Hamburg. 21 Kitas geschlossen, 167 positive Tests an Schulen. Senat prüft Maßnahmen. Eltern und Lehrer stellen Forderungen. Ein Lagebericht.

Wie dramatisch die dritte Coronawelle ausfällt, ist zwar noch ungewiss – doch bereits jetzt zeichnet sich ab: Kinder und Jugendliche haben angesichts der Virusmutation ein höheres Infektionsrisiko als in allen vorigen Phasen der Pandemie.

Die steigende Inzidenz macht sich dabei in Kitas und Schulen bereits bemerkbar. Wie die zuständigen Behörden auf Anfrage bestätigten, sind derzeit 21 Kitas wegen mehrerer Coronafälle geschlossen. An Schulen gab es in der vergangenen Woche 167 positive Schnelltests. Diese sind aber noch nicht jeweils durch einen PCR-Test verifiziert.

Schule: 84 Prozent lassen sich freiwillig testen

Die Schulbehörde betonte, dass insgesamt 121.505 Tests durchgeführt wurden und die Quote somit extrem gering sei. Die Teilnahmequote unter den Schülerinnen sei mit 84 Prozent für ein freiwilliges Angebot auf der anderen Seite sehr hoch.

 „Der Schulbetrieb ist dadurch deutlich sicherer geworden“, so der Behördensprecher Peter Albrecht – insgesamt funktioniere das vorsichtige Wechselmodell in den Schulen „sehr gut“.

Schulschließungen in Hamburg "nicht auszuschließen"

Gleichwohl werden nach Abendblatt-Informationen im Senat angesichts der steigenden allgemeinen Infektionszahlen nicht nur weitere Testmöglichkeiten, sondern auch erneute Einschränkungen geprüft. „Wir beobachten sorgfältig die Lage. Es ist nicht auszuschließen, dass Schulen bei sehr hoher Inzidenz wieder geschlossen werden müssen“, sagte Albrecht.

Nach den Beschlüssen auf Bundesebene wäre dies bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 vorgesehen, aber auch früher denkbar. Andererseits zeigen einzelne andere Bundesländer laut Albrecht auch, „dass der Schulbetrieb bei ähnlich hohen Inzidenzzahlen wie derzeit in Hamburg nicht eingestellt werden muss“.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Angespannte Stimmung bei Eltern und Schülern

Die Stimmung unter Eltern, Lehrern und Schülern ist jedoch vielerorts angespannt. So werden etwa die beiden Töchter der Familie Hinze (Name geändert) schon seit einer Woche wieder zu Hause unterrichtet. Nur wenige Tage gingen die beiden im Wechselunterricht zur Schule. „Mir war das Risiko einer Quarantäne für die Mädchen einfach zu groß“, sagt Wiebke Hinze. Ganz zu schweigen von dem Risiko einer Ansteckung.

Ihre Töchter besuchen die erste und dritte Klasse einer Grundschule im Stadtteil Fuhlsbüttel. Ihren vierjährigen Sohn hat sie gar nicht erst in die Kita gebracht. Und ist mittlerweile sehr froh darüber. „Schon nach wenigen Tagen gab es gleich zwei Fälle in der Kita.“

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Auch in den Abschlussklassen an Schulen gehen Jugendliche mit gemischten Gefühlen zum Präsenzunterricht. „Am liebsten würden wir erst zum Beginn der Prüfungen in drei Wochen vor Ort sein“, sagt eine Abiturientin, die bereits wegen eines Coronafalls in ihrer Klasse in Quarantäne ist. Sie hatten gemeinsam am Sportunterricht teilgenommen, der weiterhin wie üblich stattfinden soll.

Elternkammer fordert Testpflicht an Schulen

Die Elternkammer begrüßte zwar am Montag, „dass Beschulung oberste Priorität hat“, wie die Vorsitzende Alexandra Fragopoulos dem Abendblatt sagte. „Allerdings sollte dies nicht zu Lasten der Gesundheit gehen. Der schnelle Anstieg der Zahlen unter den Kindern und Jugendlichen macht den Eltern große Sorgen.“

Es reiche nicht, wenn sich 84 Prozent aller Schüler testen ließen. „Zu groß ist uns die Gefahr, unter der unsere Kinder zur Schule gehen, daher fordert die Elternkammer verpflichtende und kontinuierliche Testungen aller Schülerinnen und Schüler und Schulbeschäftigen als Voraussetzung einer Teilnahme am Präsenzunterricht“, so Fragopoulos. Für Schüler, die aus gesundheitlichen Gründen zu Hause blieben, müsse eine gleichwertige Beschulung gewährleistet werden.

GEW: Grundschullehrer mit Testungen überfordert

Die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Anja Bensinger-Stolze, bekräftigte die Forderung, dass „die Schulen bei einem Inzidenzwert von über 100 in den Fernunterricht gehen sollen“. Lehrer fühlten sich insbesondere an den Grundschulen mit der Hilfestellung beim Testen der Schüler überfordert und auch nicht richtig geschützt.

„Wenn Schulen in Präsenz laufen sollen, muss geimpft werden.“ In Schleswig-Holstein gingen Schulen ab Inzidenz 100 wieder in den Fernunterricht, so die GEW-Chefin. „Das sehen wir auch für Hamburg in dieser schwierigen Lage für geboten an.“

Kita-Eltern in Sorge wegen Mutante B. 1. 1. 7

In den Kitas gibt es für alle Beteiligten ein weiteres Problem: Flächendeckende Tests per Rachen- oder Nasenabstrich wären Kleinkindern laut Sozialbehörde kaum zuzumuten. Bislang gibt es nur ein entsprechendes Angebot für die Kita-Beschäftigten – 35.000 Tests sind laut Sozialbehörde allein in der vergangenen Woche durchgeführt worden.

Da sich die Virusvariante B. 1. 1. 7 verstärkt auch unter Kindern verbreitet, sind die Eltern nach Auskunft mehrerer Träger verunsichert. Vereinzelt denken sie darüber nach, etwa durch eine Ärztin im Elternkreis jeden Tag einen Abstrich der Kleinkinder nehmen zu lassen.

"Elbpiraten"-Kita appelliert an Eltern

Berichte über infizierte Kinder, die sogar auf Intensivstationen behandelt werden, haben für zusätzliche Ängste gesorgt. In einer Mail an die Eltern bezeichnete die Leitung der „Elbpiraten“-Kita an der Wiben-Peter-Straße in Lokstedt die Situation als „besorgniserregend“ und legte Eltern nahe, die Kinder tageweise zu Hause zu betreuen. Die Anzahl der anwesenden Kinder lag zuletzt wieder bei 80 bis 90 Prozent der Gruppengröße, teilweise waren auch 100 Prozent der Gruppe wieder anwesend.

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„Viele Eltern plagt die Unsicherheit und Perspektivlosigkeit der Gesamtsituation“, sagte Viola Riedel vom Vorstand des Landeselternausschusses (LEA), der die Kita-Eltern vertritt. „Eine große Sorge ist, dass es zu erneutem Notbetrieb in den Einrichtungen kommt.“