Hamburg. Seit dem Frühjahr läuft ein Pilotprojekt mit No-Parking-Zonen für E-Scooter: Warum Voi Bußgelder in Hamburg selbst zahlt – noch.

Sie stehen mitten auf dem Fahrradstreifen, liegen quer auf dem Gehweg oder blockieren Hauseingänge – E-Scooter sind für viele Menschen in Hamburg ein Ärgernis. Um die Situation in den meist engen und dichtbesiedelten Quartieren der Stadt zu entschärfen, haben die Anbieter der E-Scooter zusammen mit der Verkehrsbehörde im Frühjahr ein Pilotprojekt gestartet.

In der Schanze und am Jungfernstieg sind in Abstimmung mit den Bezirken, dem Stadtteilbeirat, der Verkehrsbehörde und der Polizei feste Abstellflächen für die E-Roller eingerichtet worden. Wird beispielsweise ein E-Scooter im Schanzenviertel außerhalb dieser markierten Flächen abgestellt, kann der Nutzer die Miete nicht beenden. Doch wie haben sich feste Abstellflächen in Kombination mit umliegenden Parkverbotszonen bislang in beiden Quartieren auswirkt?

Verkehr in Hamburg: E-Scooter-Regeln werden gut angenommen

"Die Abstellflächen werden gut angenommen, wie uns die Bezirke zurückmelden", sagt Dennis Krämer, Sprecher der Verkehrsbehörde und fügt hinzu: "Dies können wir auch anhand von GPS-Auswertungen nachvollziehen." Auch die Polizei bestätigt, dass bei den Polizeikommissariaten, die für den Jungfernstieg und die Sternschanze zuständig sind, keine Beschwerden eingegangen sind. Caspar Spinnen, Sprecher des E-Scooter-Anbieters Voi spricht von einem "spürbaren Effekt" und dass sich die Zahl der Beschwerden mindestens halbiert habe. Auch die Leihfirma Tier hat gute Erfahrungen gemacht. Laut Sprecher Florian Anders ist mehr Ordnung im öffentlichen Raum erkennbar.

Feste Parkzonen und Abstellverbote sind allerdings nur ein Teil der Lösung. "Infolge der vergleichsweise großen Parkverbotszone ist zu beachten, dass es an den Rändern hin und wieder zu leichteren Ballungen kommt", sagt Dennis Krämer. Um solche Situationen zu verhindern, hat die Stadt mit den fünf Anbietern Bird, Voi, Bolt, Tier und Lime im September weitere Maßnahmen beschlossen.

Hamburg gibt vor, wo E-Scooter kontrolliert werden sollen

So soll es regelmäßige Kontrollgänge von Mitarbeitern der Anbieter geben, die dann rücksichtslos abgestellte E-Roller umparken. "Die Stadt hat uns vorgegeben, in welchen Zonen diese Fußpatrouillen stattfinden sollen", erklärt Caspar Spinnen. Zudem könne Voi auch anhand von GPS-Daten erkennen, wo es beispielsweise zu größeren Ansammlungen komme.

Doch nicht nur die Anbieter selbst gehen auf Patrouille. Krämer: „Unser Landesbetrieb Verkehr ist mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – zusätzlich zu den Kontrollen durch die Polizei – seit dem 18. Oktober dabei, auch verkehrsgefährdend abgestellte E-Scooter zu beseitigen und – wenn nötig – auch Bußgeldverfahren einzuleiten.“ Bis zum 25. November waren es laut Innenbehörde insgesamt 868 Verfahren, bei denen bisher 3130 Euro Bußgeld verhängt wurden – viele Verfahren sind noch nicht abgeschlossen, die Summe wird also noch steigen.

450 Strafen wegen falsch geparkter E-Scooter in einem Monat

Allein bis zum 30. Oktober wurden 191 Ordnungswidrigkeiten vom LBV erfasst. Bis zum 18. November, also innerhalb eines Monats, waren es laut dem Sprecher der Verkehrsbehörde sogar schon insgesamt 458.

Parksünder müssen mit einer Strafe von zehn Euro rechnen, ist jemand geschädigt worden, liegt die Strafe bei 35 Euro. "Sind die Fahrer nicht oder nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermittelbar, so kann vom Halter, also von den Anbietern, ein pauschalierter Kostenersatz von in der Regel 23,50 Euro erhoben werden", sagt Dennis Krämer.

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In welcher Höhe die Anbieter bislang zur Kasse gebeten wurden, ist unklar. "Zur Anzahl der Verfahren oder Bußgelder können wir keine Angaben machen", sagt Tier-Sprecher Florian Anders. Lasse sich zweifelsfrei belegen, dass der letzte Nutzer des E-Scooters die Miete im Halteverbot beendet hat und das Fahrzeug unsachgemäß abgestellt hat, dann könnte Tier Bußgelder entsprechend weiterreichen.

