Hamburg. Expertin des Bundes der Steuerzahler kritisiert, dass die Grunderwerbsteuer in Hamburg fast doppelt so hoch ist wie in München.

Sie war bis vor Kurzem Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler in Hamburg, ist nach wie vor dessen steuerpolitische Beraterin – und nicht nur deswegen eine ziemlich einmalige Frau. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Petra Ackmann über die Grundsteuerreform, die am Leben der Menschen vorbeigehe, eine Steuererhöhung in Hamburg, die sie nicht versteht – und über Steuern und Gerechtigkeit. Das komplette Gespräch hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Petra Ackmann (57) über…

… den Spaß an der Beschäftigung mit Steuern: „Wenn man einen Hang zu Zahlen und das Gefühl hat, dass man etwas von Zahlen versteht, dann liegt es nahe, sich mit Steuern zu befassen. Bei mir begann dieses Interesse schon in meiner Schulzeit im Matheunterricht. Ich mochte es, zu rechnen und eine Systematik hinter den Zahlen zu verstehen.“

… die Steuergesetze auf der Welt, die zu einem großen Teil in Deutsch verfasst sind: „80 Prozent der weltweiten Fachliteratur zu Steuern erscheint in deutscher Sprache. Wir Deutschen haben einen Hang dazu, unsere Gesetze bis in jedes Detail zu regeln, dass sie auch wirklich, wirklich, wirklich jedem Einzelfall gerecht werden. Was wiederum dem Gesamtsystem nicht zuträglich ist, weil es dadurch für den Laien extrem kompliziert und unübersichtlich wird. Wobei ich immer sage: Wenn man das System einmal verstanden hat, ist es eigentlich ganz einfach, dann muss man sich nur noch mit den Besonderheiten beschäftigen.  Aber seien wir ehrlich: Die meisten Dinge in unserem Leben sind heute doch so kompliziert, dass man sie am besten Fachleuten überlässt. Das beginnt mit dem Austausch einer Lampe beim Auto und endet bei der Steuererklärung.“

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Petra Ackmann: „Die Umsatzsteuer ist unsozial“

Entscheider treffen Haider - der Interview-Podcast

… Steuern und Gerechtigkeit: „Wir im Steuerrecht sagen nicht: Je mehr man verdient, desto mehr Steuern zahlt man. Sondern: Wer mehr verdient, kann auch mehr leisten. Breite Schultern tragen mehr. Ich glaube übrigens nicht, dass man dem Gerechtigkeitsempfinden der Deutschen damit Genüge tragen würde, wenn man einen einheitlichen Steuersatz für alle machen würde.“

… die unterschiedlichen Steuersätze: „Was den meisten Menschen gar nicht bewusst ist, ist, dass man nach einem Steuerfreibetrag von 14.000 Euro erst mal mit einem Steuersatz von 14 Prozent startet. Der steigt dann bis auf 42 Prozent ungefähr bei einem Jahreseinkommen von 52.000 Euro. Dann bleibt es bei diesem Steuersatz bis zu einem Einkommen von 250.000 Euro, bevor der Steuersatz von 45 Prozent gilt. Auf jeden Fall kann man kritisieren, dass derjenige, der 249.000 Euro verdient, den gleichen Steuersatz hat wie jemand, der fast 200.000 Euro weniger bekommt. Der Steuersatz von 42 Prozent beginnt aus meiner Sicht zu früh. Früher musste man dafür 120.000 Euro im Jahr verdienen, das wäre aus meiner Sicht auch heute gerecht.“

… die hohe Steuerlast und einen Staat, der sich mit Sparen schwertut: „Die Steuer- und Abgabenlast ist in Deutschland so hoch wie in kaum einem anderen OECD-Land, nur Belgien liegt noch vor uns. In diesem Jahr haben wir rein rechnerisch bis zum 11. Juli, dem Steuerzahlergedenktag, nur für den Staat gearbeitet. Das heißt: Wir lassen uns unseren Staat und seine Ausstattung ganz schön was kosten, mehr als die meisten anderen vergleichbaren Länder. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass bei zum Teil stark steigenden Steuereinnahmen die Ausgaben nicht im gleichen Verhältnis steigen. Die Frage, was wegkann und ob man nicht irgendwann auch mal Steuern reduzieren kann, anstatt immer wieder neue draufzupacken, wird in Deutschland viel zu wenig gestellt.“

