Hamburg. In dieser Folge von Vier Flaschen ist Pianist Joja Wendt zu Gast. Neben aktuellen Kreationen sind auch zwei Legenden ein Thema.

Seine schönste Weingeschichte hat Joja Wendt in der ­Ukraine erlebt. Ein russischer Oligarch hatte ihn im Jahr 2014 für ein exklusives Konzert in Kiew gebucht, „dreifache Gage im Voraus, Privatjet, ­Limousinen-Shuttle vom Flughafen“, eben das ganze Programm. Der Hamburger Pianist spielte vor 40 ausgesuchten Gästen, die zu der Eröffnung eines Casinos gekommen waren und dafür Spielchips im Wert von einer Million US-Dollar kaufen mussten.

Wendt machte seinen Job offensichtlich gut, sodass der Gastgeber ihn einlud, auch nach seinem halbstündigen Auftritt noch zu bleiben. „Was wollen Sie trinken?“, wollte er wissen. „Wie wäre es mit einem Glas Rotwein“, sagte Wendt. „Was für einen Rotwein?“, fragte der Gastgeber. „Was haben Sie denn?“, fragte Wendt, und da wurde sein Gegenüber etwas unruhig, um nicht zu sagen unwirsch: „Sag mir jetzt, was du trinken willst!“

Weinkonsum von Joja Wendt beschränkt sich auf die konzertfreie Zeit

Und was macht Joja Wendt? Er erinnert sich daran, dass ihm sein Vater einmal erzählt hat, dass der beste Rotwein aller Zeiten ein Cheval Blanc aus dem Jahrgang 1947 sei. „Also habe ich mehr im Spaß gesagt: Wie wäre es mit einem 47er Cheval Blanc?“ Den bekam er tatsächlich wenig später von einem Sommelier ausgeschenkt, „gleich ins Glas, und ich musste ihn sofort trinken, damit er keine Chance hatte, umzukippen“, so Wendt. „Das war das größte Weinerlebnis, das ich jemals hatte.“ Er habe die Flasche allein geleert.

Diese vier Weine wurden diesmal  verkostet.
Diese vier Weine wurden diesmal verkostet. © Silkes Weinkeller | Silkes Weinkeller

„Ich liebe gute Weine“, sagt Joja Wendt, der diesmal in unserer Reihe „Vier Flaschen“ Gast von Michael Kutej, Lars Haider und Axel Leonhard ist. Einziges Problem: „Wenn ich auf Tournee bin, kann ich nicht einen Schluck trinken, weil ich 100 Prozent meiner Konzentration brauche und mir keinen Moment Müdigkeit erlauben darf.“ Deshalb beschränke sich sein Weinkonsum auf die konzertfreie Zeit, „und davon hatte ich zuletzt ja leider genug“.

Sekt oder Champagner sehr lange kühlen

Macht Wein immer müde? Nein, sagt Michael Kutej, der, um den Gegenbeweis anzutreten, mit der ersten Flasche etwas Prickelndes mitgebracht hat: Der Gramona La Cuvee 2016 ist ein biologisch-dynamischer Schaumwein aus den Rebsorten Xarello, Macabeo und Parellada, den die Familie Gramona in der spanischen Stadt Sadurni d’Anoia produziert.

Wie viel Kraft in ihm steckt, kann sich schon beim Öffnen zeigen: Deshalb sei es wichtig, einen Schaumwein, Sekt oder Champagner sehr lange zu kühlen. Je kälter die Flasche ist, desto geringer die Gefahr, dass der Korken mit voller Wucht herausschießt. Der Wein riecht nach Pfirsich, Joja Wendt schmeckt „frische Stachelbeere, wie gerade vom Strauch gepflückt“, Michael Kutej Zitronenabrieb und Mandel: „Der Wein hat etwas Bitteres, aber eben auch sehr Belebendes. Ich trinke einen Schluck und bin sofort wach.“

