des Deiches im Vordergrund, denn sie wird wesentlich zur Verbesserung der Sturmflutsicherheit beitragen. Aber auch die Belange des Denkmalschutzes werden bei den laufenden Planungen berücksichtigt.“ Zu alternativen Lösungen wie dem Bau einer Flutmauer könne man noch keine Angaben machen, da alles noch in der Planung sei.
Deicherhöhung um einen Meter bedeutet Verbreiterung um sechs Meter
Die Kate ist vermutlich 370 Jahre alt, wurde auf einer Warft an der Elbe erbaut. Einst lebte der Müller der Borghorster Mühle in dem Haus. Eigentümer des denkmalgeschützten Hauses mitsamt 1700 Quadratmeter großem Grundstück ist die Stadt, die von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte und das Haus samt der dazugehörigen landwirtschaftlichen Flächen zum vergangenen Jahreswechsel kaufte. Sollte der Deich um einen Meter erhöht werden, müsste er um sechs Meter in der Breite wachsen.