Hamburg. Gewerkschaft schätzt Zahl der Streikenden auf bis zu 1200. Warnstreikgewinner sind Taxis und Moia. Der Überblick.
Streik beim wichtigsten Teil des HVV: Seit 3 Uhr am Mittwochmorgen haben die Mitarbeiter der Hochbahn die Arbeit niedergelegt – ein 24 Stunden langer Totalausfall von Bussen und U-Bahnen. Erst am Donnerstag soll alles wieder nach (Fahr) Plan laufen, so die Hochbahn am Mittag.
Die S-Bahn Hamburg hatte angekündigt, die Verstärkerlinie S11 ganztägig zwischen Ohlsdorf und dem Berliner Tor einzusetzen, betonte jedoch gleichzeitig, dass man die wegfallenden Kapazitäten nicht ausgleichen könne. Die Hochbahn empfahl darüber hinaus, auf Buslinien der nicht bestreikten VHH auszuweichen.
HVV: Streik bei der Hochbahn – verfolgen Sie hier die Entwicklungen:
- Tatsächlich Totalausfall: So plant die Hochbahn jetzt
- Bücherbus: Ein Bus, aber leider nicht für Fahrgäste
- Ver.di: Bis zu 1200 streikende Hochbahn-Mitarbeiter
- Warnstreikgewinner Taxi: Fast ein Drittel mehr Fahrten
- Fahrgäste auf der Suche nach Alternativen
- Lichtblick am Lattenkamp: eine einsame Buslinie
- Klimaschützer solidarisieren sich mit Streikenden
- Moia verzeichnet deutliches Umsatzplus im Streik
- Robbie Williams: Barclays Arena warnt Konzertbesucher
- Warnstreik beschert U-Bahn-Kiosk dramatische Verluste
- Hunderte streiken – andere fürchten Nachteile
- Viel Betrieb bei der S-Bahn – Stau-Situation fast normal
- Hochbahn wird bestreikt: Darum geht es
- Keine U-Bahnen – aber auch keine Maskenpflicht mehr
- Schulbehörde: Kinder können zuhause bleiben
- "Wir gehen davon aus, dass gar nichts mehr fährt"
- Was fährt – und was nicht fährt
Tatsächlich Totalausfall: So plant die Hochbahn jetzt
Keine U-Bahnen, keine Busse: Der Streik der Hochbahn-Mitarbeiter hat das Verkehrsunternehmen komplett lahmgelegt. Laut Sprecher Christoph Kreienbaum plant man die Wiederaufnahme des Betriebs erst ab 3 Uhr am Donnerstagmorgen, wenn der Ausstand offiziell beendet ist. Die U-Bahnen würden mit Betriebsbeginn wieder nach Fahrplan verkehren, bei den Hochbahn-Bussen geht er von einem Betrieb nach Plan spätestens am 6 Uhr morgens aus.
Kreienbaum erneuerte die Kritik des Unternehmens am Warnstreik: „Angesichts der massiven Auswirkungen auf unsere Fahrgäste, des aus unserer Sicht guten Angebots und der für morgen schon vereinbarten 3. Verhandlungsrunde fehlt uns für diesen Streik das Verständnis.“ Die Tarifkommission der Gewerkschaft Ver.di hatte das letzte Angebot der Arbeitnehmerseite einstimmig abgelehnt.
Bücherbus: Ein Bus, aber leider nicht für Fahrgäste
Die Bücherhallen Hamburg weisen in einem Tweet darauf hin, dass ihre Bücherbusse leider nicht zum Transport von Fahrgästen gedacht/geeignet sind. Anscheinend hatten Fahrgäste versucht, die fahrenden Bibliotheken als Ersatzverkehr zu nutzen.
Ver.di: Bis zu 1200 Streikende
Schon in der Frühschicht hatte die Gewerkschaft Ver.di die Zahl der Streikenden auf 500-600 geschätzt. Bis zum Mittag habe sich diese "schätzungsweise verdoppelt", so Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck auf Abendblatt-Anfrage.
Warnstreikgewinner Taxi: Fast ein Drittel mehr Fahrten
Ein Gewinner des heutigen Warnstreiks sind in Sachen Umsatz die Taxi-Unternehmen, da sich viele Pendler, Hamburger und Reisende chauffieren ließen. Das bestätigt Thomas Lohse, Vorstand Hansa-Taxi: „Aktuell brummt unser Geschäft. Wir sind rund 30 Prozent mehr Touren gefahren im Vergleich zu anderen Tagen.“
Glücklich waren diejenigen, die überhaupt per Telefon durchkamen. „Rund 15 Prozent mehr Autos von Hansa-Taxi, Autoruf, 6x6 und Das Taxi sind im Einsatz“, erklärte Lohse. So hatte das Unternehmen auf den Komplettausfall des HVV reagiert. Die Kehrseite der Medaille: Das Aufkommen an Fahrgästen war so groß, dass manch einer in der Warteschleife festhing.