Ein Chablis ist immer ein Chardonnay

Zur zweiten Flasche, einem Wein vom Gardasee: Der Pratello Lugana Selezione ist der bekannteste Wein aus der Region „und hat eine Nase, bei der ich ausflippen könnte“, sagt Wendt. Er schmecke sensationell, nach Kräutern, Früchten und Blumen, „und er lädt einen ein, immer mehr davon zu trinken.“ Im Süden Deutschlands sei der Lugana so beliebt wie im Rest des Landes die Weine von Markus Schneider, „teilweise hat man Schwierigkeiten, überhaupt welchen zu bekommen“, sagt Kutej. Die aktuelle Flasche kostet 14,90 Euro.

Zur Flasche drei, einem Chablis Vauprin 2018 vom Weingut Roland ­Lavantureux, der für eine Premiere bei den „Vier Flaschen“ sorgt, denn noch nie ist dort ein Chablis getrunken worden. Erste Erkenntnis: Ein Chablis, benannt nach der französischen Region, in der er wächst, ist immer ein Chardonnay. Zweite Erkenntnis: Der Wein hat bewegte Zeiten hinter sich, „war zwischendurch fast schon mal verschwunden“, so Michael Kutej, habe heute aber wieder eine bessere Qualität und ein besseres Image.

Einen Rotwein gibt es für den Rotwein-Liebhaber Joja Wendt natürlich auch noch

Bei der aktuellen Flasche fände er „das Gefühl am Gaumen, wenn du einen Schluck genommen hast“, spektakulär, „das packt mich, es hat eine gewisse Würze und eine leichte Rauchigkeit“. Wendt schmeckt eine „angenehme Weichheit“, für Lars Haider hat der Chablis zwar eine schöne Cremigkeit, „ist mir aber ansonsten nicht spannend genug“, Leonhard fühlt sich an Waldmeister und Vanille erinnert. Der Chablis, die Flasche kostet 24,90 Euro, würde noch besser, wenn man ihn erst in drei oder vier Jahren trinken würde, so Kutej.

Einen Rotwein gibt es für den Rotwein-Liebhaber und -Geschichtenerzähler Joja Wendt natürlich auch noch, genauer gesagt einen Rioja, den Vina Real Reserva aus dem Jahrgang 2015, der 22 Monate im Holz gelagert wird. Er riecht und schmeckt nach Kokosnuss, Wendt hat wie Haider „dieses Bounty-Feeling“ – die beiden meinen damit natürlich den Schokoriegel.

Vier-Flaschen-Podcast auch als Schnellformat

Und wie endet ein Text, der mit einer Geschichte über teuren Rotwein begonnen hat? Natürlich mit noch einer Geschichte über teuren Rotwein, diesmal geht es um zwei Flaschen Mouton Rothschild aus dem Jahrgang 1986, Stückpreis 1200 Euro. Die hatte Michael Kutej im Weinkeller seiner Hanse Lounge liegen, bis ein Gast eine davon bestellte: „Ich habe mir dann in Ruhe beide Flaschen angeguckt, die bessere ausgesucht und die andere zurück ins Regal gestellt.“

Was unspektakulär klingt, endete in einer Wein-Katastrophe: Beim Aufstellen der Weine rutschte nämlich der Korken unbemerkt in die zweite Flasche, der Wein begann ganz langsam herauszutropfen – was Kutej zum Glück zwei Tage später bemerkte und versuchte, zu retten, was eigentlich nicht zu retten war.

Lust auf eine digitale Weinprobe?

Er dekantierte den Wein, holte den Korken mit einer Zange heraus und bot ein Glas Mouton Rothschild, 0,1 Liter, beim Mittagstisch zum Sonderpreis von 180 Euro (!) an, dazu gab es Hühnerfrikassee für 14,50 Euro. „Auf diesem Weg haben wir alles verkauft.“

Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Ganz neu: Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen gibt es jetzt alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird. Hören/Schauen Sie mal rein! Und wenn Sie bei einer digitalen Weinprobe dabei sein wollen, schreiben Sie uns einfach eine Mail an

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