Voi zahlt Strafen bisher selbst – aber nicht mehr lange

"Wenn nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, dass der letzte Mieter oder die letzte Mieterin die Miete im Halteverbot beendet hat oder gegen andere Regel verstoßen hat, können wir den Nutzer oder die Nutzerin nicht sanktionieren", sagt Anders.

Auch Voi hat dieses Problem. "Es ist nicht immer nachvollziehbar, wer verantwortlich ist", sagt Caspar Spinnen. Ferner sei auch nicht immer der letzte Nutzer identifizierbar. Da helfe dann auch nicht der Lösungsansatz, bei Rückgabe des E-Scooter ein Foto zu machen, das das ordnungsgemäße Parken dokumentiert.

Deswegen habe Voi Forderungen der Bußgeldstelle bislang selbst beglichen. Spinnen spricht deutschlandweit von einer fünfstelligen Summe. Allerdings werden künftig Nutzer zur Kasse gebeten. Bei wiederholten Auffälligkeiten würden zudem Nutzer in der App gesperrt.

Voi registriert täglich 10.000 Fahrten mit E-Scootern

Damit die E-Scooter in Zukunft weniger ein Ärgernis oder gar eine Gefahr sind, ist für die Verkehrsbehörde eine weitere enge Zusammenarbeit mit den Anbietern von E-Rollern nötig. Zumal die rund 9000 E-Scooter in Hamburg offenbar auch immer beliebter werden. Dennis Spinnen: "Mit den schrittweisen Lockerungen der Corona-Maßnahmen und dem Beginn der Sommermonate ist die Nachfrage exponentiell angestiegen: Über 10.000 Fahrten absolvieren unsere korallfarbenen Roller in Hamburg jeden Tag – mehr als viermal soviel wie noch 2019."

Das sind die No-Parking-Zonen in Hamburg

Zudem ergänzten die E-Scooter in vielen Stadtteilen das Mobilitätsangebot. Dies belege unter anderem ein weiters Pilotprojekt. In Kooperation mit der Hochbahn und dem Anbieter Tier gibt es an den U-Bahn-Haltestellen in Langenhorn und Lokstedt fest Abstellflächen für E-Roller. Laut Verkehrsbehörde ist das Pilotprojekt seit seinem Start im Juni bislang positiv. Viele Menschen nutzen die E-Scooter, um zur U-Bahn zu kommen. "Damit ersetzen die Scooter auf dem Weg der 'ersten und letzten Meile' nicht selten das Auto", so Krämer.

In Zukunft möchte die Verkehrsbehörde auch in anderen Stadtteilen feste Abstellflächen für E-Scooter schaffen. Krämer: "Dazu gibt es in anderen Bezirken bereits Überlegungen, zum jetzigen Stand aber noch keine konkreten Umsetzungspläne."

Tier-Sprecher: Pkw-Parkplätze zu E-Scooter-Stellflächen machen

Auch die Anbieter befürworten diese Überlegung, betonen aber, dass es eine Kombination mit dem Free-Floating-Prinzip geben müsse. Laut Florian Anders sei basierend auf Erfahrungen in anderen europäischen Großstädten dies die optimale Lösung. "Zum einen verbessert sich die Abstellsituation im öffentlichen Raum durch die festen Parkflächen, zum anderen sind Nutzer*innen dank dem Free-Floating-Prinzip aber weiterhin flexibel mobil", sagt der Sprecher von Tier.

Zudem sagt Anders, das man eine hohe Dichte fester Abstellflächen bräuchte. "Denn mit einer Entfernung von 50 bis 60 Metern nehmen die positiven Effekte ab und schmälern den Nutzen", sagt Anders und bezieht sich auf eine Studie aus Norwegen. Um eine hohe Dichte zu schaffen, hat der Anbieter auch schon eine Idee: "Unser Wunsch ist, dass es mehr feste Abstellflächen gibt und dafür Pkw-Parkplätze in Stellflächen für E-Scooter, Fahrräder und Lastenräder umgewandelt werden.

Hamburg fordert einheitliche E-Scooter-Regeln vom Bund

Um die Situation grundlegend zu verbessern, sieht die Hamburger Verkehrsbehörde hingegen nur einen Weg: "Wir fordern den Bundesgesetzgeber auf, den Ländern, Städten und Kommunen ein klares Regelwerk zum Umgang mit den Scootern an die Hand zu geben", so Krämer. Hamburg selbst kann keine schärferen Regeln durchsetzen. Dies kann nur der Bund.

Deswegen sind auch alle mit den Anbieter vereinbarten Regeln, wie die No-Parking-Zonen auf freiwilliger Basis. Die Behörde hofft nun, dass mit der neuen Bundesregierung jetzt zügig ein klares Regelwerk entsteht.