Hamburg. Nach einem Blick in alte Tagebücher, hinterfragt sich die Moderatorin selbst. Ergebnis: Ihr neues Buch „Früher war ich auch mal jung“.

Heute ist bei „Entscheider treffen Haider“ eine Frau zu Gast, die früher auch mal jung war. Das klingt jetzt unhöflich, ist aber ziemlich genau der Titel des neuen Buches, das Bettina Tietjen geschrieben hat. Die Moderatorin hat sich ihre alten Tagebücher durchgelesen und gefragt, was aus der Frau von damals eigentlich geworden ist?

Ein Gespräch über ihre erste Liebe Klaus, die lange Suche nach dem richtigen Partner, gruselige Wohnungen in Paris und eine Kindheit ohne Fernsehen. Das (sehr lustige) Original ist unter www.abendblatt.de/entscheider zu hören.

Das sagt Bettina Tietjen über …

… die Begegnung mit der jungen Bettina aus den Tagebüchern:

„Ich habe in den Tagebüchern eine Frau entdeckt, die mir teilweise völlig entfallen war, fast fremd. Ich habe gedacht: Was ist denn mit der los, was treibt die denn um, warum ist die so unglücklich? Ich war als junge Frau ganz anders, als ich das in Erinnerung hatte, und auch ganz anders, als ich das meinen Kindern erzählt habe.“

… eine Kindheit und Jugend ohne Fernseher:

„Meine Eltern gehörten einer freikirchlichen Gemeinde in Wuppertal an, in der es sehr viele strenge Regeln gab. Alles, was weltliche Vergnügen waren, musste man sich selbst verbieten, und dazu gehörte natürlich der Fernseher als Fenster zur Welt. Bis zu meinem 18. Lebensjahr bin ich ohne TV aufgewachsen, und das hat bis heute Folgen: Ich kann nicht fernsehen und nebenbei etwas anderes machen. Dass ich selbst beruflich zum Fernsehen gegangen bin, hat meine Familie übrigens weitgehend ignoriert. Sie war immer der Meinung, dass ich weit unter meinen Fähigkeiten geblieben bin.“

… ihre Magisterarbeit über Peter Handke:

„Peter Handke hat mich irgendwie interessiert. Ich bin für meine Magisterarbeit damals tief in seinen Kopf eingestiegen und war selbst überrascht, als mein Professor mir dafür eine Eins gegeben hat. Meine Mutter hat damals meine Arbeit abgetippt und gesagt: ,Mit dem stimmt was nicht, der sollte mal eine Therapie machen.‘ Und da ist was dran.“

… die verruchten Liebesszenen bei Johannes Mario Simmel:

„Ich habe die Bücher von Simmel im Regal meiner Mutter gefunden, als ich 13 Jahre alt war, und war fasziniert von den Sexszenen, die ich dort gelesen habe – und von der Vorstellung, dass meine Mutter so etwas liest.“

… Raymond und Muskel-Johnny:

„Meine Freundin und ich waren als Au-pairs in Paris und haben dort in einem Café Raymond und Muskel-Johnny kennengelernt. Die beiden kamen immer um 3 Uhr morgens, tranken etwas und fingen dann an zu singen. Wir haben uns sofort in die verknallt. Wir waren 18 und dachten, dass das bestimmt Filmstars oder berühmte Musiker seien, die unerkannt bleiben wollten. Doch irgendwann stellte sich heraus, dass es Stripper aus einer Sexshow waren …“

… die lange Suche nach der großen Liebe:

„Ich war sehr perfektionistisch, was die Liebe anging, ich wollte einfach den Richtigen finden und habe mich deshalb nicht auf etwas Halbherziges eingelassen. Das finde ich im Nachhinein relativ emanzipiert. In Frankreich waren die Männer damals so drauf, dass sie ein bisschen Geknutsche schon als Freifahrtsschein empfanden – aber nicht mit mir, dafür war ich mir wirklich zu schade.

Ich habe mich trotzdem ständig neu verliebt, die Männer aber nach wenigen Wochen schon wieder vergessen. Die Suche nach der großen Liebe war für mich als junge Frau das große Thema, sie zieht sich auch durch all meine Tagebücher. Die Sehnsucht war groß, die Zweifel waren es aber auch.“

Bettina Tietjens neues Buch heißt „Früher war ich auch mal jung“. Es ist eine „Zeitreise durch meine Tagebücher“.
Bettina Tietjens neues Buch heißt „Früher war ich auch mal jung“. Es ist eine „Zeitreise durch meine Tagebücher“. © © Sebastian Fuchs/Piper Verlag | © Sebastian Fuchs/Piper Verlag

… ihren Mann Udo, der bis heute ihre große Liebe ist, und die Frage, wie er das Buch „Früher war ich auch mal jung“ findet, das eine große Liebeserklärung an ihn ist:

„Mein Mann hat das Buch bis heute nicht gelesen, ich glaube, er hat etwas Angst davor. Während ich daran gearbeitet habe, bin ich immer wieder zu Udo gelaufen, habe ihn umarmt und gesagt: „Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe.“ Und ich habe ihm immer wieder gesagt, dass es in dem Buch viel um ihn gehe und er es deshalb lesen müsse.

