Kirchwerder. Der Neubau einer 350.000 Euro teuren Halle für die Friedhofsgärtnerei in Kirchwerder wird von Walter Römmer stark kritisiert.

Die Neugestaltung des Geländes neben dem Friedhofsparkplatz läuft – und erntet Kritik. Am Fersenweg in Kirchwerder entsteht eine Betriebshalle für die Fahrzeuge der Friedhofsgärtnerei. Die 200-Quadratmeter-Halle mit gemauerten, holzverkleideten Seitenwänden und Spitzdach soll bis zum Herbst in Verlängerung vom Kirchenbüro entstehen. Kosten: 350.000 Euro.

Walter Römmer wohnt neben der Baufläche und hat sich früh für das Projekt interessiert. Nach Studium der Bauakte, Briefwechsel mit Ex-Bezirksamtsleiter Arne Dornquast und Gespräch mit der Pröpstin des Kirchenkreises Hamburg-Ost, Ulrike Murmann, stellt er fest, dass es Widersprüche gebe. Er kritisiert Entscheidungen des Denkmalschutzamtes, des Bauamtes, des Kirchengemeinderates sowie des Kirchenkreises, der laut Römmer „keine Kontrollfunktion mehr ausübt“.

Anwohner kritisieren Neubau in Kirchwerder

Projekte dieser Größenordnung bedürften einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung, die auch erteilt wurde, sagt Remmer Koch, Sprecher des Kirchenkreises. „Da Kirche und Friedhof eingetragene Denkmäler sind, wurde zudem das Dezernat Bauwesen des Landeskirchenamtes einbezogen, das wiederum die Genehmigung des Denkmalschutzamtes der Stadt bestätigte und ebenfalls Genehmigung erteilte.“ Römmer entgegnet: „Dokumente dazu finden sich in der Bauakte nicht, und diese Aussagen stehen auch im Widerspruch zu den Aussagen der Pröpstin.“

Dass nun neben einem „seelenlosen 2000-Quadratmeter-Parkplatz“ weitere 1500 Quadratmeter versiegelt würden, „in unmittelbarer Nähe zum denkmalgeschützten Kirchen-Ensemble, im sogenannten denkmalgeschützten Außenbereich“, könne er nicht nachvollziehen. An der jetzt genehmigten Stelle hatte der vorherige KGR bereits eine Betriebshalle geplant, die aber aus Denkmalschutzgründen nicht genehmigt wurde, weil sie – so die damalige Begründung – nicht in die Landschaft passe, sagt der Nachbar. „An der Landschaft hat sich nichts geändert, außer dass ohne erkennbaren Grund der Baumbestand neben dem nun bebauten Grundstück erheblich verringert wurde.“

Vermeidbare Beeinträchtigungen der Natur sind zu unterlassen

Hans-Hermann Mauer, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, betont, dass der aktuelle KGR mit der Planung erst seit 2017 befasst sei, nachdem er das vorherige Gremium komplett abgelöst hatte. Der neue KGR habe ausschließlich mit Architektin Ute Kramer zusammengearbeitet und sich eng mit der Nordkirche abgestimmt. „Alle Bauvorhaben sind genehmigungspflichtig und gehen durch diverse Prüfungsrunden“, fügt Pastor Nils Kiesbye hinzu. „Der Neubau grenzt nicht direkt an das Ensemble an“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. „Zudem wird über die moderate Höhe von 7,50 Meter keine Konkurrenz zur Kirche mit Glockenturm aufgebaut.“

Auch Dornquast konnte Römmers Vorwürfe nicht nachvollziehen: Anträge würden „ungeachtet der Person des Antragstellers und des Entwurfsverfassers rein nach den rechtlichen Gegebenheiten beschieden“, antwortete er auf Anfrage des Kritikers. Der schrieb ihm auch, dass der Neubau in einem baurechtlichen Außenbereich entsteht, in dem nur Privilegierte bauen dürfen: „Dazu gehört die Kirche nicht.“ In der Bauakte mache das Bezirksamt dem KGR deshalb die Auflage, einen alternativen Standort zu prüfen. Doch dem wurde laut Römmer „offenbar nicht nachgegangen, obwohl ein alternativer Standort im baurechtlichen Innenbereich – größer als der jetzige – zur Verfügung steht“.

An eine solche Auflage könne man sich von behördlicher Seite nicht erinnern, habe Dornquast mitgeteilt, berichtet Römmer. Gabriele Günter, Sprecherin des Bezirksamtes, bekräftigt: „In diesem konkreten Fall gibt es keine Auflagen.“ Es gebe keinen Bebauungsplan für die Fläche und öffentliche Belange würden nicht beeinträchtigt.

