Hamburg. Kunden empören sich über verlängerte Vertragslaufzeiten und abgebuchte Beiträge trotz geschlossener Studios. Keine Einzelfälle.
Eigentlich wollte Sophia Schelbert nur ein bisschen was für ihre Gesundheit tun. Ganzkörpertraining bei der Fitness-Kette Fit/One und das für 28 Euro monatlich, das klang gut für die 23-Jährige, die in Hamburg Erziehungswissenschaften studiert.
Doch das Verhalten des Unternehmens aus dem fränkischen Waldbrunn, das in der Hansestadt insgesamt drei Fitnessstudios mit mehreren tausend Mitgliedern betreibt, hat die Studentin in Corona-Zeiten ungewollt ins Schwitzen gebracht – und ihr jede Menge Ärger beschert.
Kündigung von Fit/One nicht akzeptiert
Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres und den damit verbundenen Schließungen der Studios wollte Schelbert raus aus ihrem Vertrag mit der Kette. "Fit/One hat aber meine fristgerechte Kündigung nicht akzeptiert, sondern stattdessen die Vertragslaufzeit einfach einseitig verlängert", sagt die Studentin dem Abendblatt. Beiträge seien immer weiter von ihrem Konto abgebucht worden – auch in der Phase, in der die Studios im Zuge der Corona-Pandemie geschlossen waren.
Nach Einschätzung der Hamburger Verbraucherzentrale sind diese Erlebnisse alles andere als ein Einzelfall. Viele Fitness-Ketten bitten ihre Mitglieder in Corona-Zeiten danach ungerechtfertigt zur Kasse. "Die Beschwerden über die Praktiken der Fitness-Ketten häufen sich derzeit auffällig", sagt Expertin Julia Rehberg. "In den vergangenen Monaten waren es sicherlich mehrere hundert."
Laufzeit um Lockdownzeit verlängert
Für Sophia Schelbert begann der ganze Ärger im Juli vergangenen Jahres. Da schickte sie Fit/One ihre Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dies wäre laut den Geschäftsbedingungen des Unternehmens Ende Oktober gewesen. Doch in dem Schreiben, das der jungen Frau ein paar Wochen später ins Haus flatterte, bestätigte die Kette die Kündigung erst zum 31. Januar 2021.
Als Fit/One den Monatsbeitrag im November immer noch abbuchte, versuchte die Studentin, die Kette zu kontaktieren – ohne Erfolg. Im Dezember widerrief sie dann das Lastschriftmandat und ließ den Beitrag zurückbuchen. Auch einen Anwalt schaltete Schelbert ein.
Fit/One: Ein Vertrag ohne Ende
Doch beendet war das Tauziehen mit dem Unternehmen damit noch lange nicht. Schelbert bemerkte, wie ihre Beiträge auf sogenannte "Bonus-" und "Konsumguthaben" umgebucht wurden, ohne dass ihr je erklärt worden wäre, wozu diese gut sein sollen.
Auch das Vertragsende verschob sich immer weiter nach hinten. "Mittlerweile wird in meinem Konto der April als letzter Monat meiner Mitgliedschaft angegeben", empört sich Schelbert. Obwohl ihr die schriftliche Kündigungsbestätigung für Ende Januar vorliegt.
Fit/One sieht sich im Recht
So wie Sophia Schelbert erging es auch diversen anderen Mitgliedern von Fit/One. Dem Abendblatt liegen noch die Berichte von drei weiteren Kunden vor, die ebenfalls von einseitig verlängerten Verträgen, mangelnder Kommunikation und weiter abgebuchten Beiträgen im Lockdown berichten. Eine Facebook-Gruppe mit Namen "Geschädigte Mitglieder Fit/One bundesweit“ hat weit über 1400 Mitglieder.
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Der Eigentümer der Kette Fit/One, Michael Mühleck, entschuldigte sich für entstandene "Kommunikationsprobleme" mit den Mitgliedern, verteidigte im Kern aber das Verhalten des Unternehmens. "Die derzeit erhobenen Beiträge werden den Mitgliedern gutgeschrieben und sie können dann entsprechend ohne weitere Kosten bei uns trainieren, sobald wir die Studios wieder öffnen dürfen", so Mühleck zum Abendblatt. Aus diesem Grund seien auch die Vertragslaufzeiten ausgeweitet worden. In den Monaten, die der Vertrag länger laufe, könnten die Kunden dann ihre Guthaben einlösen.
