Hamburg. Neustart mit 50.000 Besuchern am Wochenende. Schausteller und Geschäftsleute auf dem Heiligengeistfeld trotz allem zufrieden.

Wer nicht ahnt, dass es auf Malle richtig gutes Spanferkel im Roggenbrötchen gibt, sollte den Hamburger Dom besuchen. Wer anschließend seinen Magen in einer XXL-Ausgabe der Wilden Maus Achterbahn fahren lässt, findet bei einer „Weisen Frau“ Rat. Karin legt Karten als Spiegelbild der Seele: „Sie öffnen uns Türen für die Zukunft.“

Und wer bei einer Losbude ein paar Schritte weiter ein Riesenmonstrum mit blauen Glubschaugen und mausgrauer Gnubbelnase gewinnt, hält sich an den Spruch auf der himmelblauen Kapuzenjacke des Außerirdischen: „Locker bleiben“. Der nicht minder entzückende Kollege nebenan signalisiert auf seinem giftgrünen Shirt: „Alles Gucci“.

Viele Besucher auf Hamburger Sommerdom

Das passt. Volltreffer. Denn tatsächlich war beim ersten Sommerdom nach ungeplanter Jahrmarktpause eine Menge im grünen Bereich: Besucherzahlen, Coronadisziplin und vor allem die Atmosphäre stimmten verblüffend gut – widrigem, wechselhaftem Wetter zum Trotze. „Man merkte, dass lange kein Dom stattgefunden hat“, sagte Sören Lemke, Leier des Dom-Referats der Wirtschaftsbehörde. „Die Leute hatten wieder Lust auf Jahrmarkt.“

Am Eröffnungswochenende kamen rund 50.000 Gäste auf das Heiligengeistfeld. „Natürlich war es kein Vergleich mit dem Andrang vor der Pandemie“, sagte Robert Kirchhecker, der Präsident des Schaustellerverbandes Hamburg von 1884, „aber wir hatten mit weniger Publikum und weniger Umsatz gerechnet.“ Das Gros der Geschäftsleute sei ebenso überrascht wie zufrieden gewesen. Offensichtlich verfüge der Dom über treue Stammgäste. Diese hätten bei den Sicherheitsvorkehrungen Geduld gezeigt.

Mundschutz ist auf dem Dom Pflicht

Zutritt erhalten bei dem bis Ende dieses Monats durchgeführten Volksfest ausschließlich angemeldete Personen mit vollständiger Impfung, aktuellem Test oder beweisbarer Genesung. Überall auf dem Gelände ist ein Mundschutz notwendig. Ausnahmen sind Konsum von Speisen oder Getränken. Als Problem erwiesen sich zum Auftakt im Internet kostenfrei gebuchte Tickets für einen bis zu dreistündigen Dombesuch. 7000 Gäste dürfen sich zeitgleich auf der Anlage aufhalten.

Fast ein Drittel der angemeldeten Personen erschien nicht. Als Ursache vermutet das Dom-Referat vor allem am Sonnabend und Sonntag die Witterung mit überraschenden, bisweilen heftigen Regenschauern. „Wir haben flexibel reagiert und immer wieder neue Kontingente für Spontanbesucher freigeschaltet“, sagte Sören Lemke im Namen der federführenden Wirtschaftsbehörde.

Motto auf Hamburger Dom: „Sauber bleiben, Digga“

Strenge Einlasskontrollen auf dem Heiligengeistfeld.
Strenge Einlasskontrollen auf dem Heiligengeistfeld. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Jeder Besucher wurde am Eingang registriert und an separaten Ausgängen elektronisch abgemeldet. Nach anfänglichen Pannen funktionierte diese Praxis immer reibungsloser. Was die Organisation insgesamt betraf. Die Schausteller hatten die pandemiebedingte Zwangspause sinnvoll genutzt. Zugänge und Abstandsregeln waren in der Regel mustergültig organisiert.