Vielleicht macht er es nicht, weil er ahnt, dass er dort Dinge über mich erfährt, die er gar nicht wissen will. Aber er weiß auch so, dass ich ihn liebe. Und ich glaube gar nicht, dass er der perfekte Mann ist, auch wenn nach der Lektüre der Eindruck entstehen kann. Er ist nur perfekt für mich.“

… ihre Arbeit in einer Härterei während der Studienzeit in Münster:

„Das war ein sehr monotoner, aber gut bezahlter Job, den ich geliebt habe, weil ich mit tollen Leuten zusammengearbeitet habe. Die kamen außer uns Studenten alle aus Italien und Jugoslawien, vor Schichtbeginn um 6 Uhr gab es einen Sliwowitz, und dann haben wir den ganzen Tag Rädchen sortiert. Das war eintönig, aber ich konnte gut nachdenken dabei.“

… ein berufliches Angebot vom „Flensburger Tageblatt“, das sie abgelehnt hat:

„Ich habe bis heute ein schlechtes Gewissen, weil die dort so wahnsinnig nett waren zu mir. Der Chefredakteur war sehr freundlich, obwohl ich überhaupt keinen Bezug zu Norddeutschland hatte, und hat mir am Ende ein Volontariat angeboten. Ich hätte das auch gemacht, denn ich wollte eigentlich schreiben, und das konnte ich am besten. Aber dann kam das Angebot von Rias Berlin, und ich bin dem Reiz der Stadt erlegen.“

… die inszenierte Wirklichkeit in Talkshows:

„Wenn man in einem Fernsehstudio aufeinandertrifft, stellt man Fragen, die man normalerweise einer völlig fremden Person niemals stellen würde. Eigentlich müsste man das Gegenüber sehr lange kennen, um so an die Substanz zu gehen. Ich finde es verrückt, dass das im TV möglich und irgendwie selbstverständlich ist.“

Am 5. Mai um 20 Uhr findet im „Schmidtchen“ eine 2. Lesung statt, die 1. Lesung ist ausverkauft

„Lass das mit der Tanz- und Gesangskarriere, Kind!“

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ich wollte Tänzerin oder Opernsängerin werden, weil es mich glücklich gemacht hat, in der Küche meiner Großeltern in Omis rosafarbenem Nachthemd herumzutanzen und inbrünstig – begleitet vom scheppernden Plattenspieler – „Köööhlerliesel, du bist so lieb, hey, du bist so schööön!“ mitzusingen.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

„Lass das mit der Tanz- und Gesangskarriere, Kind! Deine Talente liegen woanders.“

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Meine Mutter. Vom Schicksal gebeutelt, trotzdem immer positiv, zum Lachen aufgelegt und voller Lebenslust – mehr Resilienz geht kaum noch.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Sehr begabt, aber leider immer unpünktlich.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Dass ich Journalistin werden wollte, wusste ich schon mit Mitte 20, die Moderation habe ich erst mit 31 Jahren für mich entdeckt.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Karl-Heinz Gehm, Bernd Dassel (Redakteure bei RIAS Berlin). Sie haben mir gezeigt, wie man professionell Radio macht. Frank Plasberg. Er hat mich als Redaktionsleiter der „Aktuellen Stunde“ beim WDR als Moderatorin engagiert und „hart aber fair“ gecoacht.

Auf wen hören Sie?

Auf meinen Mann und meine Kinder.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Toleranz, Geduld, Zeit zuzuhören. Ehrlichkeit. Klugheit. Uneitelkeit. Und den Mut zur Transparenz.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Lügen.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Ich hatte noch nie Interesse an einer Führungsposition, finde es schwer genug, für mich selbst und mein Handel­n verantwortlich zu sein.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Geld bedeutet mir nichts, aber es ist beruhigend, keine Existenzsorgen zu haben.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Ich freue mich, wenn Menschen, die mit mir zusammenarbeiten, professionell und zuverlässig sind, Spaß an ihrer Arbeit haben, sich selbst Fehler eingestehen und sie anderen verzeihen.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Ich bekomme leider keine Bewerbungen auf den Tisch – darüber entscheiden andere.

Duzen oder siezen Sie?

Ich habe kein Problem mit dem Du, aber Menschen, die mir großen Respekt einflößen, sieze ich lieber.

Was sind Ihre größten Stärken?

Offenheit, Humor, schnelle Auffassungsgabe, Schlagfertigkeit.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Unpünktlichkeit, Ungeduld, manchmal verletzende Direktheit.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Den Papst.

Was würden Sie ihn fragen?

Wann seinen Job endlich eine Frau übernimmt.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Sind noch immer wichtig, weil viele Arbeitnehmer nicht den Mut und die Macht haben, ihre Rechte alleine durchzusetzen.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich mache jeden Tag Fehler. Heute habe ich zum Beispiel Tiramisu gegessen, obwohl ich eigentlich auf Zucker verzichten wollte …

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Ich habe mich nie an feste Ziele geklammert und keine langfristigen Pläne gemacht.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Zwischen 0 und 60.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

7 bis 8 Stunden.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich rede mir ein, dass es sich um positiven Stress handelt. Wenn es zu viel wird, verlasse ich die Situation und mache Urlaub.

Wie kommunizieren Sie?

Offen, ehrlich und direkt. Und es darf gelacht werden.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

So lange, bis ich Kopf- und Rückenschmerzen bekomme.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Höre auf dein Herz!

Was unterscheidet den Menschen von der TV-Moderatorin?

Ich bin immer ich.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Fuck Putin!