Hamburg. Zu viele Aufgaben und Termine – darunter leiden immer mehr Menschen. Nadine Meier weiß, wie man seinen Alltag strukturiert.
Da steht er, der Wäschekorb. Nadine Meier guckt immer wieder hin. Kurz muss sie sich zusammenreißen, die Kleidung nicht selbst zusammenzulegen. Aber nein, sie macht es nicht, stattdessen geht sie in die Küche und macht sich in Ruhe etwas zu Essen. Es ist ihre Mittagspause – und die Wäsche in dieser Woche Aufgabe ihres Mannes.
„Aufgaben abzugeben ist zu Beginn nicht leicht“, sagt Nadine Meier. „Das muss man lernen – genauso, es auszuhalten, bis der andere es erledigt.“ Der Wäschekorb ist dabei natürlich nur die Spitze des Eisberges. In einem Familienhaushalt gibt es täglich eine endlose Liste an zu erledigenden Aufgaben, die einen ständig fordert – und oft auch überfordert.
Mental Load – wie vor allem Frauen mehr „Me Time“ bekommen
Da geht es nicht nur um Wäschewaschen, Einkaufen, Kochen, Staubsaugen und Kloputzen. Es geht um den nächsten Zahnarzttermin, ein Schulprojekt, Geschenke für einen Kindergeburtstag, Elternabende, Fußballturniere, gepackte Brotdosen, Ausflugsvorbereitungen, Handwerkertermine, Steuererklärung, und dann gibt ja schließlich noch einen anderen Haufen Arbeit – den Job. Man weiß nicht, was man zuerst machen soll, der Kopf ist voll.
Ein Zustand, der heutzutage so viele betrifft, dass es zumindest schon mal die entsprechende Bezeichnung dafür gibt: Mental Load. Diejenigen, die besonders häufig darunter leiden, sind laut Nadine Meier vor allem Mütter mit jüngeren Kindern. „Es ist einfach immer noch so: Die Frauen machen es“, sagt die 38-Jährige. „Heute wird viel mehr von den Frauen gefordert, und sie wollen mehr als nur für die Kinder da sein – sich selbst verwirklichen, auf eigenen Beinen stehen, Träume leben. Und trotzdem sind die Rollen viel zu oft noch dieselben wie früher.“
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Meier ist Ordnungscoach – mit der Spezialisierung auf Unordnung im Kopf
Natürlich gibt es auch Männer und Väter, die sich um all das kümmern und den Haushalt schmeißen, doch zu Nadine Meier kommen halt nach wie vor Frauen. Meier ist Ordnungscoach – mit der Spezialisierung auf Unordnung im Kopf. Denn in diesem Bereich hänge alles zusammen: „Innere Ordnung geht nicht ohne äußere Ordnung“, sagt Meier, die lange als Führungskraft in einem großen Versicherungsunternehmen gearbeitet hat, bevor sie sich mit „OrderMe“ selbstständig machte.
Ihre Überzeugung: Wer sein Zuhause und seinen Arbeitsplatz strukturiert, Besitz reduziert und an festen Plätzen ablegt, könne seinem Gehirn zu Hause Pausen gönnen, erhalte Klarheit – und geordnete Gedanken.
Nadine Meier startet mit der Persönlichkeitsentwicklung
Der Schwerpunkt liegt dabei aber nicht auf einer aufgeräumten Wohnung, sondern auf einem aufgeräumten Menschen. Ordnungscoachings können generell etwas von einer Therapiestunde haben, Nadine Meier startet direkt mit der Persönlichkeitsentwicklung.
Dafür hat die Mutter einer acht Jahre alten Tochter und eines vier Jahre alten Sohnes selbst Coachings und Weiterbildungen gemacht, unter anderem ist sie heute masterakkreditierte „Insights MDI-Beraterin“, kann also Talente ihrer Kunden erkennen und Potenziale entwickeln, und nutzt als „Wingwave-Coach“ eine Methode, mit der Leistungsstress abgebaut und Kreativität, mentale Fitness und Konfliktstabilität gesteigert werden sollen. Daraus hat Meier ihr eigenes Instrument entwickelt, die „PRO“-Methode.
Klingt alles sehr kopflastig, doch um den geht es schließlich auch. Am Ende soll das Ganze aber keine Theorie bleiben, sondern in der Praxis umgesetzt werden, heißt: im Familienalltag.
Das Phänomen des „aneinander Vorbeiredens“ gibt es wirklich
„Das P in meiner Methode steht für die Persönlichkeit“, sagt Nadine Meier. „Wer bin ich, was brauche ich – und wie kommuniziere ich das richtig?“ Alle Vorhaben nützten nichts, wenn die anderen Familienmitglieder nicht mitziehen würden. Doch dafür müssten sie auch wissen, was von ihnen erwartet werde. Wenn der Mann auch in der größten Unordnung im Sessel sitzen und ein Buch lesen könne, die Frau aber nur das Chaos hinter den Seitenrändern sehe, dann müsse sie das klar sagen. Und zwar so – kleiner Exkurs in Sachen allgemeiner Verständigung –, dass es beim Mann auch ankommt. Meier analysiert darum auch immer die einzelnen Kommunikationstypen. Das Phänomen des „aneinander Vorbeiredens“ gebe es wirklich, denn je nach Typus brauche eine Person eine andere Ansprache.
