Hamburg. Der Senat hat weitere elf Pandemie-Verbote gelockert oder aufgehoben. Sorge bereitet die Ausbreitung der Delta-Virusvariante.
Der Hamburger Senat hat neue, weitreichende Lockerungen der Corona-Regeln für das öffentliche und private Leben der Hansestadt beschlossen, die am Freitag in Kraft treten.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach zu Anfang der Woche von „weitestgehenden Öffnungen in fast allen Bereichen“. Er nehme „ein ganz anderes Lebensgefühl in der Stadt wahr. Wir können wieder den Sommer genießen! Nach sieben harten Monaten entlastet das sehr“, so der Bürgermeister.
Corona Hamburg: Zahlen ermöglichen weitere Lockerungen
Die Inzidenz entwickelt sich positiv, auch nach den Entscheidungen vom Dienstag gab es keine Ausschläge nach oben: Am Donnerstag lag der Sieben-Tage-Wert bei nur noch 17,4 – noch im April war der Wert fast neun Mal so hoch. Auch vor diesem Hintergrund kündigte der Senat die neuen Öffnungsschritte an:
- Bei privaten Zusammenkünften dürfen sich drinnen fünf Menschen, im Freien sogar zehn Menschen treffen, jeweils aus beliebig vielen Haushalten. Neu ist auch, dass zweifach Geimpfte (zwei Wochen nach der letzten Impfung) nicht mitzählen, also ebenso wie Kinder unter 14 Jahren zusätzlich dazukommen können.
- Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Campingplätze oder vergleichbare Beherbergungseinrichtungen dürfen wieder voll belegt werden. Gleiches gilt für Hafen- und Stadtrundfahrten.
- Sport ist mit bis zu 30 Erwachsenen unter freiem Himmel und kontaktfrei mit bis zu zehn Erwachsenen im Innenbereich mit Kontaktnachverfolgung und Testpflicht möglich. Auch Tanzstunden sind wieder erlaubt.
- Sport-Großveranstaltungen unter freiem Himmel und in Hallen können nach Einzelfallprüfung auch mit mehr als 650 Zuschauern genehmigt werden.
- Bis zu 100 Menschen sind bei Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen im Inneren erlaubt (Testpflicht, Kontaktnachverfolgung, Maskenpflicht). Draußen sind bis zu 500 Personen zulässig. Private Feierlichkeiten sind weiterhin nicht erlaubt.
- In Kultureinrichtungen darf jeder zweite Platz nach dem „Schachbrettmuster“ besetzt werden.
- Chorproben dürfen im Freien und in geschlossenen Räumen mit 2,50-Meter-Abstand stattfinden. In Innenräumen gilt eine Testpflicht.
- Touristische Gästeführungen sind wieder mit bis zu 20 Personen im Freien und zehn Personen drinnen erlaubt.
- Bei körpernahen Dienstleistungen reicht eine medizinische Maske.
- Saunen, Dampfbäder und Wellnessangebote dürfen wieder öffnen (Testpflicht, Abstands- und Kontaktregeln).
- Prostitution, die nach dem entsprechenden Schutzgesetz angemeldet und geprüft ist, darf es unter Auflagen wieder geben (Alkoholverbot, Anmeldung, Test- und Maskenpflicht).
Über eine Öffnung des traditionsreichen Fischmarkts werde im nächsten Schritt entschieden, sagte Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD).
Auf Lockerungen warten müssen hingegen weiterhin Clubs, Diskotheken und andere Tanzlokale. Eine Öffnungsperspektive gab Tschentscher nicht. „Es ist gut, dass die jungen Leute das Leben an der frischen Luft genießen.“
Sorge wegen der Delta-Coronavirusvariante
Der Senat beobachtet „sehr aufmerksam“, wie Bürgermeister Tschentscher sagte, die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Virusvariante in Europa, die zuerst in Indien aufgetaucht war.
In Hamburg wurden bisher zehn Fälle einer Covid-Erkrankung mit der Delta-Mutation nachgewiesen, drei weitere seien in der Prüfung. Die erfassten Infektionen seien aber sehr gut nachvollziehbar und gingen auf Einreisen sowie auf einen Ausbruch in einer Wohngemeinschaft junger Leute zurück, ergänzte Melanie Leonhard.
Das sei keine vollständige Entwarnung. Aber im Senat hat man die Hoffnung, auch mit weiter voranschreitenden Impfungen einen Anstieg der Infektionszahlen wie ab Januar – damals im Zusammenhang mit der britischen Mutante – verhindern zu können.
Tschentscher appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, möglichst keinen Urlaub in einem Risikogebiet zu machen. „In Deutschland ist das Infektionsgeschehen so niedrig, dass Reisen wieder gut möglich sind.“
Eingeschränkter Alkoholverkauf in Szenevierteln bleibt
Wegen der eskalierten Partys an den vergangenen beiden Wochenenden in Hamburg bleiben die Beschränkungen des Alkoholverkaufs im Schanzenviertel und auf St. Pauli bestehen. "Nach Einschätzung der Polizei hat sich das bewährt", sagte der Bürgermeister.
Eine Ausweitung auf andere Gebiete wie den Stadtpark sei aber nicht nötig. „Wenn ein Stadtteil zur Partymeile wird, Flaschen fliegen und so viel Alkohol getrunken wird, dass das Ganze außer Rand und Band gerät, dann wird die Polizei weiterhin einschreiten – das gilt auch unabhängig von Corona.“
Die allermeisten jungen Leute hielten sich aber an die Regeln, so Tschentscher. Die wenigen Ausnahmen seien polizeilich gut zu handhaben.
FDP fordert Planungssicherheit für Veranstalter
Der FDP-Landesvorsitzende Michael Kruse fordert indes Planungssicherheit für Veranstalter. „Dafür ist es notwendig, dass der Senat einen runden Tisch Großveranstaltungen einberuft, um zügig zu klären, welche Rahmenbedingungen in Hamburg für Großveranstaltungen gelten.“
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Die Liberalen erwarteten, dass bei sinkenden Inzidenzwerten Großveranstaltungen auch im Sommer 2021 noch stattfinden können. Wegen des Vorlaufs müsse die Stadt alles tun, um Konzepte innerhalb von einer Woche zu prüfen und zu genehmigen. Nur so könne man der gebeutelten Branche wieder auf die Beine helfen.
Versprochener zusätzlicher Impfstoff vom Bund noch nicht geliefert
Die von der Bundesregierung versprochenen Zusatzlieferungen von Impfstoff, die Hamburg erhalten sollte, weil die Stadt bisher weniger erhalten hat als andere Bundesländer, sind nach den Worten Tschentschers bisher noch nicht eingetroffen. „Aller Impfstoff, der eintrifft, wird sofort verimpft“, versprach der Bürgermeister.
Abi-Abschlussfeiern erlaubt, Abibälle fallen aus
Die rund 9900 diesjährigen Abiturienten sollen ihre Zeugnisse bis zum 18. Juni wieder in einem festlichen Rahmen erhalten. „Wir erwarten von den Schulen, dass sie – im Rahmen der derzeit geltenden Regeln – Abschlussfeiern durchführen“, sagte ein Sprecher der Schulbehörde. Die Veranstaltungen können sowohl drinnen als auch draußen stattfinden. Wegen der Corona-Pandemie fallen Abibälle allerdings erneut aus.
Es sind die vorerst letzten Öffnungsschritte im Stufenplan des Senats. Über weitere kleinere Neuregelungen will die rot-grüne Koalition am 21. Juni beraten.