"Wir haben keinen anderen Standort gefunden"

„Ich will Fragen aufwerfen, die vielleicht nachdenklich machen“, sagt Walter Römmer, Nachbar.
„Ich will Fragen aufwerfen, die vielleicht nachdenklich machen“, sagt Walter Römmer, Nachbar. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Der Flächennutzungsplan sehe laut Dornquast im Bereich der Baustelle eine „Grünfläche Friedhof“ und das Landschaftsprogramm „Grünanlage eingeschränkt nutzbar“ vor. „Wieso man dort dann bauen darf, ist dieser Information nur schwer zu entnehmen“, entgegnet Römmer. In einem Schreiben des Zentrums für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt vom 16. März 2020, heißt es: „Das Vorhaben stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft nach § 14 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) dar. Nach § 15 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffes verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen.“

Eine vom Bezirksamt angeforderte Begründung, „warum es keine Alternativen zu diesem Vorhaben gibt“, enthalte die Akte laut Römmer nicht. Mauer bestätigt, dass nach einer „zumutbaren Alternative“ gesucht werden sollte: „Das haben wir mit allen beteiligten Institutionen auch getan – aber keinen anderen Standort gefunden.“

„Unterzubringen sind vier kleine Fahrzeuge und Kleingerät“, sagt Römmer. „Da sind 350 000 Euro ein stolzer Preis.“ Sie stammen vor allem aus Rücklagen der Friedhofsgärtnerei, sagt Pastor Nils Kiesbye. Kirchensteuer werde nicht verwendet, „Kirchengemeinde und Friedhof sind getrennte Haushalte“.

Römmer: "Kirchliche Genehmigungsverfahren wurden weitgehend umgangen"

Auch bleibe offen, wieso es keine Absprachen mit dem Kirchenkreis gegeben habe, meint Römmer: Dort werde noch an der Idee eines Neubaus für Fahrzeuge aus vielen Kirchengemeinden festgehalten, habe die Pröpstin ihm mitgeteilt. „Wir haben zwar einen Kirchensprengel gegründet, um die Zusammenarbeit der Kirchengemeinde zu intensivieren, aber eine gemeinsame Nutzung der Halle ist bisher kein Thema“, entgegnet Kiesbye.

Römmer bleibt dabei: Kirchliche Genehmigungsverfahren seien „weitgehend umgangen“ worden. Von einem Referenten der Pröpstin hatte er die Mitteilung bekommen, dass die Vorgehensweise nicht den Regularien entspreche, aber das Voranschreiten des Projekts „wohl nicht mehr zu ändern“ sei. Das sei „nicht korrekt“, entgegnet Koch. „Allein das Verfahren zur kirchenaufsichtlichen Genehmigung belegt, dass sich sowohl die Bauabteilung des Kirchenkreises und das Dezernat Bauwesen des Landeskirchenamts mit dem Bauvorhaben intensiv beschäftigt haben.“

Die Mail des Referenten der Kirche vom 9. April 2020 an Denkmalschutzamt und Bezirksamt liegt unserer Zeitung vor. Darin heißt es: „Offensichtlich hat die Kirchengemeinde Kirchwerder einen Antrag nach s 61 HBauO gestellt. Dieser Antrag liegt dem Landeskirchenamt nicht vor. Das entspricht zwar nicht den innerkirchlichen Regularien, ist aber wohl nicht mehr zu ändern.“

Kirchenkreis hat aus Kostengründen keine eigene Bauabteilung mehr

Neu war für Römmer die Auskunft der Pröpstin, dass der Kirchenkreis aus Kostengründen keine eigene Bauabteilung mit Architekten mehr habe und dass der letzte Kontrolleur mit der Zahl der zu betreuenden Gemeinden überfordert sei. Zudem habe man die Gemeinde Kirchwerder weitgehend aus dem Blick verloren, weil sonst finanziell alles in Ordnung gewesen sei.

Der pensionierte Lehrer wolle „Fragen aufwerfen, die vielleicht nachdenklich machen“. Der Pastor sieht eine „Auseinandersetzung zwischen einer Einzelperson und der Kirche – und nicht zwischen der Nachbarschaft und der Kirche“. Der KGR leiste ehrenamtlich ein immenses Arbeitspensum. Er habe „Verständnis dafür, dass sich Herr Römmer beeinträchtigt fühlen könnte, aber wir haben für den dringend benötigten Hallen-Neubau keine andere Option“.