Hamburg. Ausgangssperre aufgehoben, Erleichterungen für Kindersport. Beschränkungen für Treffen zu Hause und in Öffentlichkeit gelten weiter.

Der Inzidenzwert sieben Tage in Folge unter 100 und mit 78,2 am Dienstag auf dem niedrigsten Stand in Hamburg seit Anfang März – bietet das nicht mehr Spielraum für Lockerungen der Corona-Beschränkungen als zuletzt vom Senat geplant, sei es für eine frühere Öffnung des Einzelhandels oder der Außengastronomie? Warum weicht Hamburg von weniger strengen Regeln in anderen Bundesländern ab?

Mit diesen Fragen in mehreren Variationen sahen sich Innensenator Andy Grote (SPD) und Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag bei der Landespressekonferenz im Rathaus immer wieder konfrontiert. Doch beide bekräftigten stoisch den Kurs, den Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vorgegeben hatte.

„Jo-Jo-Effekt“ beim Infektionsgeschehen verhindern

„Wir müssen vorsichtiger sein als Flächenländer“, sagte Schweitzer. Durch „harte Arbeit“ der Hamburgerinnen und Hamburger sei es gelungen, die Inzidenz stark zu senken. Ein schrittweises Vorgehen bei Öffnungen sei unabdingbar, um einen „Jo-Jo-Effekt“ beim Infektionsgeschehen und einen erneuten Anstieg der Inzidenz über 100 zu verhindern.

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Vorerst sollten zwar alle mit den Rahmendaten planen, die der Vier-Stufen-Plan des Senats vorsehe, sagte Andy Grote. Wenn der Inzidenzwert weiterhin so schnell zurückgehe wie in den vergangenen Tagen geschehen, müsse allerdings „nicht jeder Schritt in Stein gemeißelt sein“. Grote appellierte an die Bürger, durchzuhalten, und dankte ihnen für ein „beeindruckendes Maß an Verantwortungsbewusstsein“.

Erster Öffnungsschritt ab 12. Mai:

  • Die Ausgangsbeschränkung von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens wird aufgehoben.
  • In der Kindertagesbetreuung ist die Rückkehr zum eingeschränkten Regelbetrieb ab dem 17. Mai vorgesehen.
  • Kindersport im Freien ist wieder mit bis zu 10 Kindern möglich, wobei die Aufsichtspersonen einer Testpflicht unterliegen.
  • Vorgesehen ist darüber hinaus die Wiederaufnahme des Wechselunterrichts für alle Klassenstufen mit Ende der Mai-Ferien, sodass alle Schülerinnen und Schüler bis zu den Sommerferien wieder Präsenzunterricht erhalten können.
  • Außerschulische Musik- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche als Einzelunterricht oder in Kleingruppen sind wieder möglich in Verbindung mit einer Testpflicht für das Lehrpersonal.
  • Die generelle Maskenpflicht für Begleitpersonen auf Spielplätzen wird aufgehoben. Eine Maskenpflicht besteht weiterhin bei Unterschreitung des gebotenen Abstands von 1,5 m oder auf Anordnung im Einzelfall.
  • Geimpfte und genesene Personen im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung des Bundes werden tagesaktuell negativ getesteten Personen gleichgestellt. Dies wirkt sich zum Beispiel bei der Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen oder in Bezug auf die Testpflicht durch Arbeitgeber aus. Zusätzlich werden für Geimpfte und Genese diejenigen Befreiungen von Beschränkungen unmittelbar gelten, die in der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung des Bundes vorgesehen ist, die aller Voraussicht nach bereits am Sonntag, den 9. Mai in Kraft treten wird.
  • Ab 17. Mai können Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken und Ausstellungshäuser öffnen, verbunden mit Hygienevorgaben, Testpflicht, (digitaler) Kontaktnachverfolgung und flächenbezogener Personenzahlbegrenzung (als Teil des Einlassmanagements).

1053 Verstöße gegen die Ausgangssperre

Seine Behörde habe 1053 Verstöße gegen die Ausgangssperre festgestellt und 759 Bußgelder verhängt.“ Pro Tag durchschnittlich 20 Bußgelder – „das ist in einer Millionenstadt sehr wenig“, sagte Grote.

