Hamburg. Polizeihund Beppo geht bald in den Ruhestand. Gemeinsam mit Frauchen Nicole Counradi bildet er seine Nachfolgerin Momo aus.

Kaum öffnet sich die Autotür, stürmt Momo heraus. Typisch Welpe. Ihre übergroßen Schlappohren drehen sich wie kleine Propeller um den Kopf. Die Schnauze am Boden schnüffelt die drei Monate alte Hündin über den Rasen – beste Anlagen für ihren späteren Job. Wenn sie mal groß ist, soll sie der Hamburger Polizei bei der Jagd nach Verbrechern und der Suche nach Vermissten helfen. Momo ist zwar noch nicht mal stubenrein – ihre Ausbildung zur Polizei-Personenspürhündin an der Diensthundeschule in Altengamme hat sie aber schon begonnen.

Nicole Counradi bildet Hamburgs Spürnasen aus

An diesem Dezembervormittag hat sich dichter Nebel über das weitläufige Gelände nahe der Landesgrenze gelegt. Aber was stört es schon Momo, wenn Mensch die Hand vor Augen kaum sieht? Im Zweifel kann sie sich auf ihren überragenden Geruchssinn verlassen. Forscher haben kürzlich herausgefunden, dass Hunde vor ihrem geistigen Auge sehen, was sie riechen. „Sie ist schon ziemlich wild und verspielt“, sagt ihr Frauchen, Polizeihundeführerin Nicole Counradi. „Beppo war schon immer deutlich ruhiger.“

Momo wird seinen Job übernehmen. In zwei Jahren, wenn Counradis längst ausgebildeter Personenspürhund Beppo in den verdienten Ruhestand geht. So ist es geplant, doch den zehnjährigen Rüden plagen einige gesundheitliche Probleme. Sollte er die in den Griff bekommen, erhält er nach der Pensionierung bis ans Ende seiner Tage eine Art staatliches Futtergeld als Dankeschön für den geleisteten Dienst. Noch bringt es der Veteran aber. Kleiner Beweis? Nicole Counradi legt die Mütze ihres Kollegen Sönke Schoth in eine Plastiktüte, lässt Beppo daran schnuppern, während Schoth in rund 50 Metern Entfernung in Deckung geht.

Personenspürhund Beppo übernimmt die Führung

Hundeführerin Nicole Counradi mit Beppo bei der Arbeit.
Hundeführerin Nicole Counradi mit Beppo bei der Arbeit. © Michael Arning | Michael Arning

„Such Mensch“, ruft Counradi, und schon zieht und zerrt Beppo an der Leine und die Beamtin hinter sich her. Das sieht ein bisschen ulkig aus, weil der Hund hier den Menschen zu führen scheint. Aber genauso ist es gewollt: Personenspürhunde sollen, wenn sie eine Spur verfolgen, rigoros die Führung übernehmen. Im Gegensatz zu den Polizei-Schutzhunden, die auf Kommandos gedrillt sind, müssen sie deshalb auch keine Gehorsamsprüfung ablegen.

Schoth ist in Sekundenschnelle „enttarnt“. Für Beppo nicht mehr als eine Fingerübung: Er kann die Spur von Menschen über Kilometer verfolgen. „Jeder Mensch hat einen Individualgeruch, der ist wie ein Fingerabdruck“, sagt Nicole Counradi. „Und durch diese Fähigkeit ist der Hund auch in der Lage, die Bewegungsrichtung einer Lebendspur, eines Menschen, zu verfolgen.“ Aus Sicht der Hamburger Polizei eignen sich für die Aufgabe bayerische Gebirgsschweißhunde wie Momo und Beppo am besten. Solche Bluthunde werden bevorzugt bei der Jagd eingesetzt, um verletztes Wild aufzuspüren.