… die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Hamburg: „Die Grunderwerbsteuer erhöht die Kosten beim Kauf oder dem Bau einer Wohnung in Hamburg erheblich. Wenn es in dieser Stadt Schwierigkeiten damit gibt, genügend günstige Wohnungen zu bauen, dann müsste die Grunderwerbsteuer aber gesenkt werden, um einen Anreiz zu schaffen. Zumal bundesweit ja darüber diskutiert wird, die Grunderwerbsteuer beim Kauf der ersten Immobilie komplett wegfallen zu lassen. Trotzdem hat der Senat diese Steuer Anfang des Jahres auf 5,5 Prozent erhöht. In München zahlt man etwa die Hälfte. Die Bayern verfolgen eine andere Politik und wollen mit der niedrigen Grunderwerbsteuer Menschen anlocken. Offensichtlich glaubt Hamburg, das nicht mehr nötig zu haben. Man hätte auch die Grundsteuerreform dazu nutzen können, die Kosten in diesem Bereich abzusenken. Auch das hat die Stadt leider nicht getan, und das ist ziemlich am Leben der Menschen vorbei.“

… die Umsatzsteuer, die alles andere als gerecht ist: „Die Umsatzsteuer ist extrem unsozial, weil sie jederzeit zahlt, egal, ob er oder sie 10.000 Euro oder eine Million Euro im Jahr verdient. Deshalb muss man immer ganz genau hinsehen, welche Produkte man wie besteuert. Wir haben das gerade erlebt bei den Heizkosten, die zwischenzeitlich mit sieben Prozent besteuert wurden, und jetzt wieder mit 19 Prozent. Das betrifft Menschen, die weniger verdienen, natürlich überproportional stark.“

… die Umsatzsteuer-Bürokratie und Betrügereien: „Wenn ein Tischler einem Apotheker ein Regal herstellt, passiert folgendes: Der Apotheker zahlt auf seine Rechnung Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent an den Tischler. Der muss diese 19 Prozent an das Finanzamt abführen, bei dem der Apotheker wiederum seine Umsatzsteuer zurückverlangen kann. Das haben wir in der Europäischen Union besser geregelt. Dort kann man über eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nachweisen, dass man Unternehmer ist, und kann dann steuerfrei einkaufen. Das macht das Prozedere deutlich einfacher als es bei uns ist – siehe oben. Wir würden sehr viel bürokratische Schritte abbauen, was die Politik ja andauernd verspricht; und wir würden auch den Betrug mit Umsatzsteuer, die nie gezahlt wurde, reduzieren, der allein im vergangenen Jahr für einen Schaden von 35 Milliarden Euro gesorgt hat. Wenn wir davon ausgehen, dass der Mensch bereit ist, gern in die eigene Tasche zu wirtschaften, dann bietet das Steuerrecht an diesem Punkt und vielen anderen dazu leider Gelegenheit.“

Entscheider treffen Haider

… zur mangelnden Digitalisierung: „Moderne Staaten, zum Beispiel im Baltikum, haben ein elektronisches Bürgerkonto, über das der Staat mit Privatpersonen kommuniziert. So etwas haben wir in Deutschland bislang nicht hinbekommen. Wir sind als Gesellschaft leider nicht schnell genug, wir sind viel zu behäbig – und wenn dann mal etwas in Sachen Digitalisierung passiert, siehe Umstellung der Tickets im HVV, ist die Aufregung in Teilen der Bevölkerung groß. Wenn wir modern und schnell sein wollen, müssen wir irgendwann mal Wege finden, wie das für alle und barrierefrei geht.“

… Frauen unter Steuerfachleuten: „Ich war bundesweit die einzige Frau an der Spitze eines Landesverbandes des Bundes der Steuerzahler. Bei den Steuerfachangestellten sind die Frauen in der Überzahl. Bei den Steuerberatern sind dagegen 70 Prozent Männer, an der Spitze kommen die Frauen also dort auch nicht an.“