Von heute an gelten in Hamburg mehrere Lockerungen: Die Bürger dürfen auch nachts wieder vor die Tür; im Freien dürfen bis zu zehn Kinder in einer Gruppe wieder Sport treiben; auch außerschulische Musik- und Bildungsangebote für Kinder sind wieder möglich. Es bleibt allerdings dabei, dass sich Angehörige eines Haushalts nur mit einer weiteren Person treffen dürfen, wobei Kinder unter 14 Jahre nicht mitgezählt werden.

Gruppensport im Freien mit zehn Erwachsenen

Kurz vor Pfingsten könnten wieder Treffen für fünf Personen aus zwei Haushalten möglich sein – das sieht der Senat in einem zweiten Schritt seines Plans vor, neben weiteren Lockerungen wie Sport für 20 Kinder in einer Gruppe im Freien, Gruppensport im Freien mit zehn Erwachsenen und Kindergeburtstage zu Hause mit zehn Kindern unter zwölf Jahren.

Innensenator Andy Grote (SPD)
Innensenator Andy Grote (SPD) © dpa | Georg Wendt

Vom kommenden Montag an sollen wieder alle Schüler im Wechsel zwischen Präsenzunterricht in der Schule und Fernunterricht zu Hause lernen – bis zu dem Beginn der Maiferien war das für 60 Prozent der rund 200.000 Schüler der allgemeinbildenden Schulen möglich. Seit Mitte März sind bereits die Grund- und Sonderschüler sowie einige Jahrgangsstufen der weiterführenden Schulen im Wechselunterricht.

Kitas sollen in den eingeschränkten Regelbetrieb wechseln

Die Kitas in Hamburg sollen von Montag an vom erweiterten Notbetrieb in den eingeschränkten Regelbetrieb wechseln. Damit ist dann für jedes Kita-Kind eine Betreuung von 20 Stunden an mindestens drei Tagen möglich. CDU-Fraktionschef Dennis Thering begrüßte das Vorgehen. „Hamburg geht weiter den vorsichtigen Weg, das ist richtig. Jetzt gilt es, Hand in Hand mit einer Beschleunigung der Impfkampagne und schrittweisen Öffnungen zurück zur Normalität zu kommen.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann kritisierte den Innensenator: Grote verkaufe die „freiheitsfeindliche Ausgangssperre“ als „großen Erfolg“. „Gemessen an der unsinnigen Inzidenzwertorientierung und den wenigen Verstößen mag dies richtig sein. Das ist allerdings keine Rechtfertigung für eine derartige Beschneidung der Grundrechte.“

Zweiter geplanter Öffnungsschritt (ca. zehn bis 14 Tage nach Schritt 1):

  • Der Einzelhandel wird geöffnet unter der Voraussetzung eines tagesaktuell negativen Tests für die Kundinnen und Kunden, (digitaler) Kontaktnachverfolgung sowie mit einer Personenzahlbegrenzung, die sich an der Verkaufsfläche orientiert.
  • Die Kontaktbeschränkung wird erweitert auf fünf Personen aus zwei Haushalten, wobei Kinder bis 14 Jahre nicht mitgerechnet werden.
  • Kontaktfreier Sport in Gruppen ist wieder mit bis zu 10 Erwachsenen im Freien möglich, verbunden mit einem negativen Test.
  • Kindersport im Freien wird mit bis zu 20 Kindern ermöglicht, wobei die Aufsichtspersonen der Testpflicht unterliegen.
  • Kindergeburtstagsfeiern von bis zu 10 Kinder bis zum 12. Lebensjahr werden in privaten Wohnungen wieder ermöglicht.
  • Die Angebote der körpernahen Dienstleistungen (über Friseure und Fußpflege hinaus) können wieder in Anspruch genommen werden, wenn die Kundin bzw. der Kunde einen tagesaktuell negativen Test vorlegt und das Geschäft eine (digitaler) Kontaktnachverfolgung sicherstellt.
  • Außerschulische Bildungseinrichtungen werden geöffnet, verbunden mit der Testpflicht und unter Wahrung von Hygienevorschriften (Abstände, „halbe“ Gruppen).
  • Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und soziale Angebote können unter Wahrung von Hygienevorschriften (Abstände, Gruppengröße) wieder in Anspruch genommen werden.
  • Der praktische Fahrunterricht ist verbunden mit der Testpflicht wieder zulässig.
  • Die Maskenpflicht in Parks und Grünanlagen wird aufgehoben. Die generelle Pflicht zum Tragen einer Maske bei Unterschreitung des gebotenen Abstandes von 1,5 m oder auf Anordnung im Einzelfall bleibt bestehen.
  • Kulturelle, sportliche und vergleichbare Veranstaltungen unter freiem Himmel dürfen stattfinden – verbunden mit Hygienevorgaben, Terminbuchung, Testpflicht, (digitaler) Kontaktnachverfolgung, Personenzahlbegrenzung sowie feste Sitz- oder Stehplätze. Dies betrifft nicht den Bereich der privaten Feiern.
  • Darüber hinaus können ausgewählte Modellprojekte zur Erprobung von Kultur- und Sportveranstaltungen in Innenräumen ermöglicht werden.