Zweiter Schritt: R wie Reduzieren. „Hier geht es um die Frage, was ich besitzen möchte“, sagt Nadine Meier. „Die Wohnung ist nicht nur ein Abstellraum, sie soll ein Wohlfühlort sein.“ Dazu gehöre auch, bewusster mit den Dingen zu leben und zu konsumieren. „Oft weiß man doch gar nicht mehr, was in dem bestellten Paket ist, wenn der Postbote schon wieder klingelt“, sagt Meier.
Das Gehirn ist ständig auf Standby – gefährlich für die Gesundheit
Gleichzeitig gehe es darum, Aufgaben und den Terminkalender zu reduzieren. Zu gucken, was wirklich erledigt werden müsse und was nicht, sowohl privat als auch im Job – und vor allem auch, was man abgeben könne. „Viele Frauen neigen dazu, alles selbst zu machen, statt Aufgaben zu verteilen. Das Gehirn ist ständig auf Standby, ein für die Gesundheit gefährlicher Faktor. Dabei gibt ein guter Manager auch ab – und der wird, anders als Mental Load, bezahlt“, sagt die Expertin, die nach einem kostenlosen Erstgespräch 139 Euro die Stunde für die Ordnungsberatung und ab 150 Euro für ein Mental- und Persönlichkeitsentwicklungs-Coaching im privaten Segment nimmt.
Vor allem Mütter, die aus der Elternzeit kommen, fiele es aber schwer, plötzlich nicht mehr alles selbst zu machen. Und ihren Männern Zeit zu geben, sich erstmal umzugewöhnen, mehr mit anzupacken. Auch hier gehe es wieder ums Loslassen, um Vertrauen und die richtige Kommunikation. Doch auch Kinder könne man schon früh mit einbinden, am besten mit festen Routinen: Jeden Abend schon mal den Tisch fürs morgendliche Müsli decken oder immer erstmal den Ranzen ausräumen, bevor gespielt wird. Und bevor Mama es macht.
Wenn die Männer diese Liste sehen, fällt ihnen die Kinnlade runter
„Ich rate meinen Kundinnen, einmal alles aufzuschreiben, was sie in einer Woche machen, und zwar bis ins Detail“, sagt Nadine Meier. Also nicht nur den Termin für einen Kindergeburtstag notieren, sondern auch die ausgetauschten WhatsApps mit anderen Eltern über das Geschenk, das Besorgen und Einpacken, das Organisieren von Hin- und Rückweg. Häufig seien dem Mann diese „Zwischenschritte“ nicht bekannt, da die Frau diese Aufgaben lieber schnell selbst erledigt, bevor sie sich lange erklären muss. „Wenn die Männer diese Liste sehen, fällt vielen die Kinnlade runter.“
Nadine Meier und ihr Mann – selbst Führungskräftetrainer und Coach – setzen sich einmal die Woche zusammen hin, um die kommende zu planen. „Da listen wir alle Termine und Aufgaben auf und gucken, wer was übernehmen kann, wobei wir Hilfe benötigen oder was wir gegebenenfalls absagen oder verlegen müssen, da es in der Woche einfach nicht reinpasst“, sagt die Expertin, die mit ihrer Familie in Winterhude lebt.
Andere Eltern schämen sich für ihre Unordnung
Nach dem Reduzieren geht es ans O, das Ordnen. Entscheidend hierbei: Alle Dinge im Haus bekommen einen festen Platz. „Gerne mit stilvollen Ordnungshelfern wie schönen Kisten und Körben“, sagt Nadine Meier, die dazu rät, beim Verlassen eines Raumes immer alles mitzunehmen, was dort nicht reingehört und es an den richtigen Platz zu stellen. Wenn das nicht klappe, solle man es zumindest in einen Sammelkorb legen und diesen am Abend aussortieren. Dabei helfe es, die Orte zu beschriften oder, bei den Kindersachen, mit einem gemalten Schild zu versehen.
„Wichtig ist aber: Jede Ordnung ist individuell und muss zum Familienalltag passen“, sagt Meier. „Ich sollte mich da nicht mit anderen vergleichen, ob im Freundeskreis oder in den sozialen Medien.“ Das sei etwas, was gerade Frauen viel zu oft täten, findet die 38-Jährige, die erzählt, das Bekannte plötzlich nicht mehr zum Spielbesuch mit ihren kleinen Kindern kommen mochten, weil sie sich von der Ordnung im Hause Meier unter Druck gesetzt fühlten und sich für ihr Zuhause geschämt hätten. Auch dagegen möchte Nadine Meier mit ihren Coachings anarbeiten.
Mehr „Me Time“ statt Mental Load – das ist das Ziel
Das neue Selbstbewusstsein solle sich dann auch in der neuen Ordnung im Terminkalender widerspiegeln, in Form von mehr „Me-Time“, also Zeit für sich selbst. Die brauche einen festen Platz. Auch wenn es zu Beginn nur eine Joggingrunde in der Mittagspause ist – auf jeden Fall besser als die Wäsche machen.
Weitere Informationen unter orderme-now.de