Grosshansdorf. Imad Bou Hassoun (28) floh 2015 aus Syrien. Jetzt wurde der Mitarbeiter der LungenClinic ausgezeichnet. Eine Erfolgsgeschichte.
„Ich mag das Gefühl, dass ich anderen helfen kann“, sagt Imad Bou Hassoun. Die Augen des 28-Jährigen strahlen, wenn er über seinen Beruf spricht. Es ist Mittwochmittag, kurz nach zwölf Uhr, im Aufenthaltsraum von Station 5 der LungenClinic Großhansdorf, der Pneumologischen Frühreha. Imad Bou Hassoun bereitet sich gerade auf die Spätschicht vor, in wenigen Minuten soll die Übergabe stattfinden. „Ich kann den Menschen wieder auf die Beine helfen, das ist etwas ganz Besonderes“, sagt der Großhansdorfer über die Arbeit, die er als seinen „Traumberuf“ bezeichnet.
Imad Bou Hassoun aus Großhansdorf ist einer der besten Pfleger im Land
Der 28-Jährige ist Krankenpfleger – und wenn es nach seinen Patienten und Kollegen geht, einer der Besten. Sie haben Hassoun beim schleswig-holsteinischen Landesentscheid des bundesweiten Online-Wettbewerbs „Deutschlands beliebteste Pflegeprofis“ des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf den zweiten Platz gewählt. Mehr als 600 Teilnehmer votierten für Hassoun, nur das Pflegeteam der Corona-Verdachtsstation an der Regio Klinik in Pinneberg bekam mehr Stimmen.
Angemeldet hatten ihn seine Kollegen. „Das Gefühl, dass so viele Menschen für mich gestimmt haben, ist überwältigend“, sagt Hassoun verlegen. „Es gibt mir das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Dass ich erfolgreich bin, mit dem, was ich mache“, sagt der 28-Jährige und der Stolz in seiner Stimme ist unverkennbar.
Am Anfang konnte der 28-Jährige kein Wort Deutsch
Und der Großhansdorfer hat allen Grund dazu, stolz zu sein. Denn als der 28-Jährige im Februar 2019 bei der LungenClinic anfing, war es alles andere als gewiss, dass Hassoun die neue Aufgabe packen würde. Im November 2015 kommt Imad Bou Hassoun als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland. Er ist allein, ohne Familie, beherrscht die Sprache nicht.
Durch Zufall kommt Hassoun 2016 nach Großhansdorf. „Am Anfang konnte ich kein Wort Deutsch“, erinnert er sich. Bereits in Syrien hatte der 28-Jährige Krankenpfleger gelernt, war einer der besten an seiner Schule. Doch Hassouns Ausbildung wird in Deutschland nicht anerkannt. „Immer, wenn ich an dem Haus vorbeigegangen bin, habe ich davon geträumt, hier zu arbeiten“, sagt der junge Mann über seinen heutigen Arbeitsplatz.
Auf einen Sprachkurs muss Hassoun lange warten
Doch zunächst gab es für den Syrer dazu keine Chance. Erst als er eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, Monate nach seiner Ankunft, darf Hassoun einen Sprachkurs besuchen. Der 28-Jährige nutzt die Zeit, versucht, sich die Sprache mithilfe von Büchern und des Internets selbst beizubringen.
„Ich konnte mich vorstellen und sagen, wie es mir geht, mehr nicht“, sagt Hassoun. Seine erste Bewerbung bei der LungenClinic scheitert an der Sprachbarriere. Stattdessen bekommt Hassoun einen Teilzeitjob in einem Altenpflegeheim. Ein halbes Jahr bleibt der 28-Jährige bei der Einrichtung, doch sein Traumberuf lässt ihn nicht los.
Zunächst beginnt der 28-Jährige als Pflegehelfer in der Chirurgie
Hassoun riskiert alles. Obwohl die Leitung des Pflegeheims ihn halten möchte, ihm eine unbefristete Anstellung anbietet, kündigt der Großhansdorfer und bewirbt sich erneut bei der LungenClinic, diesmal mit Erfolg. „Inzwischen genügten meine Sprachkenntnisse.“ Im Februar 2019 beginnt Hassoun zunächst als Pflegehelfer in Teilzeit auf Station 2, der Chirurgie.