Unmut beim Tourismusverband Hamburg

 Ähnlich äußerte sich die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Grote sollte nicht „ohne jede wissenschaftliche Grundlage behaupten, dass die übermäßig strenge Hamburger Ausgangssperre für die Halbierung der Inzidenz seit Anfang April verantwortlich sei“, sagte sie. „Das ist überflüssiges Selbstlob.“

Dass nach dem Stufenplan des Senats frühestens Anfang Juni die Außengastronomie wieder öffnen darf und in einem zeitlich nicht näher fixierten vierten Schritt erst anschließend weitere Öffnungen für „Hotellerie, Gastronomie und touristische Angebote“ möglich sein sollen, sorgt für Unmut beim Tourismusverband Hamburg (TVH). Damit seien die rund 8.000 betroffenen Firmen mit ihren 90.000 Beschäftigten das Schlusslicht der Öffnungsstrategie.

Hotels am Rand des Ruins

Bereits am 2. November musste der Tourismus in Hamburg die Türen schließen. Das seien sieben Monate des absoluten Stillstands, sagte der TVH-Vorsitzende Wolfgang Raike. „Unsere Unternehmen stehen am Rand des wirtschaftlichen Ruins. Wir haben den Lockdown mitgetragen und haben viel Geld in umfangreiche Hygienekonzepte investiert. Hotels, Gastronomie und die Freizeitwirtschaft sind keine Pandemietreiber.“

In Schleswig-Holstein darf seit dem 12. April – bei Inzidenzen unter 100 – die Außengastronomie öffnen, in Modellregionen sind Übernachtungen in Hotels und Ferienwohnungen erlaubt. Vom 17. Mai an soll der Tourismus in ganz Schleswig-Holstein hochfahren. „Wir brauchen einheitliche Regeln für alle Bundesländer,“ sagte Raike. Es sei nicht vermittelbar, warum Hotels in Lübeck sicherer sein sollten als in Hamburg.

Weniger Patienten auf Intensivstationen

Unterdessen meldete die Gesundheitsbehörde am Dienstag 145 Corona-Neuinfektionen in der Hansestadt. Das waren 47 weniger als am Montag und 108 weniger als am Dienstag vor einer Woche. In den Hamburger Kliniken wurden mit Stand Montag 214 Corona-Patienten behandelt, acht mehr als am Freitag. Die Zahl der Patienten auf Intensivstationen sank um drei auf 79, von ihnen stammen 60 Patienten aus Hamburg.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Dass der Inzidenzwert in Hamburg sinkt, zeigt sich analog in den Bezirken, allerdings mit einer Ausnahme: Der Bezirk Eimsbüttel meldete in den vergangenen sieben Tagen 219 Neuinfektionen, dadurch stieg die Inzidenz vom 59,9 am 3. Mai auf aktuell 82. Am besten steht nun der Bezirk Nord da: Dort wurden 169 Neuinfektionen gemeldet, die Inzidenz sank von 62,3 auf 53,7.

An der Spitze steht nach wie vor der Bezirk Hamburg-Mitte, der 389 Neuinfektionen seit dem 3. Mai meldete. Dort liegt der Inzidenzwert nun bei 129 – sieben Tage zuvor lag er jedoch bei 163,2. Im Bezirk Bergedorf sank die Inzidenz im gleichen Zeitraum von 107,5 auf 90,5. Der Bezirk Harburg verbesserte sich von 136,3 am 3. Mai auf aktuell 79. Im Bezirk Altona sank der Inzidenzwert von 89 auf 77,4, in Wandsbek von 92,7 auf 79,6.