Hamburg. Auch Gastronomen in der Innenstadt haben viel weniger Kunden als im Dezember – 2G plus schreckt offenbar viele ab.
Auf dem Gänsemarkt trippelt eine Schar von Tauben um das Lessing-Denkmal. Die Tiere sind hier deutlich in der Überzahl, während man nur wenige Passanten sieht. Und das mitten am Tag. Es ist Mittagszeit in der Innenstadt, doch Benjamin Urban hat erst eine einzige Kundin gesehen. Gekauft hat sie nichts, deshalb spricht der Store-Manager von BoConcept auch von einer Interessentin.
Am Tag davor seien es drei gewesen. Trotzdem ist das Möbelgeschäft von 10 bis 19 Uhr geöffnet. „Es gibt diese Pandemieangst. Wenn du nicht raus musst, gehst du nicht raus“, sagt Urban. Besonders schlimm seien dann potenzielle Kunden, die sich erst beraten lassen und dann sagen, sie würden das Gewünschte dann online bestellen. „Dann verdiene ich nichts“, sagt er.
Corona: Hamburgs Innenstadt ist leer – Händler in Not
Wer dieser Tage in der Innenstadt unterwegs ist, kommt schnell voran, denn es sind nur wenige Menschen unterwegs. Man muss nie jemandem ausweichen. Nicht einmal vor dem Apple-Store am Jungfernstieg gibt es die übliche Warteschlange, nur wenige Kunden tummeln sich im Laden. In der Läderach Chocolaterie liegen die Schokoladetafeln hübsch drapiert in der Auslage, aber die Verkäuferin ist allein mit dem Zuckerwerk.
Ein paar Hundert Meter weiter kann auch die hübsche Weihnachtsbeleuchtung, die immer noch in der Mönckebergstraße hängt, den trüben Winterhimmel und die Stimmung nicht erhellen. In den Schaufenstern prangen allerorten „Sale“-Schilder, Rabatte von 20, 30 und 50 Prozent werden angepriesen, doch es ist kaum was los.
2G plus hat zum Einbruch der Kundenfrequenz geführt
„Es sind jetzt noch mehr Menschen im Homeoffice, die kommen noch seltener in die Büros. Diejenigen Hamburger und Bewohner der Metropolregion, die am Mittag lesen, wir haben 4000 Neuinfektionen, überlegen doch alle, wo können wir Kontakte vermeiden. In die Innenstadt muss man sich gezielt auf den Weg machen, da muss man hinwollen. Wir haben hier keine Wohnbevölkerung. Das spüren wir natürlich an noch mal deutlich gesunkenen Frequenzen“, sagt City-Managerin Brigitte Engler.
Normalerweise seien das die Wochen nach Weihnachten, die noch mal richtig gut besucht sind, weil jetzt die attraktivsten Preisreduktionen locken, deshalb kenne man zu dieser Zeit ganz andere Frequenzen, als es sie derzeit gebe. Die 2G-plus-Regel habe noch ein weiteres Mal zum Einbruch der Kundenfrequenzen geführt. Etliche Restaurants haben bereits geschlossen oder ihre Öffnungszeiten eingeschränkt.
Die Mittagspausenkundschaft bleibt aus
Auch die Mitarbeiter am Mö Grill in der Mönckebergstraße haben wenig zu tun. Die Stehtische mussten sie abbauen, wer eine Currywurst oder eine Thüringer bestellt, muss sie mitnehmen oder im Gehen essen. „Augen auf“, sagt einer der Mitarbeiter auf die Frage, wie die Geschäfte laufen. „Es ist wie ein Lockdown, ohne dass die Stadt sich beteiligen muss. Es gibt den Onlinehandel, wenn man es geschickt anstellt, ist alles auch noch billiger. Das ist ein ungleicher Kampf, denn der eine baut eine Lagerhalle auf der grünen Wiese, und der andere muss hier sein lokales Geschäft betreiben und Ladenmiete bezahlen.“
Weil viele nicht mehr im Büro seien, kämen sie auch nicht mehr, um sich in der Mittagspause etwas zu essen zu holen, sagt der Wurstverkäufer. Den einen Pavillon auf der anderen Seite hätten sie schon vor ein paar Monaten geschlossen, im anderen arbeiten sie noch zu viert, aber mit deutlich weniger Umsatz. „Es ist eine existenziell bedrohliche Lage, aber privat geht es mir gut“, sagt der Mann, „ich habe drei gesunde Kinder und eine Frau, die mich liebt.“
In der Jellyfish-Bude ist es mit 2G plus deutlich ruhiger geworden
Dass es kaum noch Menschen in die City zieht, merkt auch Franco Bisso. Der 49-Jährige betreibt seit 14 Jahren in der Passage am Rathausmarkt sein Restaurant La Pasta. „Die Stammgäste retten uns noch etwas. Ein bisschen was ist zu Mittag los, aber am Nachmittag ist es hier tot. Es sind keine Touristen da, die Stadt ist leer.“ Damit auf keinen Fall Warteschlangen entstehen, seien sie immer noch zu acht und bereiten diverse Pasta-Variationen zu. „Aber nach der Mittagszeit gehen meine Leute nach Hause.“ Was sich nicht geändert habe, sei die Miete. „Wir bezahlen hier Innenstadt-Miete. Die kostet hier das Vier- bis Fünffache, verglichen mit anderen Stadtteilen“, sagt Bisso. Aber immerhin könne er seinen Laden noch am Laufen halten, viele unter seinen Freunden, die eine Gastronomie betreiben, seien am Ende.