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Hundenärrin Counradi war bei dem Pilotprojekt von Anfang an dabei

An der Diensthundeschule in Altengamme beginnen alle vierbeinigen Helfer der Polizei ihre Karriere: Personen-, Brandmittel-, Leichenspürhunde und Schutzhunde. Rund 50, darunter fünf Personenspürhunde, stehen aktuell im Dienst der Hamburger Polizei. Sie wachsen bei den Hundeführern auf, leben mit ihnen unter einem Dach und arbeiten mit ihnen zusammen. Im Jahr 2010 startete das Pilotprojekt Personenspürhund, und Nicole Counradi war von der ersten Stunde mit dabei. Sie gab dafür ihren Job als stellvertretende Dienstgruppenleiterin an einer Polizeiwache auf. Schon als Kind sei sie ganz vernarrt gewesen in Hunde, später dann fasziniert vom Sozialverhalten und der Interaktion zwischen Mensch und Tier, so Counradi. Ein weiterer Vorteil: Als Hundeführerin könne sie viel draußen arbeiten.

Bei ihr zu Hause in Rahlstedt leben inzwischen drei Hunde: Beppo, ihr „Privathund“ Bani, einst auf griechischen Straßen aufgelesen, und Neuzugang Momo. Die knuffige Spürnase in spe stieß Anfang November dazu. Wie das Zusammenleben klappt? „Besser als gedacht“, sagt die 51-Jährige. Beppo sei nicht eifersüchtig, ein Glück! „Und Beppo gibt mir das Gefühl, dass die Erziehung von Momo unser Projekt ist.“ Spricht Nicole Counradi über den vierbeinigen Staatsdiener, fällt häufig das Wort „uns“: unser Projekt, unsere Einsätze, unser Leben. Beppo begleitet die 51-Jährige auf Schritt und Tritt, sie besuchen den Wochenmarkt, fahren in den Dänemarkurlaub, verbringen 24 Stunden miteinander, beruflich und privat. Ein echtes Team. Der Alltag und die Vielzahl gemeinsamer Einsätze habe sie „ganz eng zusammengeschweißt“, sagt die Polizistin.

Beppo war auch bei der Suche nach dem vermissten Schotten Liam Colgan dabei

Rund 60 Einsätze absolvieren die beiden pro Jahr, vermutlich wegen der Corona-Krise war es 2020 nur die Hälfte. Die Suchen nach Vermissten und nach Straftätern hielten sich „etwa die Waage“, sagt Counradi. Mitunter klingelt auch nachts das Telefon, und die beiden müssen bei Wind und Wetter ausrücken. Die Schnüffeleinsätze führten sie beispielsweise nach Harburg, wo im Januar 2019 ein Apotheker unter mysteriösen Umständen ermordet worden war. In einem anderen Fall brachte Beppo praktisch im Alleingang einen Einbrecher hinter Schloss und Riegel. Außerdem half das Gespann, den Vermisstenfall Liam Colgan aufzuklären. Der 29-jährige Schotte war im Februar 2018 nach einem Junggesellenabschied auf dem Kiez spurlos verschwunden. Eine Spur führte nach Buxtehude, leider keine heiße. Als Beppo nicht anschlug, war den Beamten klar: In Buxtehude ist nichts zu holen. Im April 2018 wurde dann Colgans Leiche in der HafenCity aus der Elbe gezogen.

Weil sie Momo ausbilden muss, nimmt Counradi zurzeit kaum an Einsätzen teil, und bis zum erstem gemeinsamen Einsatz werden noch gut anderthalb Jahre vergehen. Die Nachwuchs-Schnüfflerin hat ihren Spieltrieb gerade an einem Stock ausgelebt. Jetzt streicht sie wie eine Katze an Counradis Beinen entlang – und muss noch eine (welpengerechte) Lektion lernen. Mit einem kleinen Gerät in der Hand erzeugt die Beamtin ein Klickgeräusch. Wenn Momo dann Augenkontakt mit ihr hält, darf sie als Belohnung ein wenig Lachscreme von der Tube abschlecken. So lernt der Welpe, sich auf Frauchen zu fokussieren und seine Aufmerksamkeit zu kanalisieren. Die Mini-Übung bewältigt Kommissarin Spürnase in spe mit Bravour. Scheint so, als habe die Polizei Hamburg bei ihrer Auswahl den richtigen Riecher gehabt.