Hamburg. Damit 110 Musiker pünktlich zurück sind, bucht die berühmte Scala einen Charterflug. Was dann folgt, haben sie noch nie erlebt.

Es war ein umjubeltes Konzert, das das Opernorchester der berühmten Mailänder Scala in der Elbphilharmonie gab. Doch der Hamburg-Besuch der Musiker endete mit einem gewaltigen Missklang. Man könnte auch sagen: Der Ärger um die missglückte Abreise des Opernorchesters „Filarmonica della Scala“ ist riesig.

Wie jetzt bekannt wurde, strandeten die 110 Mailänder Musiker am Abend ihres Konzerts am Flughafen, weil ihr Flieger in Fuhlsbüttel nicht mehr abheben durfte. Mittlerweile liegt eine offizielle Beschwerde vor. Darin wird der umfangreiche Sicherheitscheck vor dem Abflug kritisiert. Auch Kultursenator Carsten Brosda ist eingeschaltet.

Flughafen Hamburg: Scala-Orchester strandet nach Konzert

Aber der Reihe nach: Nach der Vorstellung in der Elbphilharmonie sollte das Orchester am 18. Mai spätabends mit einer Chartermaschine zurück nach Mailand fliegen, um rechtzeitig zur Probe am Nachmittag des Folgetages sowie zur anschließenden Abendvorstellung in der Oper wieder zu Hause zu sein.

Was tatsächlich aber folgte, schildert Burkhard Glashoff, Geschäftsführer der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette, in einem Brandbrief an Flughafenchef Michael Eggenschwiler so: Nach Konzertende seien die Musiker umgehend in Bussen zum Flughafen gefahren, wo sie zwischen 21.15 Uhr und 21.25 Uhr eingetroffen seien. Boardingpässe seien bereits ausgestellt gewesen, sodass ein Teil der Musiker ohne Gepäck direkt zur Sicherheitskontrolle ging, während die restlichen 60 Musiker zunächst ihr Gepäck aufgaben und dann zur Sicherheitsüberprüfung weitergingen.

„Für die Musikstadt Hamburg entstehen durch solche Vorkommnisse erhebliche Reputationsschände,“ sagt Konzertveranstalter Burkhard Glashoff.
„Für die Musikstadt Hamburg entstehen durch solche Vorkommnisse erhebliche Reputationsschände,“ sagt Konzertveranstalter Burkhard Glashoff. © HA | Michael Rauhe

„Die Sicherheitskontrolle am Hamburger Flughafen verlief dann allerdings derart langsam und mit außergewöhnlichen Kontrollmaßnahmen“, schreibt Glashoff in seinem Brief an Eggenschwiler, den er auch an Kultursenator Brosda schickte. Jedes Gepäckstück und jeder Instrumentenkasten sei einzeln geöffnet worden. Das habe das Orchester mit „jahrzehntelanger Tourneeerfahrung noch in keiner Kontrolle erlebt“. Die Folge sei gewesen, dass es 1,5 Stunden dauerte, bis das Orchester vollständig durch die Kontrolle gelangt war. Der Bitte, die Kontrollen schneller durchzuführen, sei das Sicherheitspersonal nicht nachgekommen.

Flughafen Hamburg: Nachtflugverbot verhindert Start

Erst um 22.45 Uhr saßen alle Musiker im Flieger, so schildert es Glashoff. Dann habe es noch einmal rund 15 Minuten gedauert, bevor die Passagiere und die Boardingpässe gecheckt waren. Die Türen seien geschlossen worden. Um 23.02 Uhr habe dann der Pilot um die Startfreigabe gebeten, die Triebwerke der Maschine liefen bereits und der sogenannte Pushback des Flugzeuges hatte begonnen.

