Hamburg. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin spricht über die Maskenpflicht an Schulen und das Frauenproblem der CDU.
Sie ist eine der großen Hoffnungsträgerinnen in der CDU Deutschland, manche in der Partei sollen so über sie reden wie die Grünen über Annalena Baerbock: Noch ist Karin Prien aber Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und will das auch nach der Landtagswahl am 8. Mai bleiben. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht sie über die Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen, das grundsätzliche Frauenproblem der CDU – und die schwierige Suche nach neuen Lehrerinnen und Lehrern. Das komplette Gespräch hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider.
Das sagt Karin Prien über …
… die Landtagswahl in Schleswig-Holstein:
„Wir haben als CDU nichts zu verschenken und müssen die mit Abstand stärkste Partei werden, damit nicht irgendwelche anderen auf die Idee kommen, ohne uns eine Regierung bilden zu können.“
… den Unterschied zwischen der CDU im Bund und in Schleswig-Holstein:
„Heutzutage ist die wichtigste Währung, um die es in der Politik geht, Vertrauen. Daniel Günther und die schleswig-holsteinische CDU genießen nach mehr als zwei Jahren Krisenmanagement viel von diesem Vertrauen, weil wir nie den Eindruck hinterlassen haben, dass wir aus parteipolitischem Kalkül unterwegs sind oder dass wir den kurzfristigen Vorteil gegenüber einem der Koalitionspartner suchen.“
… ihre (politische) Freundschaft mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther:
„Ich habe Daniel Günther anderthalb Jahre vor der Landtagswahl 2017 bei einer Tagung der CDU-Fraktionsvorsitzenden kennengelernt. Wir waren uns nicht nur auf Anhieb persönlich sympathisch, sondern hatten beide einen ähnlichen Blick auf die Politik und die Zukunft der CDU. Daraus ist so etwas wie eine echte politische Freundschaft geworden, und es macht einfach großen Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten.“
… die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen:
„Ich hätte mir gewünscht, dass die Maskenpflicht an den Schulen noch ein paar Wochen länger gilt, aber das war von der Ampel-Koalition in Berlin nicht gewünscht. Nun ist es, wie es ist, und die Maske kann ja freiwillig weiter getragen werden. Die meisten Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte machen das auch. Wenn das Infektionsschutzgesetz im September an eine dann sicher veränderte Situation angepasst wird, sollte die Maskenpflicht wieder als Option aufgenommen werden. Wir brauchen die Möglichkeit, in den Schulen das Tragen von Masken im Winter anordnen zu können. Wenn wir davon keinen Gebrauch machen müssen, ist es umso besser.“
… die schnelle Schließung der Schulen zu Beginn der Pandemie:
„Es war ein Riesenfehler, die Schulen im März 2020 von heute auf morgen zu schließen. Im Nachhinein fragt man sich, warum wir damit nicht zwei, drei Wochen gewartet und den Wechsel in den Distanzunterricht richtig vorbereitet haben. Heute wären wir auf so eine Situation übrigens allein deshalb besser vorbereitet, weil wir in Schleswig-Holstein 90 Prozent aller Schulen mit schnellem Internet versorgt haben. Wir haben inzwischen ein gut funktionierendes Videokonferenzsystem, das war auch nicht von Anfang an so, wir bilden unsere Lehrkräfte massiv in digitalen Fragen fort. Wir experimentieren an Schulen derzeit auch damit, wie wir ständig hybride Unterrichtsformen anbieten können. Auf keinen Fall wollen wir in die Zeit vor 2020 zurück.“
… die Suche nach neuen Lehrkräften:
„Ich halte die Frage der Lehrkräfte-Versorgung für die zentrale schulpolitische Frage des nächsten Jahrzehnts. Wir müssen bei der Suche nach Lehrkräften neue Wege gehen, weil wir erstens deutlich mehr Schülerinnen und Schüler haben, weil zweitens viele Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand gehen und weil wir drittens zusätzliche Bedarfe haben; ich nenne nur die Stichworte Ganztagsschule und Inklusion. Wir werden prüfen müssen, wie wir Lehrkräfte entlasten können, etwa durch Schulassistenten, durch Erzieherinnen, Betreuer oder Sozialarbeiter, und wie künftig das Personalkonzept einer Schule aussehen kann. Wir werden in Deutschland auch endlich damit aufhören müssen, ungesteuert auszubilden. Und wir müssen gleichzeitig die Qualität der Lehrkräftebildung in allen Phasen der Ausbildung verbessern. Da sind große Reformschritte erforderlich.“
… Quer- und Seiteneinsteiger an Schulen:
„Kurzfristig werden wir bei der Suche nach Lehrkräften zu kreativen und unkonventionellen Maßnahmen kommen müssen: Eine große Frage wird sein, wie offen wir eigentlich für Quer- und Seiteneinsteiger sind, und wie wir ihnen den Einstieg ins Schulleben mit entsprechender Qualifizierung so einfach wie möglich machen. Im Moment sind wir in diesem Bereich noch sehr restriktiv, das werden wir uns in den kommenden Jahren nicht mehr leisten können, vor allem an Grundschulen nicht. Wir sollten zum Beispiel Menschen, die Lust haben, neben ihrem herkömmlichen Job mit entsprechender Weiterbildung als Lehrkraft zu arbeiten, das auch anbieten können.“