In der Jellyfisch-Bude by Schmidt & Schmidtchen laufen die Geschäfte auch nur mäßig. Im Fischbrötchen-Laden, der erst vor Kurzem in der Einkaufspassage Galleria eröffnet hat, sitzen nur vereinzelt Kunden an den kleinen Tischen. „Seit der Einführung von 2G-plus ist es noch einmal deutlich ruhiger geworden“, sagt Mitarbeiter Edin Alic. Einige holten sich noch mittags etwas zu essen, aber vielen seien die Regeln zu kompliziert geworden. Die Öffnungszeiten wurden bereits verkürzt von 11.30 bis 17.30 Uhr statt von 10 bis 19 Uhr. Ein Trend, der für etliche Geschäfte in der Innenstadt gilt.
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Die vielen Obdachlosen in der Stadt sind augenfällig
Was auffällt, ist die Vielzahl der Obdachlosen, die oft in Häusereingängen kampieren, oft auch nur mit einem Schild vor sich auf dem kalten Boden sitzen. „Wenn man durch die Innenstadt geht, sieht man mehr auffällige Menschen auf der Straße als je zuvor, etwa frühmorgens am Hauptbahnhof, Menschen die in einem sehr, sehr schlechten gesundheitlichen Zustand sind“, sagt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter und politischer Sprecher des Straßenmagazins Hinz&Kunzt. Im letzten Jahr seien 30 Menschen auf der Straße gestorben, nicht erfroren, nicht an Corona gestorben, aber es sei alles noch schwieriger geworden, hygienemäßig und weil sie in der Pandemie nicht mehr die Möglichkeit hatten, sich in Tagesstätten aufzuhalten, wo sie sich wohlfühlen.
Die Verkäufer des Straßenmagazins Hinz&Kunzt findet man dagegen nur ganz vereinzelt in der Hamburger Innenstadt. „Sie sagen, es lohnt sich gar nicht mehr, und sie fahren eher in andere Stadtteile und stehen da vor Supermärkten. Da läuft es relativ normal“, sagt Stephan Karrenbauer. Vor den Supermärkten in den Stadtteilen sei die Situation für die etwa 500 Verkäufer des Straßenmagazins ganz gut, sagt Karrenbauer, denn Lebensmittel würden immer gekauft. „Wen man in der Innenstadt antrifft, das sind Leute ohne Ausweis mit einer Zeitung in der Hand, die aber gar nicht zu uns gehören.“ Das sei nicht sehr hilfreich, aber es sei schwierig, dagegen etwas zu unternehmen.
Die Dänen sind noch in der Hamburger Innenstadt unterwegs
Doch in der Innenstadt geht es nicht allen Geschäftsinhabern schlecht. Es gibt laut City-Managerin Brigitte Engler nämlich auch Quartiere, die nicht von so hohen Frequenzen leben, sondern eher wie gezielter Kundschaft wie etwa am Neuen Wall oder an den Hohen Bleichen. Schlangen gebe es etwa bei Louis Vuitton oder Secondella, die Luxusmode Secondhand verkaufen. „Die Menschen kommen, aber sie kommen sehr gezielt.“
Das bestätigt ein Mitarbeiter von Louis Vuitton. Das komme schon mal vor, dass sich eine Schlange bilde, denn die Kunden kämen gezielt, schließlich sei in Hamburg der einzige Store in ganz Norddeutschland. Auch die Dänen seien immer noch reiselustig und kämen in das Hamburger Geschäft. Auch an diesem frühen Nachmittag lassen sich gerade etliche Kunden beraten, die Verkäufer haben gut zu tun.
„Wir wollen das sympathischste Kaffeehaus am Neuen Wall sein“
Beim Edel-Warenhaus Manufactum im Kontorhausviertel ist man mit dem Weihnachtsgeschäft und auch mit der aktuellen Lage recht zufrieden. „Wir sind trotz aller Belastungen ziemlich zuversichtlich“, sagt Warenhausleiter Torsten Jachalke. „Wir sind ja im Versand und stationär aktiv.“ Die meisten Kunden kämen gezielt in das Geschäft. Dass es rundherum sehr ruhig sei, empfänden viele Kunden als beruhigend.
Ein ähnliches Bild bietet sich bei Juwelier Mahlberg am Neuen Wall. „Die Geschäfte laufen gut, weil wir extrem lokal aufgestellt sind. Wir bieten guten Service an, und unsere Stammkunden kommen auch jetzt“, sagt Geschäftsführer Thomas Schmidt-Jünemann. Viele seien aber derzeit wegen der Corona-Bestimmungen etwas verunsichert. „Leute, die abends in der Stadt weggehen, bummeln vorher auch. Das findet derzeit nicht statt. Ein kompletter Lockdown würde uns nicht weiterhelfen, aber 2G plus ist schon ein Killer.“
Kaffee, ein Glas Champagner oder ein Schokoladentäfelchen, die sonst ein Kundengespräch begleiten, gebe es derzeit nicht, bedauert Schmidt-Jünemann, „dabei wollen wir das sympathischste Kaffeehaus am Neuen Wall sein“. Das gehe derzeit nicht.