Hamburg. Illegale Bewaffnung, vor allem im Drogenmilieu, nimmt stetig zu. Auch der Ukraine-Krieg spielt eine Rolle. Große Anfrage der CDU.
Mit einer Großen Anfrage will die HamburgerCDU dem Thema Waffen auf den Grund gehen. Dabei interessiert die Abgeordneten besonders die Entwicklung und die Bekämpfung der illegalen Schusswaffen, die in der Regel in den Händen von Kriminellen sind.
Für Jan Reinecke, Landeschef des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Hamburg, kommt die Anfrage zur richtigen Zeit. Gerade die EncroChat-Ermittlungen, die einen Blick in den illegalen Handel mit Drogen und Waffen zuließen, hätten gezeigt, wie groß die Verfügbarkeit an illegalen Waffen in Hamburg tatsächlich ist.
Schießereien in Hamburg zeigen neue Dimension der Gewalt
„Wie der entsetzliche Amoklauf in Alsterdorf Anfang März auf traurige Weise zeigte, sind Waffen in den Händen der falschen Personen eine große Gefahr“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator (CDU). „Auch wenn Philipp F. für diese sogar eine Waffenerlaubnis besaß, mehren sich die Hinweise auf immer mehr illegale Waffen in Hamburg. Die Schießereien in der Fischbeker Heide, in Tonndorf oder Osdorf zeigen, dass die Verteilungskämpfe im Hamburger Drogenmilieu eine neue Dimension der Gewalt erreicht haben.“
Das sieht auch Reinecke so: „Wer Zugang ins entsprechende Milieu hat und eine Schusswaffe benötigt, bekommt diese sehr schnell eingekauft. Einfache Pistolen werden bereits zwischen 1000 und 3000 Euro auf dem Schwarzmarkt gehandelt.“ Reinecke befürchtet, dass der illegale Waffenhandel bald eine ganz neue Dimension bekommt. „Ein Großteil der heute von der Polizei sichergestellten, illegalen Waffen stammt aus dem ehemaligen Staatsgebiet Jugoslawiens. Diese Waffen dürften dort insbesondere durch den damaligen Krieg aus staatlicher Kontrolle geraten sein“, sagt der Kriminalist.
Polizei Hamburg: BDK befürchtet Flut an illegalen Waffen
Man müsse damit rechnen, dass auch der aktuelle Krieg in der Ukraine für den Handel illegaler Waffen in Deutschland erhebliche Folgen haben wird. Reinecke: „Es ist zu erwarten, dass hier zahlreiche Schusswaffen, die dort in den Kriegswirren außer Kontrolle geraten sind, in Zukunft auch hier illegal angeboten werden.“
Einen Schwerpunkt bei der Großen Anfrage legt die CDU auf die Ressourcen bei der Bekämpfung illegaler Waffen. „Um das Risiko für Leib und Leben der Bevölkerung und der eingesetzten Polizeibeamten zu verringern, ist es unerlässlich, dass die Polizei über ausreichend Personal verfügt, um Strukturen im Milieu nachhaltig aufzudecken und illegale Waffen schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen,“ so Gladiator.
Durch EncroChat-Ermittlungen schwunghafter Handel mit Waffen dokumentiert
Tatsächlich zielen auch mehr als ein dutzend Fragen auf die Ausstattung und Erfahrungen der Staatsschutzabteilung – dem LKA 7 –, in dessen Ressort auch die Waffen- und Sprengstoffermittlungen fallen. Im Rahmen der EncroChat-Ermittlungen, deren Grundlage von französischen und belgischen Ermittlungsbehörden entschlüsselte Chatverläufe in einer Art „Verbrecher-WhatsApp“ waren, stießen die Ermittler nicht nur auf den Handel mit bis dahin nicht für möglich gehaltenen Mengen Rauschgift. Es wurde so auch immer wieder ein schwunghafter Handel mit Schusswaffen dokumentiert.
Dass die Täter auch tatsächlich solche Waffen haben und offenbar bereit sind diese einzusetzen, zeigte erst ein kürzlich durchgeführter Einsatz gegen einen Drogendealer. Als Hamburger Polizisten seine Wohnung stürmten, griff er zu einer auf dem Nachttisch liegenden Handfeuerwaffe – allerdings wollte er die Pistole nicht gegen die Polizisten einsetzen, sondern in letzter Sekunde aus dem Fenster werfen.
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Mit Waffen gedroht: Zahl der Delikte in Hamburg um 11,3 Prozent gestiegen
„Das ist ein Einsatz, der schnell hätte schief gehen können“, so ein Beamter. „Schusswaffen, womöglich Kriegswaffen in den Händen von Gangstern, sind eine enorme Gefahr für Polizistinnen und Polizisten – einerseits bei gezielten Ermittlungen gegen solche Kriminellen, aber auch in Alltagssituationen, wie Verkehrskontrollen“, sagt Reinecke.
Tatsächlich war der zuletzt in Hamburg im Dienst durch eine Schusswaffe getöteter Polizist ein Beamter der Wache Bergedorf, der einen Autofahrer kontrollieren wollte. Dieser – ein ehemaliger Fremdenlegionär – hatte den Beamten daraufhin unvermittelt erschossen. „Wir müssen hier drohenden Entwicklungen gegensteuern“, sagt Reinecke. „Die illegale Bewaffnung, insbesondere im Rauschgiftmilieu, nimmt nach Gefühl der Hamburger Ermittlerinnen und Ermittler stetig zu.“
Tatsächlich ist die Zahl der Delikte, bei denen im vergangenen Jahr mit Waffen gedroht wurde, in Hamburg um 11,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 118 Fälle gestiegen. Die Zahl der Taten, bei denen auch geschossen wurde, ging dagegen um 13,4 Prozent auf 84 zurück. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 896 Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und sieben Verfahren wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz eingeleitet.