Chef der Kette: "Existenzbedrohende Krise"
Die strittige Praxis begründet Mühleck mit den großen Belastungen, denen das Unternehmen in der Corona-Krise ausgesetzt sei. "Die Lage ist für uns existenzbedrohend", sagt der Unternehmer, der viele Jahre selbst die Fitnesskette führte, mittlerweile die operative Führung aber an seinen Sohn Moritz übergeben hat. "Und die staatlichen Hilfen, die wir eigentlich bekommen müssten, fließen nur sehr zögerlich."
"Aus unserer Sicht ist es weder zulässig, weiter Beiträge während der Schließungszeit der Studios zu erheben, noch die Vertragslaufzeit einseitig zu verlängern", betont hingegen Verbraucherschützerin Rehberg. "Die vereinbarte Leistung wird nicht erbracht, wenn die Studios zu sind", so die Expertin. "Und warum sollte sich die Vertragslaufzeit verlängern, wenn diese vorher eindeutig festgelegt wurde?" Sie beruft sich dabei unter anderem auf ein Urteil des Amtsgerichts Papenburg aus dem Dezember vergangenen Jahres.
Verbraucherschützerin: "Zahlungen einstellen"
Rehberg empfiehlt allen Kunden, die Zahlungen an die Fitness-Studios während des Lockdowns einzustellen und gegebenfalls ausgestellte Lastschriftmandate zu widerrufen. Dasselbe gelte, wenn Forderungen nach der zuvor vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben würden.
Nach der Erfahrungen der Verbraucherschützerin gibt es derzeit neben Fit/One auch zahlreiche andere Fitness-Ketten, die versuchen, die Vertragslaufzeiten einseitig zu verlängern und weiter Beiträge zu erheben. So beschwerten sich etwa mehrere Kunden des deutschen Marktführers McFit bei der Verbraucherzentrale, ihnen seien im Lockdown gegen ihren Willen weiter Gelder abgebucht worden.
Beschwerden auch gegen Marktführer McFit
Das Unternehmen, das allein in der Hansestadt sieben Studios betreibt, teilte auf Anfrage hingegen mit, alle Mitglieder hätten die Möglichkeit ihren Vertrag zu pausieren. Viele hätten sich jedoch dafür entschieden auch während des Lockdowns weiterhin ihre Beiträge zu zahlen, so Unternehmenssprecher Pierre Geisensetter. "Die Loyalität ist beachtlich und wir wissen dies sehr zu schätzen." Jeder, der weiterhin seine Beiträge zahle, bekomme die Zeit der Studioschließung beitragsfrei am Ende der Mitgliedschaft ersetzt.
Längere Verträge auch bei Meridian
Die Hamburger Kette Meridian Spa & Fitness hat die Zahlungen ihrer Mitglieder während der von der Politik verordneten Schließzeiten zwar automatisch ausgesetzt. Doch auch hier werden die "verpassten Fitness- und Wellnesszeiten", an die eigentlich vereinbarte Dauer des Vertrags angehängt, wie eine Sprecherin dem Abendblatt sagte. Ein Vertrag, der eigentlich bis Ende Dezember gelaufen wäre, läuft also noch ein paar Monate länger, bis die Zeiten, in denen die Studios dicht waren, nachgeholt sind.
"Wir empfinden dies als fair, da den Mitgliedern durch diese Regelung ja keine zusätzlichen Kosten entstehen", so die Sprecherin. Insofern könne man auch nicht von einer Laufzeitverlängerung sprechen. In Einzel- oder Härtefällen sei man aber durchaus auch bereit, "individuelle Lösungen" zu finden.
Unklare Rechtslage
Bei dieser Regelung beruft sich Meridian auf ein Urteil des Landgerichts Würzburg aus dem Oktober 2020. Ein höchstrichterliche Entscheidung, die Klarheit in die verwirrende rechtliche Lage mit unterschiedlichen Urteilen bringen könnte, steht noch aus.
Für Sophia Schelbert ist nach den den Erfahrungen mit dem Anbieter Fit/One zumindest klar, dass sie erst einmal kein Fitness-Studio mehr von innen betritt – selbst wenn diese wieder geöffnet haben sollten. "Ich trainiere jetzt lieber eigenständig", sagt sie.