Fahrgäste auf der Suche nach Alternativen: StadtRad im Regen
Regen und Wind, klamme Hände und ein nasses Handy-Display – nicht die besten Voraussetzungen, um sich erstmalig ein StadtRad zu leihen. Doch so ging es einigen, darunter zwei Frauen, die auf die letzten beiden Räder an der U-Bahn Station Lattenkamp setzten. Einer gelang es schließlich, den Mechanismus zu entsperren. „Die Alternative wäre, dass ich eine Stunde bis zur Christuskirche laufe.“ Die andere gab genervt auf, da ihr Kleinkind zwischenzeitlich mehr Gefallen an den riesigen Pfützen denn dem geduldigen Warten entwickelte.
Auch am Winterhuder Marktplatz schauten sich einige an den Bushaltestellen ratlos um. „Ich weiß jetzt auch, das heute nichts mehr fährt, aber leider ist es auch aussichtslos, ein Taxi zu bekommen“, sagte ein Mann mit Handy am Ohr. Über ihm lief durch die digitale Anzeige immer wieder der Satz: „Heute Warnstreik von ver.di bei der Hochbahn: Alle Busse und U-Bahnen fallen ganztägig aus.“
Lichtblick am Lattenkamp: eine einsame Buslinie
Ein kleiner Lichtblick am trüben Morgen war im Norden der Stadt jedenfalls die Buslinie 281, die – da sie zum VHH gehört – regulär fuhr und damit auch als einzige Möglichkeit der Weiterfahrt an der Haltestelle Lattenkamp angezeigt wurde. Felix Weiss nutze sie, um zur Arbeit zur gelangen: „Ich fahre jetzt bis Hagenbecks Tierpark, steige dann in die Linie 22 um, damit ich nach Schnelsen komme. Dann geht es mit der S-Bahn weiter bis Königsstraße“, erklärt der Winterhuder.
Rund zwanzig Minuten mehr müsse er laut HVV-App einplanen. „Gestern Abend ist die App zwar immer wieder zusammen gebrochen, aber glücklicherweise wurden da die möglichen Wege angezeigt.“ Seit 15 Jahren sei er im Besitz einer Abo-Karte und findet die Warnstreik-Situation „sehr unglücklich“ gelöst. „Öffentlicher Dienst und Streik? Da habe ich nicht so viel Verständnis, denn die Auswirkungen treffen die Falschen.“
Dazu hätte er sich gewünscht, früher davon zu wissen, da er für einen Homeoffice-Tag mehr Vorbereitungszeit benötigt hätte. Den Heimweg plant er übrigens auch mit VHH und S-Bahn, „aber im Notfall steige ich auf ein Taxi um“.
Klimaschützer solidarisieren sich mit Streikenden
Die Klimaschützer der Organisation Extinction Rebellion solidarisieren sich mit den Streikenden: Die Belegschaft sei "systemrelevant und unsere Zukunft", hieß es in einem Tweet.
Moia verzeichnet deutliches Umsatzplus im Streik
Zahlreiche Hochbahn-Kunden weichen wegen des Streiks auf den Fahrdienst Moia aus. „Wir verzeichnen heute seit Betriebsstart eine deutlich höhere Nachfrage. Wir tun, was wir können, um kurzfristig mehr Fahrzeuge als geplant auf die Straße zu schicken und so möglichst viele der Fahrtanfragen bedienen zu können“, sagte eine Sprecherin dem Abendblatt.
Die große Nachfrage führt bei Moia zu höheren Preisen: Eine Fahrt von Niendorf nach Eimsbüttel, die am Dienstag noch weniger als 10 Euro kostete, schlägt als Vorbestellung für den Mittwochabend mit knapp 13 Euro zu Buche.
Robbie Williams: Barclays Arena warnt Konzertbesucher
Wer ein Ticket für das erste von drei ausverkauften Konzerten des britischen Popstars Robbie Williams ergattern konnte, sollte den Streik im Auge behalten: Zwar fahren die S-Bahnen nach Plan, die Barclays Arena befürchtet aber auch auf der Straße Verzögerungen bei der An- un Abreise.