Pfeile, Fußmarkierungen und Einbahnpassagen wiesen den Weg. Vielerorts waren Desinfektionsstationen eingerichtet. Das aufgedruckte Motto war Programm: „Sauber bleiben, Digga.“Als am Sonnabend um 18 Uhr starker Regen niederging, hielten sich dennoch etwa 6000 Besucher auf dem Jahrmarkt auf. Fast jeder hatte Schirm, Regenjacke oder Ostfriesennerz dabei. Außerdem gab es ausreichend Unterstellmöglichkeiten.

Kein Rummel aber reges Treiben

Es herrschte kein Rummel wie früher, indes reges Treiben. Das Gros der Fahrgeschäfte und Futterbuden war gut besucht. Vor der Erlebniswelt Viva Cuba und dem Fan House harrte die Kundschaft – mit Abstand. Im höllisch wilden Dreamer waren nicht nur die blitzschnell rotierenden Waggons mit Logos des FC St. Pauli und des HSV dauerbesetzt. Vor einer Geisterbahn zeigte die Uhr neben einen am Haken baumelnden Skelett die Zeit: fünf vor Zwölf. Natürlich unwahr.

Auf Augenhöhe mit dem „Tele-Michel“ im Karussell.
Auf Augenhöhe mit dem „Tele-Michel“ im Karussell. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Auch im Entenpalast hatten Martina Voss und ihr Sohn Christian alle Hände voll zu tun. Seit 1821 ist ihre Familie auf norddeutschen Märkten im Einsatz. Neben vier Buden mit Entenangeln an verschiedenen Standorten betreibt das Familienunternehmen aus Scharbeutz zwei Imbisse sowie ein Kinderkarussell. Eindruck am Sonnabendabend: Klassische Amüsierbetriebe locken Klein und Groß. Damals wie heute. Im Gegensatz zu drei Konkurrenzständen auf dem Sommerdom wird bei Frau Voss nicht mit Magneten geangelt, sondern mit Haken und Ösen.

„Der Start lief ganz hervorragend“

Fingerspitzengefühl ist gefragt. Ohne Glück geht gar nichts. Zehnmal Angeln kosten drei Euro. Die farbige Markierung am Unterleib der 1000 quietschbunten Enten zeigt nach dem Fang die Gewinnpunkte. Weiß, Rot und besonders Braun bringen am meisten, Schwarz und Grün am wenigsten. Da die Plastiktiere im Wasser treiben, müssen sie regelmäßig abgewischt und entkalkt werden. „Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagte Sascha Belli, Vorsitzender des Landesverbandes des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller in Hamburg am Sonntag.

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Man habe die Messlatte nicht hochgelegt, indes mit erheblich weniger Andrang und Umsatz gerechnet. Sein Fazit: „Wir sind angenehm überrascht. Der Start lief ganz hervorragend.“ Es bestätigte sich die alte Wirtschaftsweisheit: Essen und Trinken gehen immer. Auch bei böigem Wind und Schauergefahr. Das kann doch einen Hamburger nicht erschüttern. Eher die Preise: Dosenwerfen für drei Euro, ein halber Liter Köpi für 6,50 Euro oder ein Nulldrei Astra für vier Euro sind ähnlich deftig wie Currywurst für 4,50 Euro.

Die ganz Harten enterten die Wildwasserbahn

„Die Schausteller hatten eine lange Dursttrecke“, meinte Beatrice an einem Holzfass vor dem Schankbetrieb Wilfried Voß. Sie gönnte sich ein Bier der Marke Corona. Die ganz Harten enterten die Wildwasserbahn oder hauten den Lukas. Wer mit 200 Kilogramm Kraft hämmerte, erhielt für diese „Damenhöhe“, so die Aufschrift, das Testat Schlappschwanz.

Mit 400 Kilogramm schlug Mann sich zum Casanova, mit 500 zum Champion. Volks-fest eben. Nebenan führte der Weg nach „Malle“. So heißt das originell gestaltete Dorf inmitten des Doms. Neben Bratwurst, Spanferkel und Ohrringen locken handbetriebene Boote für Kinder und ein Strand à la Hansestadt: Sand, Planschbecken und Liegestühle. So kann man bei Regen von Sonne träumen. 28 Tage lässt uns der Sommerdom noch Zeit dafür.