Hamburg. Das von der Corny-Littmann-Stiftung organisierte erste Straßentheater-Festival war trotz Corona-Beschränkungen ein Erfolg.
Aller Anfang ist schwer - selbst wenn im Hamburger Sommer das Wetter mitspielt. In Zeiten von und mit Corona ein neues Festival zu starten ist ein besonderes Wagnis, auch umsonst und draußen. Corny Littmann kennt nun das Gefühl. Bereut hat er es dennoch nicht. „Alle Menschen, die kamen, waren begeistert und glücklich“, sagte der Chef von Schmidt Theater und Schmidts Tivoli am Ende des ersten Spielbudenfestivals. Ein Wochenende lang hatte er seiner Stiftung für Kunst und Kultur den Spielbudenplatz auf St. Pauli für Straßenkunst und allerlei Kuriositäten frei gemacht und sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt.
Fast 30 Solokünstler und Gruppen aus mehreren Kontinenten hatten auf sechs Spielflächen und auf der großen Spielbudenplatz-Bühne gezeigt, was die Vielfalt der Straßenkünste ausmacht. Littmann knüpfte damit auch an die vom Theatermacher Eberhard „Möbi“ Möbius vor 45 Jahren mit dem ersten Alstervergnügen begründete Tradition an: Damals prägten auf dem Jungfernstieg, Neuer Jungfernstieg und in den Colonnaden nicht Fress-Buden und Disco-Boxen das Geschehen, sondern Straßentheater, Gaukler und Kleinkunst.
Schaubude von Dominik Schmitz bot neue und alte Attraktionen
Auf dem Spielbudenplatz hatten vor etwa 120 Jahren zuletzt derlei Spielbuden gestanden. Am Wochenende bot dort die Schaubude von Dominik Schmitz neue alte Attraktionen. Und sie ist selbst eine, ist sie doch die einzig noch in Europa verbliebene Schaubude, gebaut übrigens in Hamburg.
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Bis vor rund 15 Jahren stand sie dreimal im Jahr auf dem Dom, am Wochenende ließ Schmitz auf der Bühne der Schaubude „Mauro Magneto“ schweben – zweifelsohne ein Mensch, dem es aber zwischenzeitlich auf erstaunlicherweise an (Erd-)Anziehungskraft fehlte. Auch die von Schmitz präsentierte „Frau ohne Kopf“ blieb – Vorhang auf, Vorhang zu - ein Phänomen.
Maximal 300 Zuschauer waren gleichzeitig zugelassen
Nur für den Besuch der Schaubude musste auf dem abgesperrten Gelände ein Nachweis über eine zweifache Impfung, eine Covid-19-Genesung oder einen gültigen Corona-Test erbracht werden; beim Einlass reichte die Luca-App – vorausgesetzt, die Besucher hatten eines der stets kostenlosen Festival-Tickets gebucht.
Vorab hieß es: „Alles ausverkauft“. Hygiene- und Abstandsregelungen der Gesundheitsbehörde ließen maximal rund 300 Zuschauer gleichzeitig zu. Analog zu den Freibädern der Bäderland GmbH war der Besuch des Festivals in Zeitfenster von je drei Stunden unterteilt. So sollten weder die Künstler bei ihren Darbietungen ins Schwimmen noch die Gäste ins Drängeln geraten.
Straßenkunst-Interessierte durften auch spontan auf das Gelände
Als am Freitagnachmittag und Sonnabend jedoch selbst die im Vorhinein reduzierte Kapazität nicht ausgeschöpft war, stellte sich heraus: Menschen mit betrügerischen Absichten hatten offenbar massenhaft Karten reserviert und versucht, diese für je 15 Euro im Internet zu veräußern. Littmann und seine Mitarbeiter hatten das Problem erkannt und ließen am Sonnabendabend und Sonntag Straßenkunst-Interessierte auch spontan auf das Gelände.
Wie man als Straßenkünstler spontan auch mit weniger Publikum umgeht – Stichwort: Interaktion –, hatten da schon Die Buschs gezeigt: Das auch in Theatersälen erprobten Comedy-Zauberer-Duo aus Erfurt bezog rund um seine Spielfläche praktisch alles mit ein, was zwei Beine und Arme hat: „Wir begrüßen auch unseren Sicherheitsbeauftragten – der einzige Mann auf der Welt, der einen Crêpes durch seine Maske essen kann“, kommentierte Vater Bernd Busch das vorschriftsgemäße Verhalten des Polizeieinsatzleiters bei seinem Gang zu und mit einer Zwischenmahlzeit.
Gelungenes Wechselspiel mit dem Publikum
Noch schlagfähiger reagierte Jens Ohle, der einzige Hamburger Artist. „Tolle Künstler hier, leider zu wenig Leute“, sagte der agile Mittfünfziger aus Neuengamme beim Warmmachen. Er wusste, dass er noch die kurze Show des „Kleinsten Varietés der Welt“ mit Feuershow ohne Feuer nebenan abwarten musste. Als die dann doch länger dauerte, koberte er Alt und Jung auf unnachahmliche Weise: „Freibier, halb nackte Tänzerinnen, ein Audi A8 zu gewinnen – und Feuershow mit Feuer!“
Zumindest bei Letzterer hielt der Comedy-Artist Wort: Seine Jonglage mit drei brennenden Fackeln auf Stehleiter und Einrad brachte nicht nur die Festivalbesucher, sondern auch immer wieder Zaungäste zum Staunen und Stehenbleiben. Jens Ohle, auch hoch oben nie um einen guten Spruch verlegen, zeigte in 30 Minuten, wie man eine Straßenshow kunstvoll aufbaut, das Wechselspiel mit dem Publikum lebt – und noch zusätzlich Geld für seine Spendenkiste einnimmt.
Unterstützung von 35.000 Euro aus dem Etat des Kultursommers Hamburg
Das Trio Cia La Tal faszinierte nonverbal – mit einer Mischung aus visuellem Theater und Clownerie. Ein feiner Zirkus. Cia La Tal ist sowohl für Straßentheater als auch für Indoor-Theater gut. Wie alle internationalen Künstler waren auch die Spanier gratis im Hotel Hafen Hamburg einquartiert – einer der Sponsoren des Spielbudenfestivals. Littmann hatte die Premiere mit seiner Stiftung und 100.000 Euro zum Laufen gebracht.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Eine Unterstützung von 35.000 Euro aus dem Etat des Kultursommers Hamburg gab es zusätzlich. Ob der wiederkommt, ist noch offen: So oder so möchte Littmann das Spielbudenfestival zur Dauereinrichtung in jedem Sommer machen. „Und wenn dann mehr Leute kommen dürfen, wird es richtig bombastisch“, blickt Littmann hoffnungsfroh auf 2022.