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… die CDU, bei der alle Ministerpräsidenten und die Vorsitzenden aller Landesverbände Männer sind:
„Die CDU ist ihrem eigenen Anspruch, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu schaffen, in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerecht geworden. Der Umbau einer Partei, die extrem stark männerdominiert ist, die sehr stark männlich denkt und die älter ist als ihre Wähler, funktioniert durch freiwillige Maßnahmen nicht. Zu einer Quote haben wir uns bisher nicht durchringen können, aber ich gehe davon aus, dass sich das in diesem Sommer ändert.“
… Angela Merkel:
„Ich bin bekanntermaßen ein Fan von Angela Merkel, aber es war sehr spät, dass sie sich als Feministin bekannt hat. Das war auch nicht ihr Selbstverständnis. Sie hat sich selbst nie als Frau in der Politik wahrgenommen. Sie hat zwar viel für das Bild von Frauen in der Politik getan, jemand wie Annalena Baerbock wäre als selbstbewusste Außenministerin ohne das Vorbild Merkel kaum denkbar. Aber für die Quote hat sie sich nicht verausgabt. Friedrich Merz hat dieses Problem als ein dringendes, ich würde sogar sagen existenzielles erkannt. Wenn die CDU das nicht hinbekommt, wird sie den Anspruch nicht erfüllen können, eine moderne Partei zu sein.“
Fragebogen: Die Politikerin, die Blauhelmsoldatin werden wollte
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
UNO-Blauhelmsoldatin, später Diplomatin.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Geh Deinen Weg und bleib wachsam.
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Helen Keller und Golda Meir.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
Begabung und Redegewandtheit hat sie, aber sie könnte mit noch mehr Fleiß auch noch mehr erreichen.
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?
Engagierte Anwältin für die richtige Sache zu sein war irgendwann als Jugendliche mein Berufsziel. Mit dieser Erfahrung Politik zum Beruf machen zu dürfen war später ein echtes Privileg.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Zuerst meine Eltern, dann einige, wenige starke und inspirierende Frauen und Männer in Beruf und Politik und immer auch mein Mann.
Auf wen hören Sie?
Ich höre viel zu. Beruflich gerne Wissenschaftlern und Interessenvertreterinnen. Privat und politisch auf den Rat weniger kluger Menschen, die es gut mit mir meinen. Meine innere Stimme leitet mich mit zunehmendem Alter.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Souveränität, Klugheit, Menschlichkeit.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Die Nerven verlieren.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Wertschätzung, Kommunikation, Vertrauen.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Unabhängigkeit und Freiheit sind mir wichtig, Statussymbole kaum.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Selbstständigkeit, Professionalität, Charakter. Und Humor. Man muss auch über sich selbst lachen können, gerade in ernsten Zeiten.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Kompetenz, Potenzial, Engagement und eigene Wege.
Duzen oder siezen Sie?
Duzen war für mich lange ein Zeichen von Nähe und Vertrautheit, auch beruflich. Schleswig-Holstein hat mich da deutlich lockerer gemacht.
Was sind Ihre größten Stärken?
Zuversicht, Entscheidungs- und Konfliktfähigkeit, Ausdauer und – was besonders in der Politik von Vorteil ist – nicht nachtragend zu sein.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Impulsivität, zu viel zu schnell zu wollen, zu viel Lust auf gutes Essen und zu wenig Sport.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Daniel Barenboim.
Was würden Sie ihn fragen?
Welche Fähigkeiten benötigt man, um ein Orchester wie das West-Eastern-Divan mit all seinen unterschiedlichen Tönen und Zwischentönen der Musiker zu einem gemeinsamen Klang zu dirigieren?
Was denken Sie über Betriebsräte?
Eine historische Errungenschaft.
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?
Heute, wahrscheinlich.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Die Ausbildung zur Mediatorin.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
70 +
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Zu wenig.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Ich koche.
Wie kommunizieren Sie?
Am liebsten persönlich bei Essen und Wein.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
Wenig. Mehr am Besprechungstisch. Drei Stunden Aktenstudium täglich, nicht unbedingt am Schreibtisch, häufig im Auto auf der Fahrt von A nach B, müssen sein.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für deren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Mach dein Ding, bleib dran und werde nicht verbissen.
Was unterscheidet den Menschen von der Managerin Karin Prien?
Hoffentlich nicht zu viel.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Alles was ich jetzt sage, kann und wird irgendwann gegen mich verwendet werden.