Hamburg. PCR-Tests legen nahe: Gewaltige Dunkelziffer bei Infektionen. Inzidenz deutlich höher als gedacht. Leonhard über zweite Booster-Impfung.
Wer kann das noch verstehen? Die Zahlen und Einschätzungen zur Corona-Pandemie und zum Impfen in Hamburg erscheinen in diesen Tagen widersprüchlich. Die Sozialbehörde gibt die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz mit 751,9 Infektionen pro 100.000 Einwohner an. 392 Menschen werden in den Hamburger Krankenhäusern mit oder wegen Corona behandelt, 39 von ihnen sogar intensivmedizinisch. Wie das Abendblatt berichtete, wird die Dunkelziffer erheblich höher sein, weil viele Corona-Infektionen den Patienten wie eine Sommer-Erkältung erscheinen.
Und weil die Zahl der Bürgertests mit der neuen Testverordnung dramatisch eingebrochen ist und auch die PCR-Testungen zurückgegangen sind, können die amtlichen Daten das tatsächliche Geschehen nicht spiegeln. Auch wenn die Krankenhäuser die Corona-Patienten gut schultern können, kommen sie dennoch in die Bredouille, weil Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte ebenfalls von der Corona-Sommerwelle 2022 erfasst wurden. Einige Häuser müssen Personal „umschichten“ und verschieben bereits wieder planbare Operationen.
Corona Hamburg: Das verraten PCR-Tests und Sieben-Tage-Inzidenz
Das annähernd wirklichkeitsgetreue Infektionsgeschehen in Hamburg zeigen die PCR-Tests, die in den Laboren gemacht werden. Im Labor Dr. Heidrich & Kollegen sind nach Auskunft von Jens Heidrich aktuell 73,5 Prozent der Abstriche PCR-positiv. In den Wochen davor lag der Wert sogar noch höher. Das sind Pandemie-Topwerte. Hier werden Tests ausgewertet, die vor allem aus Praxen und Testzentren kommen.
Das korrespondiert zwar mit der Inzidenz, die von 887 vor 14 Tagen wieder gefallen ist. Doch Positivwerte von mehr als 70 Prozent lassen nach Hamburger Erfahrung darauf schließen, dass die Inzidenz nicht bei 751, sondern beim doppelten Wert liegen dürfte. Vergleichszahlen mit den Januar- und Februarwerten legen das nahe, als die Inzidenz doppelt so hoch war und Anfang Februar sogar bei über 2400. Bundesweit spricht der Laborverband ALM aktuell sogar von weiter steigenden Positivraten (aktuell 55,3 Prozent).
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Hamburg hat den Höchststand der Infektionen also möglicherweise bereits hinter sich. Doch wer infiziert war, muss warten, bis er sich ein drittes oder viertes Mal impfen lassen kann. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) sagte am Dienstag: „Ob wir durch die Sommerwelle schon durch sind – da hätte ich große Zweifel, die ist schon ziemlich massiv.“ Die Nachfrage nach dem Boostern ist in Hamburg nach Auskunft von Ärzten gering.
Die beiden städtischen Impfzentren am Flughafen und in den Harburg Arcaden werden bei der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) bleiben. Sozialsenatorin Leonhard sagte aber, man werde wie von Behörden der Europäischen Union vorgeschlagen dort ermöglichen, dass schon Menschen ab 60 Jahren und Vorerkrankte die vierte Impfung erhalten können. Nach einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt ist das in vielen Hamburger Praxen bereits Alltag. Die Stiko empfiehlt die vierte Impfung ab 70 Jahren.