Warnstreik beschert U-Bahn-Kiosk dramatische Verluste
Jetzt schon knapp 1000 Euro Einbußen verzeichnet Angelique Anders, 35. Seit 2015 verkauft sie als Geschäftsführerin des Shops U Store im Erdgeschoss der U-Bahn-Station Lattenkamp an die Winterhuder Pendler morgens Kaffee und belegte Brötchen. Heute hat sie in den drei Stunden seit der Öffnung um 6 Uhr erst 2 Kannen Kaffee aufgesetzt, sonst "läuft jetzt schon Nummer 6 durch", sagt sie.
Sonst habe sie an die Stammkunden bereits die dreifache Menge an Donuts und Schokocroissants ausgegeben. Auch ihre Mutter, die sie sonst ab 3 Uhr morgens beim Brötchen aufbacken und schmieren unterstützt, blieb heute zu Hause. "Wie hätte sie ohne Auto zurück nach Bergedorf kommen sollen?"
Viele ihrer Kunden hatten sich gestern schon mit den Worten "bis Donnerstag" verabschiedet und angekündigt, ins Homeoffice zu gehen.
Da sie auch HVV-Fahrkarten verkauft, kennt Anders sich bestens mit Verbindungen aus und weist alle, die in ihren U Store kommen auf die noch fahrende Linie 281 hin – diese wird von der VHH betrieben und ist nicht vom Streik betroffen.
Hunderte streiken – andere fürchten Nachteile
Schon am frühen Morgen haben sich laut Ver.di 500-600 Mitarbeiter der Hochbahn am Warnstreik beteiligt. Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck geht davon aus, dass sich die Zahl deutlich steigern werde, da bisher nur die Früh- und Morgendienstler dabei seien.
Zum Umgang anderer Unternehmen mit den Auswirkungen des Warnstreiks hört man ganz gegensätzliche Aussagen: Während einige davon berichten, dass ihr Arbeitgeber für heute Homeoffice empfohlen habe, sagen andere, dass etwaige Verspätungen der Mitarbeiter als Minusstunden notiert würden, da die Maßnahmen vorher angekündigt worden seien.
Der Chef der Hanse Textilreinigung an der Hoheluftchaussee muss den Laden heute allein schmeißen. "Mein Mitarbeiter wohnt in Harburg und hat kein Auto. Der konnte heute nicht zur Arbeit kommen." Und zum Kinderarzt konnte seine Frau auch nicht. Die Kinderärztin ist in Schenefeld. Der Chef der Reinigung lebt in Lokstedt und hatte am Dienstagabend extra ein Taxi für heute morgen vorbestellt. "Das kam nicht und in der Taxizentrale ist heute niemand telefonisch erreichbar."
Viel Betrieb bei der S-Bahn – Straßen etwas voller als sonst
Die meisten Fahrgäste am Bahnhof Barmbek wissen um den Streik und gehen direkt zu den Gleisen der S-Bahn. Die wenigen, die nichts davon mitbekommen haben, werden von Mitarbeitern der Hochbahn-Wache darüber informiert und an die S-Bahn weiterverwiesen. Dort herrscht entsprechend großer Andrang. Anders vor der Haltestelle: Der Busbereich ist verwaist, am Mittwoch kommt dort niemand an oder fährt ab.
Marsela M. ist etwas verzweifelt. Die Reinigungskraft wollte vom Bahnhof Barmbek mit der U3 zur Hoheluftbrücke fahren, dort in der Nähe ist ihr Arbeitsplatz. Vom Streik wusste sie nichts: "Ich habe keine Ahnung, wie ich jetzt zu meinem Ziel kommen soll, ein S-Bahnhof ist dort nicht in der Nähe." Auch Adrian Kamp hatte vorher nichts vom Streik erfahren. Der Frankfurter ist geschäftlich in der Stadt, wollte aus Barmbek zur Otto-Zentrale fahren: „Ich muss mir jetzt eine Alternative überlegen und mir ein Uber oder ein Taxi organisieren.“
Auf den Straßen ist ebenfalls etwas mehr los als sonst – das sei aber aller Wahrscheinlichkeit nicht nur auf den Streik zurückzuführen, so die Verkehrsleitzentrale. Das schlechte Wetter trage sicher ebenfalls einen Teil dazu bei, dass mehr Leute als sonst mit dem Auto unterwegs seien.
Hochbahn wird bestreikt: Darum geht es
Konkret fordert Ver.di eine Erhöhung aller Entgelte um 600 Euro, darüber hinaus sollen alle Auszubildenden ein kostenloses ProfiTicket sowie 258 Euro mehr erhalten. Die Gewerkschaft will eine Laufzeit von zwölf Monaten durchsetzen.
