Hamburg/Hildesheim. In einem Hildesheimer Pflegeheim starben drei Menschen. Besonders brisant: Die Frau hatte einen gefälschten Impfpass vorgelegt.
Es ist ein möglicher Präzedenzfall: Nach einem schweren Corona-Ausbruch in einem Alten- und Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim hat die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen eine 45 Jahre alte ehemalige Mitarbeiterin erhoben. Das bestätigte eine Sprecherin dem Abendblatt auf Anfrage. Die Beschuldigte soll mit einem gefälschten Impfpass zur Arbeit gegangen sein – und in der Folge ein schweres Infektionsgeschehen ausgelöst haben. Drei Bewohnerinnen starben bei dem Ausbruch im Dezember 2021.
Anklage gegen 45-Jährige wegen fahrlässiger Tötung
Der Tatvorwurf gegen die 45-Jährige lautet auf fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen. Hintergrund ist, dass bei einer der Verstorbenen die Obduktion klar ergeben habe, dass sie an ihrer Covid-19-Infektion verstarb – bei den beiden weiteren Verstorbenen konnten andere Todesursachen nicht ausgeschlossen werden. „Die Beschuldigte hat zugegeben, einen gefälschten Impfpass genutzt zu haben“, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zum Ausbruch machte sie aber keine weiteren Angaben.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft habe die Frau sich mit dem Virus infiziert, ohne es zu bemerken. Spätestens drei Tage später habe sie einen Kollegen bei einer Kaffeepause infiziert. In den Tagen danach sei es zu mehreren Infektionen beim Personal und den Bewohnerinnen und Bewohnern des Heims gekommen. Darunter die drei Frauen im Alter von 93, 85 und 80 Jahren, die später verstarben. Deren Infektion sei „zumindest mittelbar“ durch die Angeklagte verursacht worden.
Fast alle Strafverfahren nach Ausbrüchen endeten mit Einstellung
Der Fall ist nicht nur wegen des gefälschten Impfausweises brisant. Seit Beginn der Pandemie kommt es zu zahlreichen Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen sowie medizinischen Einrichtungen – die Strafverfahren wurden bislang aber fast alle eingestellt, ohne dass es zu einer Anklage kam. In Hamburg konnte etwa der schwere Ausbruch auf Krebsstationen des UKE, bei dem elf Menschen starben, nicht tiefgehend aufgeklärt werden. Strafrechtlich blieb das Geschehen ohne Konsequenzen.
In dem Hildesheimer Fall arbeitete die Beschuldigte bis zu dem Ausbruch als Alltagsbegleiterin in dem Heim. Nachdem das Virus bereits im Heim kursierte, schöpfte die Leitung des Heimes einen Verdacht gegen die Beschuldigte und informierte auch die Polizei. Später stellte die Frau zusätzlich eine Selbstanzeige wegen des gefälschten Impfpasses. Wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte, wird wegen der Urkundenfälschung in einem getrennten Verfahren weiter ermittelt - alle Tatvorwürfe könnten aber gemeinsam vor Gericht verhandelt werden.
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Anwalt: „Vermutungen und nicht belegten Zusammenhängen“
Zunächst muss die Anklage jedoch vom Gericht zugelassen werden. Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Anklage vor allem auf eine Analyse der mutmaßlichen Übertragungswege in dem Heim während des Ausbruchs. Der Anwalt der Beschuldigten sprach gegenüber dem Abendblatt von einem fragwürdigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft. „Die Anklage beruht nur auf Vermutungen und nicht belegten Zusammenhängen.“
Der Strafverteidiger deutet bereits an, einen Einspruch gegen die Anklage erheben und einen Prozess noch verhindern zu wollen. „Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass meine Mandantin das Ausbruchsgeschehen verursacht hat“, so der Anwalt weiter.