Hamburg. Diesmal ist ein echter Kenner französischer Lebensart bei den Vier Flaschen zu Gast. Verkostet werden drei Rote und ein Weißer.
Was machen ein Franzose und ein Deutscher, wenn sie von einem Gast eine Flasche Wein geschenkt bekommen? Ganz einfach: „Der Franzose öffnet die Flasche und trinkt sie gemeinsam mit demjenigen, von dem er sie bekommen hat“, sagt Ulrich Wickert. „Und der Deutsche bedankt sich, verstaut die Flasche in seinem Weinschrank und schenkt etwas anderes aus, das er vorbereitet hat“, sagt Michael Kutej.
Zwei Flaschen Wein zum Mittagessen
Um solche und ähnliche Geschichten aus der französisch-deutschen Weinwelt geht es in dieser Folge von „Vier Flaschen“, der Abendblatt-Weinprobe, zu der Kutej, Inhaber der Hamburger Hanse Lounge, Rieslingliebhaber Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard mit Wickert jenen Mann eingeladen haben, der wie wenige Prominente sonst in Deutschland mit Frankreich verbunden wird.
Der ehemalige Moderator der „Tagesthemen“ hat lange für die ARD aus Paris berichtet, wo bei Gesprächen und Recherchen nahezu nichts ohne Wein gegangen sei. „Als ich dort angefangen habe, musste man mit jemandem, von dem man etwas erfahren wollte, zum Mittagessen eine Flasche Weißwein und eine Flasche Rotwein trinken, das war so üblich. Nach ein paar Jahren gab es dann nur noch eine Flasche. Erst ganz zum Schluss, 1991, als ich Paris verlassen habe, um die „Tagesthemen“ zu moderieren, konnte es sein, dass man mit jüngeren Leuten in Frankreich nur eine Flasche Wasser getrunken hat …“
In Frankreich lernte Wickert, Wein zu trinken
Bis heute trinkt Wickert hauptsächlich französischen Wein, die Grundlagen dafür seien schon in seiner Kindheit gelegt worden: „Zu meiner Konfirmation hat mein Vater für uns einen Haut-Brion aus meinem Geburtsjahr 1942 aufgemacht, seitdem ist der Haut-Brion mein Lieblingswein geblieben, er ist einfach wunderbar.“
Als er dann 1978 als Korrespondent nach Paris entsandt wurde, habe ihn ein älterer Kollege an die Hand genommen und gesagt: „Herr Wickert, Sie müssen jetzt natürlich auch lernen, Wein zu trinken. Ich helfe Ihnen gern dabei. Haben Sie am Sonnabend Zeit?“
„Ich habe am Sonnabend Zeit“, sagte Wickert. „Gut“, sagte der ältere Kollege, „dann treffen wir uns um zehn Uhr.“ Wickert sagte: „Ist das nicht sehr früh …?“ Die Antwort: „Aber Herr Wickert, Sie müssen doch erst einmal lernen, Wein einzukaufen …“
Seitdem hält sich der Hamburger, wenn es um sehr teure Weine geht, an folgende Regel: Er kauft drei Kisten mit jeweils zwölf Flaschen. „Aus der ersten Kiste nehme ich jedes Jahr eine Flasche, um zu probieren, ob man den Wein schon trinken sollte. Wenn der Wein so weit ist, trinke ich die Flaschen aus der zweiten Kiste. Und die dritte verkaufe ich, weil die inzwischen so wertvoll ist, dass man davon die nächsten drei Kisten bezahlen kann.“ Erzählt es, stockt dann und sagt: „Aber wollen wir jetzt nicht auch mal die vier Flaschen von Ihnen probieren …?“
Lesen Sie auch
- Warum Michael Stich seinen Château Pétrus nicht anrührt
- "Vier Flaschen": Digitale Weinprobe mit Eric Manz
- Joja Wendt verrät, wo bei Weinen die Musik spielt
Wein Nummer eins: Ein weißer Bordeaux
Die stammen diesmal natürlich alle aus Frankreich, los geht es mit einem weißen Bordeaux: Der Château de Beauregard-Ducourt Entre-Deux-Mers 2020 ist ein „Wein für jeden Tag“, so Kutej, eine Mischung aus den Rebsorten Sauvignon blanc und Sémillon, „sehr frisch und sehr fruchtig“. Das findet Ulrich Wickert auch, der diesen und alle anderen Weine aus einem eher kleinen Glas trinkt, „einem Ballon, wie die Franzosen sagen“.
