Hamburg. Neues Forschungsprojekt zur Luftqualität startet. HafenCity Universität wird Daten auswerten. Was Umweltsenator Kerstan dazu sagt.
Die Luft in Hamburg könnte besser sein. Vor allem Stickstoffdioxid (NO2) ist ein Problem in der Hansestadt: Weil die Konzentration dieses Schadstoffs an manchen Straßen zeitweise über dem EU-Grenzwert lag, hatte Hamburg als erste Stadt in Deutschland stellenweise Fahrverbote für ältere Diesel verhängt. Wie hoch die Belastung mit NO2 und anderen Schadstoffen ist, misst die Umweltbehörde kontinuierlich an zwölf festen Stationen in Hamburg mit einem standardisierten Verfahren.
In einem neuen Forschungsprojekt werden nun Wissenschaftler der HafenCity Universität (HCU) mithilfe von Google untersuchen, ob zusätzliche mobile Messungen helfen können, die Luftqualität an vielen Orten genauer einzuschätzen. Der Internet- und Technologiekonzern hat dafür ein Elektroauto mit Sensoren auf dem Dach ausgestattet, die Werte zu Stickstoffdioxid, Feinstaub (PM 2,5), Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid und Ozon aufzeichnen.
Luftqualität: Auto fährt durch Hamburger City
„Air View“ nennt Google dieses Vorhaben, in Anlehnung an die schon länger eingesetzte Technologie „Street View“, die für 360-Grad-Aufnahmen aus der Straßenperspektive dient, einsehbar über den gleichnamigen Google-Onlinedienst. Fotos von Straßen wird zwar auch das „Air View“-Fahrzeug in Hamburg machen. Diese Aufnahmen dienten allerdings dazu, bei der späteren Analyse der Luftmessungen Orte mit sehr hohen oder niedrigen Werten besser zu verstehen, erläutert Google und verspricht, die Bilder nicht zu veröffentlichen.
Das Fahrzeug soll ein Jahr lang montags bis freitags von etwa 9 bis 17 Uhr durch die Innenstadt und rund um die Alster fahren, auch durch Nebenstraßen in diesem Gebiet. Nach der Sammlung der Daten durch den beteiligten Hersteller der Sensoren werde Google die Messergebnisse zur Auswertung an die HafenCity-Universität übergeben, sagte HCU-Professorin Gesa Ziemer, Leiterin des Forschungsprojekts namens „Air View Hamburg“.
Luftqualität in Hamburg: Arbeitsgruppe gegründet
Eigens für das Projekt sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, an der die Hamburger Verkehrsbehörde, die Hochbahn sowie der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer und der Landesbetrieb Geoinformation Vermessung beteiligt sind.
Die Öffentlichkeit soll die gesammelten Daten später in Form von visuellen Karten und Darstellungen in dem Google-Angebot „Environmental Insights Explorer“ sehen können. Ähnliche Messungen hat der Konzern nach eigenen Angaben seit 2015 schon in US-Städten, Amsterdam, Kopenhagen und Dublin durchgeführt.
Messwerte könnten Hamburg nachhaltiger machen
Das „Air View“-Vorhaben sei ein Teil von Googles Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, sagte Marianne Stroehmann, Leiterin des Hamburger Google-Standorts. Viele Städte weltweit – auch Hamburg – wollen ihren Ausstoß des Treibhausgases CO2 und die Menge gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe wie NO2 aus Verkehr und Industrie reduzieren. Als Messlatte dienen Daten, wie sie etwa in Hamburg an zwölf Stationen erhoben werden.
Die zusätzlich erhobenen Messwerte im „Air View Hamburg“-Projekt könnten „dazu beitragen, ein nachhaltigeres Hamburg zu schaffen und die Gesundheit aller zu verbessern“, so Stroehmann. Der Konzern will die erwähnten Aufnahmen von Straßen allerdings auch zur Verbesserung seines Angebots Google Maps nutzen, das eine wichtige Rolle für Werbung spielt – Googles Haupteinnahmequelle.
„Air View“: Hamburg erster deutscher Standort
Dass Hamburg als erster Standort in Deutschland für ein „Air View“-Projekt ausgewählt wurde, begründete Marianne Stroehmann mit einer „ganz besonderen Bindung zu dieser Stadt“. Google sei seit fast 20 Jahren in Hamburg ansässig und habe mit lokalen Partnern schon etliche Projekte umgesetzt. Die Kosten für das neue Forschungsprojekt – also für die Messungen und für Leistungen der HCU-Forschenden, die die Daten auswerten – trägt Google. Finanzielle Details wollte Stroehmann nicht nennen. Sie betonte aber, die Wissenschaftler seien bei ihren Forschungen unabhängig von Google.
Projektleiterin Gesa Ziemer betonte, dass „Air View Hamburg“ keine offizielle Kooperation mit der Umweltbehörde sei. „Wir verstehen uns als Vermittler in der Stadt“, sagte Ziemer, die an der HCU das CityScienceLab leitet, ein Labor für Digitales, in dem Daten zur Stadtentwicklung zusammengeführt werden. Die Ergebnisse sollen Stadtplanern helfen. Wer etwa neue Schulen und Spielplätze bauen wolle, könne sich bei der Suche nach Standorten auch an Luftmesswerten orientieren. „Luftmessdaten sind auch soziale Daten“, sagte Ziemer.
„Air View“: Umweltsenator bleibt zurückhaltend
Dem pflichtete Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) bei. „Luftreinhaltung ist in der Tat ein Thema, dass uns hier Hamburg sehr beschäftigt – politisch, aber auch juristisch“, sagte er. „Luftreinhaltung hat viel mit Lebensqualität zu tun.“ Kerstan begrüßte die Zusammenarbeit der HafenCity Universität mit Google Deutschland und sprach von einem „innovativen“ Vorhaben.
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Zum potenziellen Nutzen der Google-Messungen äußerte sich der Senator allerdings zurückhaltend. „Die Berechnung der Luftqualität aus punktuellen Sensormessungen steckt noch in den Kinderschuhen“, sagte er. Deshalb sei eine wissenschaftliche Einordnung der Ergebnisse durch Forschende der HafenCity Uni wichtig. „Wir sind sehr gespannt, ob sich die punktuellen Messungen bewähren und mittel- oder langfristig zu einer zusätzlichen Informationsquelle in Sachen Luftqualität werden.“
WHO-Leitlinien könnten Folgen für Hamburg haben
Wie berichtet, hatte vor Kurzem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre neuen Leitlinien zur Luftqualität vorgelegt. Diese enthalten erheblich geringe Richtwerte als bisher. So sollte etwa die Maximalbelastung mit Stickstoffdioxid nicht mehr 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreiten, rät die WHO.
Bisher ist für die EU ein Grenzwert von 40 Mikrogramm vorgeschrieben. Zwar sind die WHO-Leitlinien nur Empfehlungen. Allerdings hat das EU-Parlament bereits beschlossen, dass die neuen WHO-Empfehlungen zur Grundlage für die EU-Politik werden sollen. Das könnte auch Folgen für Hamburg haben.