Hamburg. Hamburger Aufräumcoach verrät, wie man mit geerbten Dingen umgeht und warum man schon zu Lebzeiten einen „Todesputz“ machen sollte.
Auszumisten und sich von Dingen zu trennen, fällt vielen Menschen ohnehin nicht leicht. Wenn es dann noch um Gegenstände geht, die gar nicht einem selbst, sondern einem lieben Menschen gehört haben, wird die Sache umso schwieriger. Wer einen Nachlass, zum Beispiel nach dem Tod der Eltern, ordnen muss, für den bekommt der Begriff „Loslassen“ eine neue Bedeutung. Man nimmt mit den Dingen auch Abschied von dem Menschen.
„Das Haus eines Verstorbenen auszuräumen ist praktische Trauerarbeit“, sagt Julia Lüdemann. „Man taucht noch einmal in das Leben des anderen Menschen ein, und bei aller Trauer ist das Aufräumen mit einem befreienden Gefühl verbunden.“
Erbe: Aufräumen nach dem Tod – viel Zeit lassen
Und genau darauf hat die 46-Jährige sich spezialisiert: Aufräumberatung für Trauernde. Dafür hat sie sich im Lotsenhaus von Hamburg Leuchtfeuer als Trauerbegleiterin ausbilden lassen. Die gelernte Buchhändlerin und studierte Verlagswirtin, die lange in einem Schulbuchverlag gearbeitet hat, unterstützt heute Menschen beim Aussortieren nach einem Todesfall, aber auch nach einer Trennung, dem Auszug der Kinder oder vor dem Umzug in eine kleinere Wohnung oder in ein Altenheim.
Nachlässe stehen ihren Kunden aber in der Regel am meisten bevor. Wie ein großer Berg, bei dem man nicht weiß, wie man ihn bewältigen soll. Julia Lüdemann rät darum, als erstes einen Zeitplan zu machen – und sich so viel Zeit wie möglich zu lassen. Gerne auch mehrere Monate, wenn es sich nicht um eine Wohnung handelt, die schnell geräumt und wieder vermietet werden muss.
Aufräumen nach einem Todesfall – Erinnerungsstücke raussuchen
Zweiter Schritt: Alle Beteiligten, also die anderen Verwandten und eventuell enge Vertraute, mit ins Boot holen. „Jeder sollte die Möglichkeit bekommen, zu entscheiden, ob er Dinge behalten möchte“, sagt Lüdemann. Das sei ganz wichtig, auch, um später Streit zu vermeiden. Denn so ein Prozess sei auch immer eine Quelle für Auseinandersetzungen.
Sich Erinnerungsstücke rauszusuchen, Dinge, die mit schönen Erlebnissen verbunden sind und einem Kraft geben, dazu würde sie immer raten, so die Expertin, die ihre Aufräumberatung „Klar Schiff machen“ 2014 gegründet hat. Anders sei es mit Gegenständen, bei denen die Nachfahren meinen, moralisch dazu verpflichtet zu sein, diese behalten zu müssen. „Keiner muss sich die Eichenholzschrankwand ins eigene Wohnzimmer stellen, nur weil diese teuer war und die Mutter sie zu Lebzeiten so gemocht hat“, so Lüdemann, die ihren Kunden gerne folgenden Satz sagt: „Ihr Zuhause ist kein Museum.“
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Aufräumen nach dem Tod: Anfangen, wo wenig Emotionen drin stecken
Und wo fängt man an, wenn man eine ganze Wohnung oder sogar ein ganzes Haus vor sich hat? „Immer dort, wo es am leichtesten geht“, rät Lüdemann. Also nicht mit dem Schrank mit den Fotoalben und persönlichen Notizen, sondern dort, wo die wenigstens Emotionen drin stecken. Das sei jedoch sehr individuell.
„Die einen haben kein Problem damit, den Kleiderschrank leer zu räumen, andere können es gar nicht, weil der Pullover noch so nach der verstorbenen Person riecht“, sagt Lüdemann, die ihre Kunden zunächst zu den „leichten“ Dingen lenkt, aber da ist, wenn es schwer wird.
„Manche haben das Bedürfnis zu sprechen, und wenn das der Fall ist, ist es ganz toll, dann höre ich die schönsten Geschichten“, sagt Julia Lüdemann. Andere wiederum wollten nicht reden, sondern nur etwas tun. „Ich frage dann einfach immer: ,Kann das weg?’“ Geweint werde an irgendeinen Punkt aber immer, und das sei auch wichtig, so Lüdemann, die stets Taschentücher dabei hat, aber auch spüre, wenn sie den Trauernden Zeit für sich alleine geben muss.
Viel spenden – am besten bei bestimmten Anlaufstellen
Ist der Hausstand gesichtet, werde eine Bestandsaufnahme gemacht: Welche Dinge können noch sinnvoll weitergegeben werden? „Und damit meine ich vor allem: spenden, spenden, spenden“, sagt Julia Lüdemann. Natürlich könne man manche Dinge auch noch verkaufen, doch das koste immer viel Zeit und Mühe und die meisten fänden den Gedanken, etwas an Menschen weiterzugeben, die es brauchen, schöner.
