Hamburg. 70 Beamte erlebten dramatische Szenen im Katastrophengebiet. Zwei Tage später wurden sie zurückgeschickt – ein Polizist berichtet.
An die dramatischen Szenen in Erftstadt, Ortsteil Blessem, erinnert sich der Hamburger Polizist Kristian G. noch gut. Wie er und seine Kollegen gegen die Fluten im Katastrophengebiet kämpften, wie sie es dabei zwischendurch selbst mit der Angst zu tun bekamen. Er berichtet von Rettungseinsätzen per Hubschrauber und davon, wie Beamte Kinder durch das Wasser trugen.
Kristian G. gehört zu jenen 70 Beamten der Hamburger Bereitschafts- und Wasserpolizei, die am Donnerstag zum Hochwassereinsatz nach Erftstadt ausrückten. Dort hatte das Unwetter, dort hatten die Wassermassen, mit am schlimmsten gewütet. Um 10 Uhr hatte die Hamburger der Ruf nach Hilfe erreicht – drei Stunden später waren sie auch schon auf der Autobahn, Richtung Katastrophengebiet.
Hamburger Polizist: „Es war schon unheimlich"
Ihr Ziel: der Ortsteil Blessem. Hier waren die Ränder einer Kiesgrube unterspült worden und abgebrochen. Ganze Häuser wurden fortgerissen. Seine Eindrücke schildert Kristian G. (52) als Mitglied der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er berichtet: „Die Hamburger Polizei hat als Hafenstadt viele Kleinboote. Die 9. Hundertschaft, der ich angehöre, hat als technische Einheit schweres Gerät und beherrscht Techniken, die dort gefragt sind“, sagt der Oberkommissar.
Deshalb war es keine Überraschung, dass Hamburger Polizisten angefordert wurden. Nach 450 Kilometern trafen sie am Donnerstag gegen 22 Uhr in Kerpen ein. Dort, rund 15 Kilometer vom eigentlichen Einsatzort entfernt, waren die Hamburger untergebracht. „Wir haben uns nur kurz verpflegt und sind dann weiter.“ Ihre erste Aufgabe: für Licht sorgen. „Es war schon unheimlich. Man hörte in der Dunkelheit das Rauschen des Wassers und wusste, dass weitere Teile an der Kiesgrube einstürzen können.“
Hamburger Beamten holten Menschen aus Häusern
Am Morgen begannen die Hamburger, die noch im Ort gebliebenen Menschen aus ihren Häusern zu holen. „Die Leute saßen in den oberen Etagen ihrer Häuser, teilweise auf dem Dach. Sie hatten, das merkte man ganz deutlich, Angst um ihr Hab und Gut. Es war schon bedrückend, sie dort wegbringen zu müssen. Aber es ging nicht anders“, so der Oberkommissar. Teilweise auf dem Rücken trugen Polizisten Kinder durch das Wasser.
Dort, wo die Strömung in dem oft hüfthohen Wasser stärker war, waren die Hamburger Polizeitaucher im Einsatz. Sie waren durch eine Leine gesichert und holten per Schlauchboot die Menschen aus ihren Häusern. Und das war kein Spaziergang: „An einige Häuser kam man nicht ran. Die Strömung war zu stark. Das war selbst den Kölner Strömungstauchern zu gefährlich“, sagt der Oberkommissar. Dort evakuierte die Bundespolizei per Hubschrauber die Gebäude. Rund 100 Menschen, teils mit Haustieren, retteten die Hamburger aus den Häusern.
„Das war schon beängstigend“
Am Freitagmittag finden die Hamburger in ihrer Unterkunft ein paar Stunden Ruhe, um 17 Uhr geht es weiter - zur Bundesstraße 265. „Dort standen in einer Senke überflutete Fahrzeuge“, sagt Kristian G. Da habe er begriffen, wie knapp viele Menschen davongekommen waren. „Jede Stunde sank der Pegel. Als die Autos rausschauten, sah man, dass an vielen Fahrzeugen die Türen offen waren, weil die Insassen sich Hals über Kopf in Sicherheit bringen mussten. Da bekommt man einen Eindruck, wie schnell das Wasser kam. Das war schon beängstigend.“
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In Blessem helfen die Hamburger den Bewohnern dabei, wichtige Unterlagen und Sachen aus ihren Häusern zu holen. Das alles muss im Eiltempo über die Bühne gehen, denn: „Zu dem Zeitpunkt drohte die Steinbachtalsperre noch zu brechen. Als es wieder dunkel wurde, sind wir wieder in die Unterkunft, diesmal ein Hotel bei Köln direkt am Rhein“, erinnert sich Kristian G.
Hamburger Polizei wollte weiter helfen
Am Sonnabend um 8 Uhr melden sich die Hamburger Beamten wieder einsatzbereit. Doch sie werden nicht gerufen. „Das war für mich und auch alle Kollegen total unbefriedigend. Alle wollten helfen, alle waren hoch motiviert. Wir hätten auch Sandsäcke gefüllt oder irgendetwas anderes gemacht.“
Stattdessen werden die Hamburger Polizisten um 13 Uhr aus dem Einsatz entlassen. Es geht zurück nach Hause. Hier erwarten sie Beamte der diensthabenden Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, sie bilden an der Zufahrt ein Spalier. Sie klatschen, als ihre Kollegen auf das Polizeigelände fahren. Kristian G. ist in diesem Moment aber nicht dabei. „Wir hatten eine Panne und kamen etwas später.“
Hochwasser: Hamburger Polizei fand keine Toten
Was ihm besonders in Erinnerung bleibt: „Ich bin froh, dass wir in unserem Bereich keine Toten gefunden haben. Aber da ist auch der Geruch von Heizöl, der in der Luft lag, und der schillernde Film, der die Gärten um die Häuser bedeckt. Ich als Kleingärtner weiß, wie schwer es ist, so einen Garten anzulegen. Die müssen völlig neu gemacht werden. Dort wird unendlich viel Arbeit nötig sein, bis die Gärten wieder schön sind.“
Aus dem Kopf geht auch der Hausbesitzer nicht, dessen Haus ebenfalls vollgelaufen war, der aber glücklich seine Versicherungspolice für Elementarschäden in den Händen hielt – die hatte er erst einen Monat zuvor abgeschlossen.