Hamburg. Die „Durchseuchung“ hat für die meisten Menschen in Hamburg längst stattgefunden, sagt ein bekannter Virologe.

Hamburgs Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen ist im Wochenvergleich weiter gesunken. Die Gesundheitsbehörde gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche am Dienstag mit 751,9 an. In der vergangenen Woche hatte der Wert in Hamburg noch 825,3 betragen, in der Woche davor 887,7.

Aufgrund unterschiedlicher Berechnungsgrundlagen liegt die von der Hamburger Behörde angegebene Inzidenz über der des Robert Koch-Instituts (RKI). Das Institut nannte am Dienstag einen Wert von 657,8 für Hamburg. Bundesweit lag die Inzidenz demnach bei 702,4.

Corona Hamburg: "Durchseuchung" hat bereits stattgefunden

"Der überwiegende Teil der Bevölkerung in Deutschland hatte bereits Kontakt mit dem Virus", schätzte der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit gegenüber der "Hamburger Morgenpost" ein. „Die 'Durchseuchung', wenn man den Begriff verwenden will, hat für die meisten Bürgerinnen und Bürger längst stattgefunden“, sagte der Forscher. Durchseuchung sei aber keine Strategie, sondern beschreibe nur den Verbreitungsgrad einer Infektionskrankheit.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit (Archivbild).
Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit (Archivbild). © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Nach Angaben des RKI wurden in Deutschland bislang mehr als 29 Millionen Infektionen nachgewiesen. „Die Zahl kann man wegen der Dunkelziffer locker verdoppeln“, sagte Schmidt-Chanasit. In Hamburg, das 1,9 Millionen Einwohner zählt, wurden laut RKI mindestens 659.561 Infektionen nachgewiesen.

Impfung schützt vor schweren Verläufen, nicht aber vor Ansteckung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich auf Twitter geschrieben, dass sich viele Bürger fragten, ob jetzt eine Durchseuchung durch die Hintertür komme. „Nein“, versicherte er – der von ihm im Juni vorgestellte Sieben-Punkte-Plan zur Vorbereitung auf den Herbst laufe schon an. Dazu gehöre unter anderem ein für alle Infektionsstufen ausreichendes Infektionsschutzgesetz.

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Die Impfung schütze zuverlässig von schweren Verläufen, Tod und Long Covid, aber nicht dauerhaft vor einer Ansteckung, erklärte Schmidt-Chanasit. Solange es keinen Impfstoff gebe, der eine Infektion dauerhaft verhindere, werde sich jeder irgendwann infizieren. „Es stimmt also nicht, zu sagen, es fände eine 'Durchseuchung durch die Hintertür statt', weil die Infektionen ja immer stattgefunden haben und auch weiterhin stattfinden werden“, sagte der Virologe.

Corona Hamburg: Stiko will sich bald zur vierten Impfung äußern

Bei der Frage der vierten Impfung will Hamburg die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) abwarten. „Der Hamburger Senat äußert keine medizinischen Impfempfehlungen, sondern setzt die Empfehlungen der Stiko um“, erklärte am Dienstag der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Martin Helfrich.

Führende EU-Behörden hatten am Montag allen Menschen ab 60 Jahren eine weitere Auffrischimpfung empfohlen. Diese könnte mindestens vier Monate nach der vorherigen Impfung verabreicht werden, teilten die EU-Gesundheitsbehörde ECDC und die EU-Arzneimittelbehörde EMA mit. Auch Vorerkrankte sollten einen zweiten Booster bekommen.

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, hatte daraufhin angekündigt, dass sich die Stiko „relativ bald“ dazu äußern werde. Bislang empfiehlt das für Deutschland zuständige Gremium einen zweiten Booster nur Menschen ab 70 Jahren sowie einigen anderen Gruppen, darunter Menschen mit unterdrücktem Immunsystem, Pflegeheimbewohnern und Personal medizinischer Einrichtungen.