Hamburg. Geschäftsführer André Nagel über die Folgen der Schließung für seine 500 Mitarbeiter und ein kostenloses Fitness-Programm.

Seit dem 2. November befinden sich alle Sportstudios in Deutschland im Lockdown und mussten schließen. Normalerweise würden jetzt hier am späten Nachmittag Hunderte Menschen trainieren oder Wellness machen.

„Der Januar ist in der Regel ein sehr starker Monat. Am Jahresanfang sind die Menschen besonders motiviert, ihren Körper zu trainieren. Doch das ist ja nun leider nicht mehr möglich. Es ist paradox, denn in unseren Studios tun die Leute etwas für ihre Gesundheit, und das ist ihnen jetzt von der Regierung verboten worden“, sagt Nagel.

Der 44-Jährige ist der Geschäftsführer von Meridian Spa & Fitness und damit der Chef von acht Anlagen. Davon sind fünf in Hamburg, eine in Kiel, eine in Berlin und eine in Frankfurt. 38.000 Mitglieder, davon allein rund 25.000 in den Hamburger Studios, hat das Unternehmen.

Auch im Lockdown möchten André Nagel und sein Team die Hamburger fit halten

Aber auch im Lockdown möchten André Nagel und sein Team die Hamburger fit halten. Wie das geht? Der Meridian-Chef führt in das „Spirit Loft“. Hier zeichnen die Trainer pro Monat rund 100 Kurse auf, „die können dann entweder live über Facebook, YouTube oder Instagram verfolgt werden oder jederzeit von unserer Homepage heruntergeladen werden.

Coronavirus: Die interaktive Karte

Das Programm heißt Meridian@home. Darauf können auch Nichtmitglieder zugreifen, und alles ist kostenlos“, sagt Nagel. Außerdem bietet Meridian das sechswöchige „StartActive-Programm“ an. Auch das ist nach einer Registrierung über die Internetseite von Meridian für jedermann kostenlos, man habe mehrere Tausend Anmeldungen.

„Das ist ein Onlinecoaching mit dem Ziel, fit ins Jahr 2021 zu starten. Unsere Experten geben in Onlinesessions ihr Wissen zu Themen wie Stoffwechsel, Immunsystem und Fitness weiter“, sagt Nagel. Aus einer aktuellen Umfrage des DSSV, des Arbeitgeberverbandes der deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen, geht hervor, dass die Studios im vergangenen Jahr durchschnittlich rund 25 Prozent ihrer Mitglieder verloren haben. Zur Erinnerung: Wegen des ersten Corona-Lockdowns mussten die Fitnessstudios – je nach Bundesland unterschiedlich – in Hamburg vom 16. März bis zum 28. Mai schließen. „Wir hatten im vergangenen Jahr nur einen Mitgliederrückgang von rund sechs Prozent. Damit liegen wir zum Glück weit unter dem Durchschnitt“, sagt Nagel.

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Mitgliedsbeiträge werden nicht mehr eingezogen

2020 wurde die Kette von dem englischen Unternehmen David Lloyd Leisure (DLL), nach eigenen Angaben Europas größtem Anbieter für „Schlägersport-, Wellness- und Fitnessstudios“, übernommen. Dahinter steht ein finanzstarker Fonds. „Das hilft uns natürlich, durch diese Krise zu kommen. Wir haben ja schon wieder seit fast drei Monaten so gut wie keine Einnahmen mehr“, sagt Nagel. Seine Botschaft ist klar. „Unsere Anlagen sind, auch wenn wir das nicht zu verantworten haben, zurzeit geschlossen. Wir können also nicht die versprochene Leistung bringen. Deshalb ziehen wir seit Anfang November keine Mitgliedsbeiträge mehr ein. Das haben wir auch schon im ersten Lockdown im April und Mai so gehandhabt“, sagt der Meridian-Chef.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Der DSSV-Umfrage ist auch zu entnehmen, dass die Umsatzrückgänge bei den Studios im vergangenen Jahr im Durchschnitt bei fast 39 Prozent lagen. Diese Zahl könne man auch für Meridian nehmen, sagt Nagel. Und wie sieht es mit staatlicher Unterstützung aus? „Wir haben von der angekündigten November- und Dezemberhilfe der Regierung bislang Abschlagszahlungen von 100.000 Euro für alle Anlagen erhalten. Wie viel wir letztendlich wirklich bekommen, wissen wir noch nicht, aber aktuell bewegen wir uns mit den ausgezahlten Hilfen eher bei zwei Prozent als bei den versprochenen 75 Prozent des Umsatzes.“

Angestellte sind in Kurzarbeit

Die Ausgaben laufen auch bei Meridian weiter. Der größte Anteil sind die Mieten für die acht Anlagen. Was Nagel begeistert, ist die Unterstützung der Mitglieder. So zahlen rund 500 „Supporter“ ihre Mitgliedsbeiträge weiter, und seit Januar nutzen zusätzlich rund zehn Prozent der Mitglieder ein Benefitprogramm, um das Meridian zum Beispiel durch den Kauf von Gutscheinen oder Fitnessprodukten zu unterstützen. „Das freut uns natürlich. Aus den finanziellen Mitteln der Supporter unterstützen wir Mitarbeiter in Notfällen.“

Die rund 500 Angestellten von Meridian Spa & Fitness sind weitgehend in Kurzarbeit. Das Unternehmen stocke bislang auf rund 80 Prozent auf. Aber es sei nicht nur das Geld, die Mitarbeiter bräuchten dringend eine Perspektive, wann es wieder losgeht, sagt Nagel. Das weiß aber keiner. Nagel hofft, dass es im März einen Neustart für die Studios gibt.

 „Wenn dieser zweite Lockdown vorbei ist, dann werden die Menschen richtig Lust auf Sport und Wellness haben"

„Wir können sofort wieder loslegen. Nur für das Schwimmbad brauchen wir einen Vorlauf von vier Tagen.“ Und die Zwangspause nutzt Meridian, um „unser bewährtes Hygienekonzept zu erweitern“: 33 Luftreiniger hat das Fitnessunternehmen für die Kursräume der acht Anlagen bestellt, „die sollen bis zu 99,95 Prozent der Aerosole aus der Luft filtern“, so Nagel. In diese Geräte hat Meridian rund 100.000 Euro investiert. Beim Abendblatt-Besuch ist die Hamburger Malerin Jeannine Platz gerade dabei, einen der eher schmucklosen Luftreiniger in ein Kunstwerk zu verwandeln. Diese sollten nicht nur ihren wichtigen Zweck erfüllen, sondern auch in ihrer optischen Präsenz eine positive Wirkung haben, erklärt Platz.

 Unterdessen denkt André Nagel über die Zukunft nach und lächelt. „Wenn dieser zweite Lockdown vorbei ist, dann werden die Menschen richtig Lust auf Sport und Wellness haben. Dann werden unsere Anlagen endlich wieder mit Leben gefüllt.“