Hamburg. Erst im September war das aufwendig sanierte Häuschen feierlich eingeweiht worden. Jetzt wurde es wieder zum Ziel von Vandalismus.

Sie könnte einem Roman des britischen Fantasy-Autors J.R.R. Tolkien entsprungen sein – die Eierhütte im Jenischpark. Eine Schrifttafel über dem Eingang widmet sie mit den Worten „Amicis et Qvieti“ den Freunden und der Ruhe. Doch in seiner bewegten Geschichte hat das nach den ovalen Fensteröffnungen benannte Holzbauwerk einiges durchgemacht, wurde immer wieder zum Ziel von Vandalismus.

Am vergangenen Wochenende wurde die Eierhütte nun erneut mit Graffiti beschmiert, geschätzter Kostenpunkt, um die Schäden zu beseitigen: 1000 Euro. Erst im September vergangenen Jahres war das für rund 25.000 Euro aufwendig grundsanierte Häuschen feierlich eingeweiht worden.

Eierhütte im Jenischpark mit Graffiti beschmiert

Paul Ziegler streicht behutsam mit der Hand über einen der massiven Stämme der Eierhütte. Rote und blaue Farbschlieren verlaufen quer über die Rinde des alten Eichenholzes. Der 84 Jahre alte Mitgründer des Vereins „Freunde des Jenischparks“ macht seinen Gefühlen Luft: „Als ich das gesehen habe, habe ich geflucht!“ Er atmet tief aus: „Danach mache ich immer erst mal einen Bogen um die Hütte, wenn ich spazieren gehe. Doch irgendwann denke ich, na ja, vielleicht kann man ja doch noch was machen.“

Gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Vereins griff Ziegler in den vergangenen Jahren immer wieder zu Hobel und Sandpapier, um die Graffiti zu entfernen – und sammelte den Müll, den die Hüttenbesucher dort zurückgelassen hatten, auf.

1975 war Ziegler mit seiner Frau in ein Haus am Rande des Jenischparks gezogen. Der pensionierte Lehrer für Kunst und Englisch entdeckte, dass es sich bei dem Park um ein ehemaliges Gartenkunstwerk handelte. Voller Elan beantragte er, den Jenischpark unter Denkmalschutz zu stellen. Um seinem Antrag mehr Gewicht zu verleihen, besuchte Ziegler ältere Parkanwohner auf der Suche nach Fotografien des ursprünglichen Gartenkunstwerks. Dabei stieß er auf Bilder einer Hütte, die ganz anders aussah als der kleine tempelartige Pavillon, an dem er auf dem täglichen Arbeitsweg zu seiner Schule auf der anderen Parkseite vorbeiradelte.

Die erste Eierhütte wurde schon 1790 errichtet

Er fand bei seinen Nachforschungen heraus, dass die ursprünglich um 1790 erbaute originale Eierhütte nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen worden war. Der Hamburger Architekt Ludwig Raabe hatte seinen eigenen Gartenpavillon an die Stelle der alten Eierhütte gesetzt, um die Idee eines Ortes der Ruhe und Freundschaft aufrechtzuerhalten. Über die Jahre wurde der Pavillon zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche.

Doch nachdem er in der Neujahrsnacht 1990 vollständig abgebrannt war, setzte sich Paul Ziegler ans Reißbrett. Mithilfe der alten Erinnerungsfotos aus der Nachbarschaft zeichnete er Baupläne für eine Rekonstruktion der ursprünglichen Eierhütte. Ein Zimmermann aus Nienstedten setzte seine Zeichnungen in die Wirklichkeit um. In Freistunden radelte Ziegler zum Park, um den Fortgang der Bauarbeiten zu begutachten. 21 Jahre nach seinem Antrag stellte die Stadt den Jenischpark 2001 schließlich unter Denkmalschutz.

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Inzwischen fallen die letzten Sonnenstrahlen auf den moosigen Giebel der Eierhütte. Zwei Jugendliche machen Selfies durch die ovalen Fensteröffnungen. Vom anderen Ende des Parks weht dröhnend Musik herüber. „Eigentlich wollte ich ja gar keine Führungen mehr machen“, sagt Paul Ziegler lächelnd. „Ich bin 84, jetzt müssen andere ran. Was wir nun brauchen, sind neue Freunde des Jenischparks.“