Hamburg. Die Helmut und Loki Schmidt-Stiftung möchte die „Freitagsgesellschaften“ des Altkanzlers wiederbeleben – über den ersten Versuch.

Während am Freitag die ersten Teilnehmer von Fridays For Future auf die Straße gehen, versammeln sich 14 Wissenschaftler und Politiker im ehemaligen Wohnzimmer von Helmut Schmidt. Auch sie möchten sich heute dem Thema „Klima“ widmen – allerdings in einem deutlich exklusiveren Rahmen.

Die Helmut und Loki-Schmidt-Stiftung lud zu dem Gespräch, das den Austausch von Wissenschaft und Politik hinsichtlich des Klimawandels fördern will. Die Wissenschaftler und Politiker diskutieren leidenschaftlich: Die Experten aus unterschiedlichsten Fachgebieten sind sich schon von Berufswegen uneinig, das Themenspektrum ist breit, die Diskussionen bleiben abstrakt.

Klimapolitik: Auch Hamburger Politiker mit dabei

Aus der Hamburger Politik kamen die Staatsrätin Almut Möller, der SPD-Landesvorsitzende Alexander Mohrenberg und die Wissenschaftspolitikerin und ehemalige Senatorin Krista Sager (Grüne). Aus der Wissenschaft waren unter anderem Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Institut für Meteorologie, Ursula Schröder, Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg, oder Karin Lochte, ehemalige Direktorin des Alfred-Wegner-Instituts in Bremerhaven, dabei.

Zumindest in einer Sache waren sich die Teilnehmer einig: Die fachübergreifende Diskussion war sehr „fruchtbar.“ Staatsrätin Almut Möller betont: „Dadurch kann man einzelne Aspekte des komplexen Themas recht zügig beleuchten.“

„Wissenschaftler sollten Optionen aufzeigen"

Jochem Marotzke, einer der führenden Klimawissenschaftler Hamburgs, zieht auch konkrete Schlüsse aus der Diskussion. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt nennt er eine der zentralen Fragen der Gespräche: Welche Rolle sollten Wissenschaftler in der Klimapolitik übernehmen?

Marotzke fasst den Tenor zusammen: „Wissenschaftler sollten Optionen aufzeigen, aber keine Handlungsempfehlungen geben.“ Sofort fällt ihm ein Negativbeispiel aus Hamburg ein: „Die Empfehlung des Klimarates, die Zahl der Neubauten in Hamburg um 50 Prozent zu reduzieren, war eine fehlgeleitete, ineffektive Beratung. Sie sorgte auch dafür, dass das Thema ganz schnell vom politischen Tisch verschwand.“

Entscheidungen nicht Wissenschaftlern aufbürden

Er mahnt: Wissenschaft sollten im Austausch mit der Politik niemals auf konkrete Lösungen pochen, so drohe sie den demokratischen Diskurs zu „untertunneln.“

Alexander Mohrenberg, stellvertretender SPD-Landesvorsitzender in Hamburg, gibt ihm in diesem Punkt recht. Auch er findet: „Die Politik muss verantwortungsvoller mit der Wissenschaft umgehen.“ Das bedeute vor allem, Entscheidungen nicht den Wissenschaftlern aufzubürden. Politiker müssten sich selbst in die Themen einarbeiten – „auch wenn das mehr Arbeit bedeutet“, so der 27-Jährige.

Detailliertere Wetterdaten notwendig

Auch die Wissenschaftspolitikerin und ehemalige Senatorin Krista Sager (Grüne) pflichtet diesen Stimmen bei: „Die Wissenschaft darf nicht die demokratisch gesellschaftliche Aushandlung verkürzen.“ Für den Austausch zwischen Wissenschaft und Politik fordert sie eine „Begegnung auf Augenhöhe mit gegenseitigem Verständnis.“

Bezüglich konkreter Klimapolitik betonte Staatsrätin Almut Möller die Rolle der Städte wie Hamburg im Kampf gegen den Klimawandel: „Einerseits sind wir die Emittenten, andererseits haben wir die Innovationskraft, um dagegen anzukämpfen“, so Möller. Betont wurde auch die Notwendigkeit für detailliertere Wetterdaten. Die bisherigen Modelle ließen offen, welche Städte oder Stadtteile wie stark von Extremwettern betroffen seien.

Krieg in der Ukraine - Chance für die Klimapolitik?

Die Teilnehmer diskutierten auch die Folgen des Ukrainekriegs für die deutsche Energieversorgung. Mehrfach hieß es: „Klimapolitik ist Sicherheitspolitik.“ Das sehe man nun am Krieg in der Ukraine deutlich, daraus ergäben sich auch Chancen. Mohrenberg führt im Gespräch mit dem Abendblatt aus: „Durch den Ukrainekrieg kann der Umbau auf erneuerbare Energien deutlich vorangetrieben werden.“

Marotzke stimmte ihm zu: „Eigentlich löst man den Klimawandel nicht im Krisenmodus, weil seine Auswirkungen noch nicht akut zu spüren sind. Doch durch Krisen, wie aktuell den Ukrainekrieg, wird möglich, was vorher noch für unmöglich gehalten wurde.“

Stiftung will an „Freitagsgesellschaften“ erinnern

Mit den „Schmidt-Gesprächen“, die bereits am Donnerstag begannen, wollte die Stiftung die Erinnerung an die „Freitagsgesellschaften“ von Helmut Schmidt wiederbeleben. Er begründete sie 1985. Jedem zweiten Freitag im Monat wurde während des Winterhalbjahres am Tisch des ehemaligen Kanzlers diskutiert. Das Themenspektrum war breit – stets gab es einen Vortrag, bevor dann streng vertraulich diskutiert wurde.

Stefan Herms, stellvertretender Vorstand und Geschäftsführer der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung, erklärt, wie es zum Thema „Wissenschaft. Macht. Politik.“ kam: „Zu diesem globalen Thema haben wir in Hamburg ein Exzellenz-Cluster.“

Klimapolitik: Folgeveranstaltungen möglich

Das sei eine Parallele zu Helmut und Loki Schmidt, die von Hamburg aus in die ganze Welt blickten. Ziel der Veranstaltung sei es, „die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern.“ Im Idealfall „nutzen die Teilnehmer ein kleines Goldkorn der Kommunikation für ihr weiteres Handeln.“

Was nun konkret aus der Diskussion folgt, blieb am Ende der Veranstaltung unklar. Herms hält Folgeveranstaltungen zum Thema „Klima“ für möglich. Denkbar seien aber auch viele andere „gesellschaftspolitische Themen mit Hamburg-Bezug.“ In jedem Fall würde man sich freuen, wenn „das Haus in Langenhorn wieder als Kommunikationsplattform für Wissenschaft und Politik dient.“ Konkrete Pläne für weitere Veranstaltungen liegen allerdings noch nicht vor.