Die Filarmonica della Scala Mitte Mai bei ihrem Konzert in der Elbphilharmonie.
Die Filarmonica della Scala Mitte Mai bei ihrem Konzert in der Elbphilharmonie. © Sebastian Madej | Sebastian Madej

Doch das war zwei Minuten zu spät. Für den Hamburger Flughafen gilt ab 23 Uhr ein Nachtflugverbot. „Das Orchester musste das Flugzeug wieder verlassen und verblieb mit 110 Personen ohne weitere Unterstützung in der Ankunftshalle des Flughafens. Gegen 00.15 erbat das Flughafenpersonal, den Terminalbereich zu verlassen, weil die Grenzpolizei das Terminal schließen müsste“, so schildert es Glashoff in seinem Schreiben.

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Gestrandetes Scala-Orchester erhielt offenbar keine Hilfe

Katja Bromm vom Flughafen Hamburg bestätigte am Wochenende den Vorfall: Der geplante Abflug habe nicht am 18. Mai stattfinden können. Der Start der Chartermaschine von Air Horizont (aus Malta) sei ursprünglich für 22 Uhr geplant gewesen, so Bromm. Dafür, dass das Orchester nicht betreut wurde und ohne Unterstützung im Terminal blieb, hat man seitens des Flughafens eine Erklärung: Nach 23 Uhr ist kein Passagiermanager mehr im Dienst.

Man habe aus Gründen des Datenschutzes zudem keine Kenntnis, wer und wie viele Passagiere in Maschinen sitzen, die nicht mehr abfliegen können. Zur Beschwerde über die langsame Abfertigung in der Sicherheitskontrolle nimmt der Flughafen keine Stellung. Dafür sei die Bundespolizei verantwortlich, die an den Kontrollpunkten im Zugangsbereich zu den Terminals dafür Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens einsetzt.

Von der Bundespolizei heißt es dazu auf Anfrage des Abendblatts am Wochenende: Die fraglichen Personen seien ab 21.35 bis 22 Uhr am Check-in erschienen, die Letzten hätten die Bordkartenkontrolle am Eingang zur Luftsicherheitskontrolle um 22.30 Uhr passiert, wie der Sprecher der Bundespolizei, Jörg Rüstow, sagt. Die Zeiten werden per Video gesichert. Die meisten der Musiker hatten Handgepäck und viele zusätzlich ein Musikinstrument bei sich. Der Sprecher verwies darauf, dass Passagieren empfohlen werde, zwei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.

Eine späte Heimkehr nach Konzerten in Hamburg dürfte unter diesen Umständen allerdings generell kaum möglich sein. Die vorherige Information des Flughafens sowie der Bundespolizei über eine zu erwartende größere Gruppe mit engem Zeitplan wäre hilfreich gewesen, heißt es. Diese sei aber nicht erfolgt.

Flughafen Hamburg: Scala beziffert 20.000 Euro Schaden

Für die Musiker, die bereits im Flugzeug gesessen hatten, hatte der gestrichene Abflug jedenfalls weitreichende Folgen: Sie mussten eine weitere Nacht in Hamburg verbringen. „Die großen Verzögerungen an der Sicherheitskontrolle am Hamburger Flughafen haben an diesem Abend zu nicht kalkulierten Kosten in Höhe von etwa 20.000 Euro für Unterkunft und Transportmittel aufseiten des Orchesters sowie zu einem schwer zu beziffernden Image-Schaden geführt“, schreibt Glashoff.

Der Fall sei auch von mehreren italienischen Zeitungen aufgegriffen worden. „Neben dem unmittelbaren massiven finanziellen Schaden entstehen für die Musikstadt Hamburg durch solche Vorkommnisse erhebliche Reputationsschäden: Die weitere Stärkung des Standortes als feste Tourneedestination auf Gastspielreisen der bedeutendsten Klangkörper der Welt leidet darunter“, so Glashoff. Flughafenchef Eggenschwiler werde „auf jeden Fall“ auf den Beschwerdebrief des Konzertveranstalters antworten, kündigt seine Sprecherin Katja Bromm an.