Nebenbei besucht der 28-Jährige Kurse an einer Pflegeschule, eignet sich dort das theoretische Wissen an. „Es war eine sehr stressige Zeit“, sagt Hassoun rückblickend. Zwei Tage in der Woche hat er Unterricht, dazu immer wieder fünftägige Intensivkurse. „Ich habe an vielen Tagen nach der Arbeit noch sechs bis acht Stunden gelernt“, erzählt er.
Viele Geräte kannte Hassoun aus Syrien nicht
„Nebenbei musste ich nicht nur weiter Deutsch lernen, sondern auch die medizinischen Fachbegriffe rund um die Lunge, die ich im Arbeitsalltag brauche.“ Dabei habe er von seinen Kollegen viel Unterstützung erfahren. „Sie haben mich von Beginn an aufgenommen, mir alles gezeigt und erklärt, obwohl ich zuerst kaum etwas selbst machen und mich geradeso mit ihnen verständigen konnte. Dafür bin ich so dankbar“, sagt er. Einiges war für Imad Bou Hassoun neu.
„In Syrien ist Vieles ganz anders“, sagt Hassoun. „Zum Beispiel müssen Pfleger nicht die Grundpflege machen, das ist Aufgabe der Angehörigen.“ Es gebe auch Unterschiede darin, was das Pflegepersonal dürfe und was dem Arzt vorbehalten sei. „Das EKG durften wir in Syrien nicht bedienen.“ Auch sei die technische Ausstattung in den Krankenhäusern nicht vergleichbar. „Viele Geräte habe ich hier in Deutschland das erste Mal gesehen“, sagt Hassoun.
Die meisten Mitschüler bestehen die Prüfung nicht
Der Ehrgeiz lohnt sich für den jungen Syrer. Nach nur sechs Monaten besteht er die Prüfung zum Krankenpfleger – als einer von nur drei der insgesamt 13 Kursteilnehmer. Seitdem verstärkt der 28-Jährige in Vollzeit das Team der Pneumologischen Frühreha, hilft Patienten, nach Eingriffen das Atmen wieder neu zu erlernen.
Einen großen Anteil an Imad Bou Hassouns Erfolgsgeschichte hat Susanne Quante. Die Kaufmännische Geschäftsführerin der LungenClinic setzt sich seit Langem dafür ein, dass Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Haus eine berufliche Perspektive erhalten. „Der Fachkräftemangel in der Pflege ist unübersehbar“, sagt sie.
Klinikchefin möchte Geflüchteten eine neue Leistungsstätte bieten
„Wozu müssen wir Kräfte aus dem Ausland anwerben, wenn viele schon den Weg zu uns gefunden haben?“, fragt die Kaufmännische Geschäftsführerin. Imad Bou Hassoun stehe für zahlreiche junge Menschen, die ihre Heimat verloren hätten und die mit dem, was sie könnten, eine neue Leistungsstätte suchten. „Leider ist die Sprache oft eine große Barriere“, sagt Quante. „Gerade in sozialen Berufen ist Kommunikation natürlich das A und O, was es nicht gerade einfacher macht.“ Die Geschäftsführerin der LungenClinic hat deshalb in ihrem Haus Sprachkurse etabliert.
Der 28-Jährige eine Fortbildung zum Atmungstherapeuten machen
Seit eineinhalb Jahren kommt auf Quantes Initiative jede Woche für zwei Stunden eigens eine Deutschlehrerin in die Klinik und gibt bis zu zehn Mitarbeitern Unterricht. Ein anderes Problem sei die Anerkennung der Abschlüsse. „Da hoffe ich, dass das System da in Zukunft etwas durchlässiger wird“, sagt Quante. Auf Imad Bou Hassoun ist Quante „unglaublich stolz.“
Sie sagt: „Imad ist das hier von Beginn an mit einem Ehrgeiz angegangen, der bewundernswert ist und ist zu einem Mitarbeiter geworden, den wir nicht mehr missen möchten.“ Der 28-Jährige hat inzwischen ein neues Ziel vor Augen: Er möchte im kommenden Jahr eine Weiterbildung zum Atmungstherapeuten machen. Laut Klinikleitung steht dem nichts im Wege.