Hamburg. Chinesische Hochküche in der Neuen Mitte Altona. Das Half The Sky gehört zum kleinen Gastro-Imperium des umtriebigen Julian Chen.

Was hat Ihnen in der langen Lockdownphase am meisten gefehlt? Wenn Sie zu den kulturaffinen Mitbürgern gehören, vermutlich Streichquartette, avantgardistische Theateraufführungen oder philosophische Diskussionszirkel.

Ich bin da etwas schlichter gestrickt: Obwohl ich selbst gern und viel koche, ging mir vor allem die fulminante Vielfalt der Aromen und Geschmäcker ab, die man in Hamburgs so wunderbar international ausgerichteter Gastronomie gemeinhin erleben darf, wenn nicht gerade irgendwelche Pandemien rumnerven.

Und, mal ehrlich: Die zwischenzeitlich doch sehr große Auswahl lauwarmer, in Unmengen von Plastik verpackter, daheim lustlos auf den Teller geklatschter Gerichte aus Togo (Pizza to go, Sushi to go, Sterneküche to go ...) kann das Genusserlebnis vor Ort, wenn frisch zubereitete Speisen von zarter oder harter Hand serviert werden, auch nicht ersetzen.

 Chinesische Hochküche fehlte besonders

Was mir am meisten abging, weil es ungemein schwierig ist, das mit europäische „Bordmitteln“ hinzuzaubern, war die enorm komplexe und vielschichtige, auf jahrtausendealten Traditionen basierende chinesische Hochküche. Seit Jahrzehnten zu den Meistern dieser Disziplin zählt der umtriebige Julian Chen, der gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern ein kleines Gastro-Imperium formte, das heute neben der „Keimzelle“, dem Ni Hao in Wandsbek, unter anderem das neue Yu Garden in Rotherbaum und das ebenfalls fast brandneue, Wochen vor dem ersten Lockdown eröffnete Half The Sky in der genauso taufrischen Neuen Mitte Altona umfasst. Letzterem sollen meine heutigen Zeilen gewidmet sein.

Gelegen ist das Half The Sky am Platz der Arbeiterinnen, der eigentlich den Namen „Platz der GenießerInnen“ tragen müsste – ist er doch großflächig mit dem praktischen, weil Covid-testfrei nutzbaren Gastgarten des Restaurants bestuhlt.

Serviert wird eine Vielzahl traditioneller Gerichte, hauptsächlich aus der Shanghai-und Szechuan-Küche. Zu den Klassikern zählen die täglich frisch bereiteten, ursprünglich aus dem Norden Chinas stammenden Teigtaschen
(4 Stück € 7,70, 8 Stück € 14,90). Ob gekocht und mit Schweinefleisch und Gemüse gefüllt, gedämpft mit Schweinefleisch und Knoblauch, als Karottenteigtasche mit Ochsenschwanz und Rettich, gedämpft mit Krabben, Bambus und Pilzen oder in einer der veganen Versionen: Das macht Freude.

Festtags-Menü ist bester Zugang zur Aromenwelt des Half The Sky

Eine echt schöne Möglichkeit, in die Aromenwelt des Half The Sky einzutauchen, ist das tischweise servierte Festtags-Menü wie in China, bei dem alle Gerichte zum Teilen in der Tischmitte serviert werden – geht ab zwei Personen, aber je mehr Leute dabei sind, desto mehr verschiedene Sachen können Sie dabei entdecken.

Geschmorte Auberginen im Feuertopf mit roten Zwiebeln und Ingwer.
Geschmorte Auberginen im Feuertopf mit roten Zwiebeln und Ingwer. © Half The Sky | Half The Sky

Das Ganze startet mit kalten Vorspeisen wie zum Beispiel getrockneten kleinen Fischen mit gerösteten Erdnüssen und getrocknetem Chili, Sichuan-Salat aus dünnen, marinierten rohen Kartoffelstreifen mit Morcheln und Sesamöl, aktuell auch mal Salat von weißen Spargel mit Jalapeño-Scheiben oder Salat von frischem Spinat mit Sesam und Reisessig.

Es folgen warme Vorspeisen mit einigen der eingangs erwähnten Teigtaschen und Frühlingsrollen, bevor es zu den Hauptgerichten geht: meist Klassiker wie die Breiten Bohnen mit Senfgrünkohl, das von mir hoch geschätzte Kaiserliche Huhn mit Cashewnüssen und Chili, geröstete Ente mit Shitake-Pilzen oder gegrilltes Kabeljaufilet mit Roten Zwiebeln.

Im Anschluss gibt’s dann noch ein kleines hausgemachtes Grünteeeis. Wer dann realisiert, dass ihm der ganze Gaumenschmaus mit 27,50 Euro pro Nase in Rechnung gestellt wird, wird sich darob mit Sicherheit nicht grämen.

Entenfreunde sollten das Pekingenten-Menü wählen

Entenfreunde fahren ganz gut mit dem Pekingenten-Menü (€ 35 p. P): Erst naht die knusprige Entenhaut mit hauchdünnen Pfannkuchen zum Einrollen, es folgt eine klare Entensuppe mit Shiitake-Pilzen, das eigentliche Entenfleisch wird im Wok mit Chili, roten Zwiebeln und Lauchzwiebeln gebraten, den Abschluss bildet auch hier ein Grünteeeis mit Lychees.

Lesen Sie auch

Wenn Ihnen die Menüs zu umständlich sind: Mein Favorit bei den vegetarischen Gerichten sind die geschmorten Auberginen im Feuertopf mit roten Zwiebeln, Paprika und Ingwer (€ 14,90), beim Fisch brilliert das in Öl gekochte Welsfilet mit Sichuan-Gewürzen auf Shanghai-Paksoi (€ 19,90), Fleischfreunde werden glücklich mit gegrilltem Schweinebauch „Korean Style“ vom Schleswig-Holstein-Schwein mit fermentierter Bohnensauce und Eisbergsalat (€ 18,90).

Last but not least: Es gibt explizit nix, was zu chinesischer Hochküche besser passt als exzellente Rieslinge – und da die Chens große Fans dieser Rebsorte sind, gibt es hier eine grandiose Auswahl trockener und feinherber Rieslinge bester Erzeuger. So geht Glück im Restaurant.