Hamburg. In den Datensätzen der Encrochat-Plattform könnten weitere Kokain-Paten und gesuchte Gangster schlummern. Mehr Personal soll her.
Um Verbrechen, die über die Encrochat-Plattform abgewickelt wurden, besser auf die Spur zu kommen, sollen Polizei und Staatsanwaltschaft in Hamburg mehr Personal bekommen.
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen fordern den Senat in einem gemeinsamen Bürgerschaftsantrag auf, den Personalbedarf zur zügigen Aufarbeitung der Encrochat-Verfahren zu ermitteln und auf dieser Basis sehr zeitnah die erforderliche Personalaufstockung zur Aufarbeitung der Straftaten in die Wege zu leiten. Denn bei den Encrochat-Verfahren handele es sich um komplexe Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, in denen es unter anderem notwendig ist, eine große Anzahl an Datensätzen auszuwerten.
Internationale organisierte Kriminalität nutzt Encrochat
Hintergrund: Zwischen März und Juli 2020 leitete Europol umfangreiche Ermittlungsverfahren gegen Encrochat ein. Encrochat war damals ein in Europa ansässiger Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen, zu denen auch eine App sowie Mobiltelefone gehörten. Dank ihrer von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wurde sie vor allem von der internationalen organisierten Kriminalität genutzt. Die Ermittler konnten in das Encrochat-Netzwerk eindringen und die über Encrochat abgewickelten illegalen Tätigkeiten offenlegen. Der Dienst wurde geschlossen, es gab mehr als 1000 Festnahmen.
Das Bundeskriminalamt prüft mehrere hunderttausend Chatverläufe und ermittelt gegen rund 3000 deutsche Nutzer des Netzwerkes. „Durch die Entschlüsselung der Encrochat-Kommunikation haben die Strafverfolgungsbehörden einen bislang nicht dagewesenen Einblick in die organisierte Drogenschwerstkriminalität gewinnen können“, sagt Lena Zagst, justizpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion. „Damit verbunden ist die Chance, diese kriminellen Strukturen zu zerschlagen.“
294.000 Fotos von Drogen und Waffen
Nach der Entschlüsselung der kodierten Encrochat-Kommunikation durch den französischen Geheimdienst und den Ermittlungen durch das Bundeskriminalamt sind nachfolgend etwa 3000 Datensätze abgetrennt und an die Hamburgische Staatsanwaltschaft abgegeben worden, heißt es in dem Antrag von SPD und Grünen in der Bürgerschaft.
Die aus Frankreich überlassenen Chats enthielten allein 294.000 Lichtbilder, auf denen nahezu ausschließlich Drogen (vornehmlich Kokain) und Waffen zu sehen seien. „Die Chatinhalte sind nahezu ausschließlich deliktisch und betreffen zu einem beträchtlichen Anteil organisierte Drogenschwerstkriminalität, welche die Beantragung und den Erlass von Haftbefehlen rechtfertigt“, heißt es im Antrag. Das Landeskriminalamt hat für Hamburg die Besondere Aufbauorganisation (BAO)-Hammer eingerichtet, um die übergebenen Datensätze auszuwerten. Gemeinsam mit dem Zollfahndungsamt unterstützt es so die Staatsanwaltschaft bei ihrer Ermittlungstätigkeit.
Enchrochat-Ermittlungen: Polizei muss besser aufgestellt werden
Bei den „Encrochat-Verfahren“ handele es sich um besonders schwerwiegende Kriminalitätsformen vor allem im Drogenbereich, „für deren Verfolgung die Staatsanwaltschaft personell adäquat aufgestellt sein muss“, so steht es im rot-grünen Antrag. Bedeutet: Es wird mehr Personal benötigt. Langfristig sei die Schaffung einer dritten Betäubungsmittelabteilung bei der Staatsanwaltschaft notwendig. Auch die Polizei müsse besser aufgestellt werden, da auch hier noch eine Vielzahl an Datensätzen auszuwerten ist.
Lesen Sie auch:
- Danny aus Duvenstedt ist Europas Kokain-Pate
- Ex-Judo-Kämpfer wegen Drogenhandels vor Landgericht
- Viele Gerichte überlastet: Keine neuen Prozesse in Hamburg
„Erste Kriminelle, die ihr Geld mit Drogen- und Waffendeals verdienten, konnten dank der Ermittlungen bereits aus dem Verkehr gezogen werden“, sagte Urs Tabbert, justizpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Die weitere Aufarbeitung läuft – jetzt kommt es darauf an, dass wir Polizei und Staatsanwaltschaft mit zusätzlichem Personal den Rücken stärken.
Die knapp 3000 Datensätze zur organisierten Kriminalität verursachen bei Polizei und Staatsanwalt einen immensen Arbeitsaufwand. Doch der kann sich für Hamburg richtig lohnen: Schon jetzt beläuft sich die Summe aus Finanzermittlungen auf Basis des Encrochat-Falls auf insgesamt über 41 Millionen Euro. Da in diesen Verfahren beschlagnahmte Gelder in der Regel dem Haushalt der Stadt zugeführt werden, sind die Investitionen in neue Stellen schnell wieder drin.“