Tatsächlich benutzen gerade Franzosen und Italiener gern kleinere Gläser, was vielleicht auch daran liegt, dass Wein dort alltäglicher ist als bei uns: „Wann immer in Frankreich Essen auf den Tisch kommt, gibt es Wein dazu“, sagt Kutej, der es schade findet, dass man in deutschen Restaurants so gut wie keinen weißen Bordeaux mehr findet: „Das liegt nicht an der Qualität der Weine, sondern allein daran, dass Bordeaux weltweit vor allem mit Rotwein assoziiert wird.“
Trinkgewohnheiten der Deutschen und Franzosen
Weil Wickert „sowieso ein Rotweintrinker“ ist, bleibt es diesmal bei einem Weißwein. Flasche Nummer zwei ist ein Saint Cosme Côtes du Rhône Rouge 2020,ein Syrah von einem Weingut, das eine Geschichte bis ins Jahr 1490 hat, was Ulrich Wickert genauso beeindruckt wie die „wunderbare Farbe“ des Weins. Den muss man, auch weil er relativ viel Alkohol hat, unbedingt etwas kühler trinken, er riecht und schmeckt nach Karamell „und ist trotzdem sehr saftig und fruchtig“, so Kutej. „Das ist ein idealer Sommerwein, für die Zeit, in der man wieder grillen kann.“ Die Flasche kostet zehn Euro, „das wird also nicht zu teuer, wenn man ein paar Menschen zu einer Grillparty einlädt“.
Womit wir bei der Frage sind, welchen Wein man eigentlich welchen Gästen anbietet. Wickert hatte dazu in seiner Zeit in Frankreich auch klare Grundsätze: „Wenn ich Freunde aus Amerika zu Gast hatte, gab es meinen Alltagswein. Kamen Freunde aus Deutschland, die sich etwas mit Wein auskannten, bin ich eine Stufe höher gegangen. Wenn ich Franzosen bewirtete, habe ich immer sehr guten Wein genommen – die haben wenig und sehr bewusst getrunken.“ Die Franzosen würden, anders als viele Deutsche, auch nicht sofort nachschenken, wenn ein Glas sich leert, „die zelebrieren das mehr“.
Flasche drei: Geheimtipp aus dem Corbières
Den dritten Wein, Ollieux Romanis Cuvée Prestige Rouge 2018, eine Mischung aus Carignan, Mourvèdre, Syrah und Grenache, findet Wickert besser als den Côtes du Rhône, er sei vielschichtiger und komplexer. „Der ist deutlich ernsthafter“, sagt auch Kutej, der unter anderem Pflaumen und Nelken schmeckt. Ein Geheimtipp aus dem Corbières.
Bevor es zur vierten Flasche geht, noch eine schöne Weingeschichte, die sich um Château Pétrus dreht, einen der legendären Rotweine aus dem Bordeaux. Sie spielt Ende 1999, Wickert war nach einem Interview mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem Abendessen mit zehn weiteren Gästen eingeladen, „und einer brachte einen Château Pétrus aus dem Jahr 1900 mit“. Er habe später noch einmal die Gelegenheit gehabt, den Wein zu probieren, „und kann nicht verstehen, warum er so teuer ist. Er sticht nicht so heraus, dass ich für eine Flasche 4000 oder 5000 Euro bezahlen würde.“
Wickerts Weinkeller geplündert
Der Château Tournefeuille Lalande-de-Pomerol 2018, der bei den „Vier Flaschen“ zum Schluss verkostet wird, kommt aus der Nachbarschaft des Pétrus und ist für Ulrich Wickert der beste Wein des Tages (der teuerste ist er mit rund 28 Euro auch): „Er ist noch etwas jung, aber köstlich.“ Früher seien die Weine aus dem Bordeaux in den ersten Jahren gar nicht trinkbar gewesen, das „hat sich in der jüngsten Vergangenheit geändert“.
Was auch an dem starken asiatischen Markt liege, so Kutej: „Gerade in China wird sehr, sehr viel Bordeaux getrunken.“ Gekauft würden die Weine im Voraus, es werden Zugangsrechte gehandelt, „oft ohne dass man die Chance hat, den Wein zu probieren“.
Bleibt, als letzte Geschichte – die des wickertschen Weinkellers, den er nach seiner Zeit in Frankreich mit vielen schönen Rotweinen bestückt hatte und der ihm dann „geplündert worden ist: Die Diebe wussten, was sie taten, sie haben wirklich nur die besten Kisten mitgenommen. Die Polizei hat gesagt, das passiere in Hamburg ständig.“ Die Weine waren versichert, „aber bei solchen Fällen gibt es immer große Diskussionen mit der Versicherung, weil man ja beweisen muss, was im Weinkeller gelagert wurde, und ob der Anschaffungs- oder der Wiederbeschaffungswert erstattet wird“, so Kutej.
„Vier Flaschen“ jetzt auch im 10-Minuten-Format
Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Neu: Im Wechsel mit der bekannten, immer etwa 90 Minuten langen Folge gibt es jetzt alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard dann nur eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss, und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird. Hören/Schauen Sie mal rein!
Und wenn Sie einmal selbst bei einer größeren digitalen Weinprobe dabei sein wollen, schreiben Sie uns einfach eine Mail an chefredaktion@abendblatt.de