Die Arbeitgeberseite hatte zuletzt eine Erhöhung der Entgelte um 4,5 Prozent (mindestens 150 Euro) rückwirkend zum 1. Januar und eine weitere Erhöhung um 130 Euro zum 1. Januar 2024 sowie eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro angeboten – das Ganze bei einer Laufzeit von 21 Monaten. Die Ver.di-Tarifkommission hatte dieses Angebot einstimmig abgelehnt.
Schon am Donnerstag treffen sich beide Seiten zur nächsten Verhandlungsrunde. Auch wegen des kurzen zeitlichen Abstandes hatte die Hochbahn den Warnstreik "nicht nachvollziehbar" genannt.
Keine U-Bahnen – aber auch keine Maskenpflicht mehr
Nicht nur der Streik prägt den Tag im öffentlichen Nahverkehr in Hamburg: Heute ist auch die im September 2020 eingeführte Maskenpflicht in Bus und Bahn weggefallen. Die Entwicklung von Inzidenz und Hospitalisierungsrate machten die Erleichterung möglich, Senatssprecher Marcel Schweitzer sprach von einer "historischen Nacht".
Damit gilt jetzt nur noch im Süden des Tarifgebiets die Verpflichtung zum Tragen einer Maske in Fahrzeugen des HVV, und das auch nur noch kurz: In Niedersachsen endet die Maskenpflicht morgen, am 2. Februar.
Schulbehörde: Kinder können zuhause bleiben
Wegen des ganztägigen Streiks bei der Hochbahn hat die Schulbehörde Eltern freigestellt, ihre Kinder am Mittwoch vom Schulbesuch abzumelden, "wenn der Schulweg unzumutbar ist".
Auf Twitter, wo die Mitteilung eine halbe Stunde vor Mitternacht verbreitet wurde, gab es Kritik an der Kurzfristigkeit der Entscheidung: "Familien brauchen auch etwas Planungssicherheit. Und die Schulen übrigens auch. Setzen, 6, liebe BSB."
Ver.di: "Wir gehen davon aus, dass gar nichts mehr fährt"
Wie angekündigt sind Beschäftigte der Hochbahn am frühen Mittwochmorgen in einen 24-stündigen Warnstreik getreten. Seit 3.00 Uhr fahren in Hamburg U-Bahnen und Hochbahn-Busse nicht mehr, wie Verdi-Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck am frühen Morgen sagte. „Wir gehen davon aus, dass gar nichts mehr fährt.“
Die Hochbahn bestätigte, dass man den Betrieb nicht aufgenommen habe: "Es fahren derzeit keine U-Bahnen und Hochbahn-Busse", hieß es in einer Mitteilung vom frühen Morgen. Es wird von einem ganztägigen Totalausfall ausgegangen, ein Notbetrieb ist vonseiten der Hochbahn nicht geplant – aus Sicherheitsgründen, um überfüllte Bahnen und Bahnsteige zu vermeiden, wie es hieß.
HVV Streik: Was fährt – und was nicht
Die Hochbahn empfiehlt, auf die S-Bahn oder die Busse der VHH umzusteigen. Beide sind nicht vom Streik betroffen. Auch die Hafenfähren der HADAG und weitere Buslinien in der Metropolregion sind nicht betroffen, sofern sie nicht von der Hochbahn betrieben werden.
Bei der S-Bahn arbeitete man seit Dienstagnachmittag mit Hochdruck daran, die wegen einer abgesackten Stützwand zwischen Altona und Eidelstedt unterbrochenen Linien S21 und S3 wieder in Betrieb zu bringen. Gegen 0.30 Uhr waren die Arbeiten abgeschlossen.
Auffangen kann die S-Bahn den Wegfall von U-Bahnen und Bussen aber trotzdem nicht: „Es gibt schlicht keine Waggons und kein Personal, die den Ausfall ausgleichen könnten“, so S-Bahn Sprecher Rainer Vohl. Deshalb rät auch die S-Bahn allen Hamburgerinnen und Hamburgern, denen es möglich ist, zu Hause zu bleiben oder auf alternative Verkehrsmittel auszuweichen. Auch die VHH kann "aus Kapazitätsgründen" den Betrieb nicht verstärken.
Die vier U-Bahn- und 119 Buslinien der Hochbahn (darunter so wichtige wie der Metrobus 5) werden aller Wahrscheinlichkeit nicht oder nur mit sehr großen Einschränkungen verkehren.