Anlaufstellen seien Kirchen, das Rote Kreuz, Sozialkaufhäuser, Sammelaktionen für Flüchtlinge oder auch Nachbarschaftsportale. Besondere Dinge, zum Beispiel aus einer Sammlung des Verstorbenen, könne man auch zur Trauerfeier mitnehmen. Jeder könne sich dann ein Stück als Erinnerung mitnehmen.
Aufräumcoach: Schon zu Lebzeiten mit dem Aussortieren beginnen
Weil sie weiß, wie viele Dinge im Laufe eines Lebens zusammenkommen können, rät Julia Lüdemann eindringlich dazu, schon zu Lebzeiten mit dem Aussortieren zu beginnen. „In der zweiten Lebenshälfte sollte man weggeben, was sich in der ersten angesammelt hat“, sagt sie.
Mit „warmer Hand zu geben“ bereite beiden Seiten Freude. „Es passt leider zu unserer Zeit, das wir uns nicht mit unserer eigenen Endlichkeit beschäftigen wollen“, sagt Lüdemann. „Das ist auch verständlich, denn es ist nicht einfach und kostet Kraft, ist aber so erleichternd.“
In Schweden ist der "Todesputz“ normal
In anderen Ländern sei das ganz normal, in Schweden beispielsweise gibt es sogar ein Wort dafür: Döstädning. Die letzten Dinge des Lebens zu ordnen, bevor es jemand anderes machen muss, ist in der schwedischen Gesellschaft schon lange verbreitet. Spätestens seit dem Bestseller „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“ von Margareta Magnusson wurde diese Tradition auch international bekannt und der Begriff in andere Sprachen übersetzt. Leider klingen „Death Cleaning“ und „Todesputz“ makaberer als die Angelegenheit sein sollte.
Wie viel ein Menschen noch zu Lebzeiten ordnet, müsse jeder selbst entscheiden. Julia Lüdemann, die mit ihrem Mann, den zwei Kindern, ihrem Bruder und dessen Freundin sowie ihren pflegebedürftigen Eltern in einem Mehrgenerationenhaus nahe der Elbe wohnt, rät aber, zumindest die wichtigsten Unterlagen rechtzeitig zusammenzustellen und mit den Verwandten durchgehen.
Die Expertin hilft auch vor einem Umzug ins Altersheim
Die Expertin hilft aber auch beim „Döstädning", zum Beispiel, wenn eine Person ins Altenheim umzieht. Und sie weiß: „Ja, das ist hart.“ Dennoch spreche sie ganz realistisch mit den Menschen darüber, ob es Sinn mache, bestimmte Dinge mitzunehmen. Und fragt ihre Kunden, ob diese sich wirklich noch wohlfühlen werden, wenn ihr neues Zuhause so voll stehe.
Auch in diesen Fällen ist man schnell wieder beim Thema spenden. „Für ältere Menschen ist es schön, wenn die Dinge noch genutzt werden – am liebsten natürlich von den Kindern oder Enkeln“, sagt Lüdemann, die dann auch Hausaufgaben gibt: „Fragen Sie Ihre Verwandten gerne, ob sie etwas haben möchten – aber akzeptieren sie auch ein Nein.“
Schwer trennen können sich aber auch manche Eltern, wenn ihre Kinder ausziehen – von dem geliebten Nachwuchs wie von dessen Sachen. „Dieser Schritt ist für einige sehr traurig“, weiß Lüdemann, die schon so manche Mütter und Väter mit „Empty-Nest-Syndrom“ begleitet hat. Lieblingssatz auch hier: „Ihr Zuhause ist kein Museum!“ Heißt in diesen Fällen: Bloß nicht das Kinderzimmer so lassen wie es ist, sondern lieber anders nutzen. Und natürlich am besten mit dem Kind gemeinsam ausmisten.
Aufräumen nach dem Tod: Eine Erinnerungskiste hilft
Schön sei, eine Erinnerungskiste zu packen. „Da kommen besondere Stücke rein, über die ich mich freue, wenn ich sie mal wieder hervorhole“, sagt Lüdemann. Was einen traurig mache, nach dem Motto: „Ach war das schön, als sie noch so klein waren“, komme weg.
So eine Kiste empfiehlt die Expertin, die für einen fünfstündigen Termin 350 Euro berechnet, auch nach einer Trennung. Da müsse sie ihre Kunden manchmal sogar beim Ausmisten bremsen – zum Beispiel, wenn diese den Ehering in die Elbe pfeffern wollen. „Ich frage dann, was sie in einem Jahr davon halten würden, wenn der weg sei“, sagt Lüdemann, die nach einer fiesen Trennung ansonsten zum „Vodoo-Wegschmeißen“ rät: Nicht spenden oder verkaufen, sondern „kaputtmachen und in den Müll kloppen“. Besser könne man sich nicht befreien.
Weitere Infos: klar-schiff-machen.de